zum Hauptinhalt

Politik: „Mubaraks harter Kurs gegen die Islamisten war erfolglos“

Der Friedensforscher Daniel Labib Sharaf hält die Verbindung der Täter von Scharm al Scheich zu Al Qaida für schwach

Wer könnte hinter den Attentaten von Scharm al Scheich stecken?

Die möglichen Täter haben mit Sicherheit einen islamistischen Hintergrund. Dass es ein Bekennerschreiben von Al Qaida gibt, muss nicht viel heißen. Denn was ist Al Qaida? Ein Sammelbecken aller möglichen fundamentalistischen Zellen, die oft gar nichts mit Al Qaida zu tun hatten, sich aber nach dem 11. September 2001 mit der Terrortruppe verbunden haben, organisatorisch oder auch finanziell.

Hat Al Qaida eine Basis in Ägypten?

Nein, Al Qaida hat nirgendwo eine Basis, außer vielleicht in Afghanistan. Aber sie haben überall kleine aktive Zellen, die selbstständig agieren.

Warum haben die Terroristen sich Scharm al Scheich als Ziel ausgesucht?

Weil es den größtmöglichen symbolischen Effekt hat. Es trifft die ägyptische Tourismusindustrie, und damit die Regierung. Denn der Tourismus stützt das Regime von Präsident Husni Mubarak. Außerdem wollen die Täter Druck auf die Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern ausüben. Vermutlich kamen die Täter über die Grenze zu Israel. Zumindest haben die Autos, die in die Luft gesprengt worden sind, alle ausländische Kennzeichen gehabt. Und zum Dritten haben sie natürlich ausländische, westliche Touristen getroffen. Die Botschaft ist klar: Die Terroristen wehren sich gegen westliche Einmischung im arabischen Raum.

Im November soll in Ägypten ein neuer Präsident gewählt werden. Besteht da ein Zusammenhang?

Davon gehen eigentlich fast alle Beobachter aus. Wenn es mit Mubarak weitergeht, befürchten viele, dass sich wenig ändern wird. Viele vermuten, dass Mubarak mit seiner Ankündigung, auch Gegenkandidaten zuzulassen, nur den Weg für einen Wechsel zu seinem Sohn frei machen will. Der Favorit in der Bevölkerung wäre Amer Mussa, der Präsident der arabischen Liga, der aber nicht zur Wahl steht.

Der ägyptische Präsident hat einen sehr repressiven Kurs gegenüber islamistischen Strömungen gefahren. Ist er gescheitert?

Seine aggressive Linie gegen die Islamisten hatte offensichtlich keinen Erfolg. Zwar hat er sie als politische Größe mehr oder weniger mundtot gemacht. Aber sie sind ja nicht verschwunden, und ihr Zorn wurde nicht kleiner. Die miese Wirtschaftspolitik von Mubarak hat allerdings dazu geführt, dass die Leute inzwischen mehr damit beschäftigt sind, ihr Überleben zu sichern als mit Religion und dem Glauben. Dadurch haben die Fundamentalisten an Anhängerschaft verloren, aber nicht an Gewaltpotential.

Welche Rolle kann Ägypten nun noch im Friedensprozess im Nahen Osten spielen?

70 Prozent der Bevölkerung unterstützen die Friedensbemühungen zwischen Israel und Palästina, aber nicht in der bisherigen Form. Die Mehrheit ist bis heute nicht davon überzeugt, dass die Friedenspolitik gegenüber Israel richtig war und ist. Aber der Terrorismus kommt in Ägypten nicht gut an. Es gibt in der Bevölkerung großen Widerstand. Wenn Leute bemerken, dass jemand ein Attentat plant, greifen sie ein. Das hat es zum Beispiel in Chan al Chalili gegeben. Dort haben Passanten einen Anschlag verhindert, indem sie den möglichen Selbstmordattentäter festgehalten haben. Sie haben ihn nicht nur festgehalten, sie haben ihn verprügelt. Die Anschläge treffen die Ägypter sehr hart. Zum einen wirtschaftlich. Aber sie empfinden die Attentate auch als Anschlag auf ihre friedliche Lebensweise. Sie wollen nicht ständig in Angst leben. Scharm al Scheich ist nicht nur eine Hochburg des Tourismus, es ist auch die Stadt, in die viele arbeitslose Akademiker gezogen sind, die sich dort bessere Beschäftigungschancen ausgerechnet haben. Umso größer ist der Zorn.

Wie wird die Regierung nun reagieren?

Vermutlich so wie immer: Sie wird die Polizeimacht ausspielen. Und sie hat ja auch kaum eine andere Chance. Ob es ihr gelingen wird, die terroristischen Zellen zu finden, steht auf einem anderen Blatt.

Das Interview führte Dagmar Dehmer.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false