zum Hauptinhalt
Die Münchner Sicherheitskonferenz.

© Reuters

Münchner Sicherheitskonferenz: Plötzlich ins Weltgeschehen katapultiert

Mit der Moskau-Reise von Angela Merkel und Francois Hollande und dem Auftritt der Bundeskanzlerin am Samstag wurde die Münchner Sicherheitskonferenz zu einem ganz besonderen Mittelpunkt. Eindrücke aus München.

Die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz in München, die am Freitagnachmittag startete, sind plötzlich mitten ins aktuelle Weltgeschehen hinein katapultiert. Mit den Entwicklungen der vergangenen Tage fühlt sich mancher wie in einem Hollywoodthriller, in dem er selbst mitspielt – das Ende aber ebenso wenig kennt wie der Zuschauer. Die diplomatischen Emissäre Angela Merkel und Francois Hollande, Amerikas Vize Joe Biden und Russlands Außenminister Sergej Lawrow machen einen Zwischenstopp am Set. Nach den Gesprächen im Osten (Kiew, baltische Staaten, Moskau) steht nach München der Westen – die USA – auf dem Verhandlungszettel. Jenseits der öffentlichen Podienauftritte der Protagonisten werden in diesem Jahr in München noch mehr  bilaterale Gespräche geführt, als es sonst schon üblich ist.

Das ist spannend, aber viele fühlen sich dennoch nicht wohl in ihrer Haut. Auch die Deutschen hatten sich vor einem Jahr wohl nicht träumen lassen, welche Rolle sie  im Februar 2015 spielen würden, als Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Dreiklang eine aktivere deutsche Außenpolitik, mehr Verantwortung für die Welt ankündigten.

Niemand hatte früher Deutschlands neue Rolle im Sinn

Zwölf Monate später ist Deutschland mit Kanzlerin Angela Merkel in einer Rolle, die damals niemand im Sinn gehabt haben dürfte. Gab es früher den Begriff German Angst, müssen Angela Merkel und ihr Außenminister Frank-Walter Steinmeier jetzt mit einer European Angst umgehen, die auf den Gängen durchaus zu spüren ist – und die ist im Osten Europas eine andere als in manch westlichem Staat. Gleichzeitig muss Deutschland darauf achten, dass die europäischen Partner an Bord bleiben. War die Ukraine im vergangenen Jahr zwar eine Krise und mit dem zum Politiker mutierenden Boxer Klitschko auch eine Show im Fünf-Sterne-Hotel Bayerischer Hof, ist es in diesem Jahr eher etwas beklemmend. Die große Frage ist: Was will Putin? Niemand scheint diese Frage beantworten zu können.

Regierungschefs, Minister, Diplomaten hoffen auf einen Erfolg der Vermittlung, schauen aber auch genau darauf, ob Deutschland in der Situation der „außenpolitischen Versuchung“ erliegt, sich und seine Rolle also möglicherweise zu wichtig nimmt. Das wissen sie Auswärtigen Amt genau, wenn man dem Leiter des Planungsstabes, Thomas Bagger, folgt. Trotz der Reden vor einem Jahr: „Wenn Deutschland heute mehr Handlungsoptionen hat, dann nicht, wie wir ein Interesse daran hatten, sondern weil sie uns aufgedrängt wurden.“ Wünsche an Berlin kommen aus ganz unterschiedlichen Motiven aus ganz verschiedenen Regionen der Welt. Bagger sagt ganz klar „Deutschland ist kein Hegemon in Europa.“ Dass Deutschland außenpolitisch aktiver sei als früher, heiße nicht „dass wir die Lösung bringen“. Das Auswärtige Amt will wohl auch deshalb den „europäischen Imperativ“ wieder stärker in die deutsche Debatte einbringen. Dabei gehen sie gehen davon aus, dass weiterhin einzelne nationale Akteure für Europa unterwegs sein müssen – wohl nicht zuletzt, weil es inzwischen immer mehr Krisen gibt, auf die in Arbeitsteilung gleichzeitig reagiert werden muss. Die Arbeitsteilung wird derzeit immer wieder angepasst.

"Verantwortung ist konkret"

Dass die Deutschen laut einer Umfrage mehrheitlich gegen mehr deutsche Verantwortung sind, ist aus Baggers Sicht nicht ungewöhnlich. Die Frage sei zu abstrakt und würde auch in anderen Ländern eine solche Antwort provozieren. „Verantwortung ist am Ende immer ganz konkret.“ Bei all den Krisen dürfe man aber auch die langfristigen Fragen nicht aus den Augen verlieren. 

Polens ehemaliger polnischer Botschafter Janusz Reiter ist offenbar derzeit ganz froh, dass die Deutschen als Emissäre Europas unterwegs sind. Sein Land guckt besonders intensiv auf die Ukraine. Wenn es dort mit der Befriedung  schief gehen sollte, ist der Krieg an dessen Grenze – auch wenn es vielleicht zuerst vor allem Flüchtlinge wären, die nach Polen drängten. „Deutschland vertritt die europäische Position, die es ohne die deutsche Anstrengung nicht gäbe“, sagte Reiter am Rande der Konferenz.  Auch wenn immer von neuer Außenpolitik die Rede sei: „In der neuen Welt gelten die Regeln der Politik mehr als in der Welt, die der Kalte Krieg geformt hat. Deutschland stellt sich dem“, fügte Reiter hinzu.

„Die Dilemmata sind dieselben wie früher“, sagt Janusz Reiter. Selbst wenn es heute neue Kommunikationsmöglichkeiten wie Twitter und Facebook gebe, die manchen zu dem Schluss führten, es gebe ganz neue Verbundenheiten. „Ich würde mir wünschen, dass junge Deutsche heute mehr mit jungen Menschen auf dem Maidan verbindet.“ Für ihn klinge das aber eher wie „die Neuauflage des deutschen Traums von postnationalen Identitäten“. Allerdings, so Reiter: "In Stresssituationen funktionieren diese Identitäten nicht.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false