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Müntefering

© dpa

Müntefering über Merkel: "Sie muss sich das gefallen lassen"

SPD-Chef Franz Müntefering über seinen Dauerstreit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Aufgaben bis zur Bundestagswahl und seine Rolle danach.

Herr Müntefering, wann hatten Sie zuletzt ein gutes Gespräch mit Angela Merkel?



Wir hatten am 4. März Koalitionsausschuss. Da haben wir ordentlich miteinander gesprochen. Wenn Sie mit „gutem Gespräch“ allerdings volle Übereinstimmung meinen, dann ist das schon ziemlich lange her.

Schreiben Sie einander wenigstens noch ab und zu eine SMS?

Nein. Wir haben früher gesimst. Aber das war geschäftlich – in dem Moment vorbei, als ich das Amt des Vizekanzlers niederlegte.

Inzwischen greifen Sie Merkel regelmäßig in einer Schärfe an, die auf manche abschreckend wirkt. Darauf zielt CDU-Generalsekretär Pofalla, wenn er Sie „Mecker-Münte“ nennt.

Ich habe mich geäußert, weil die Union zum Beispiel das Gesetz zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung blockierte. Das hatte Wirkung: Die Union hat sich jetzt bewegt und unseren Vorschlag akzeptiert. Wenn also Meckern hilft, dann bin ich bereit. Es gibt noch eine Menge Dinge, die wir in der großen Koalition vor der Bundestagswahl regeln müssen. Deshalb meine Mahnung an die Union: Sorgt dafür, dass das Nötige getan wird, macht voran!

Im ersten Jahr der Koalition sah man Sie mit Angela Merkel häufig um die Wette strahlen. Haben Sie sich in ihr getäuscht?

Wir haben uns auch damals manchmal angemuffelt und lachen auch heute manchmal freundlich aufeinander ein. Respektvoll und zivilisiert. Ganz normal. Das ist unverändert so. Ich kritisiere Frau Merkel doch nicht als Person. Ich meine aber, dass sie als Kanzlerin in dieser Zeit einiges falsch gemacht hat und macht. Das war so nicht absehbar.

Was muss Frau Merkel tun, damit Sie das Feuer einstellen?

Feuer streichen Sie mal. Es gibt mindestens fünf Punkte, die noch erledigt werden müssen. Dazu zählt eine schärfere Begrenzung der Managergehälter, die Einführung einer Börsenumsatzsteuer und ein Tüv für Geldprodukte. Außerdem brauchen wir einen Mindestlohn für Leiharbeit. Und dann ist da noch die Regelung für Jobcenter. Wenn es nötig ist, können wir das auch gerne noch in der Sommerpause machen.

Aber nicht für alle diese Vorhaben gibt es Vereinbarungen in der Koalition.

Zur Krise steht nichts im Koalitionsvertrag von 2005, richtig. Und es stimmt, bei den Managergehältern ist auch jetzt nur ein Teil vereinbart. Zu wenig. Und die Börsenumsatzsteuer ist ein sozialdemokratischer Vorschlag, ein richtiger, dringend nötiger. Sie ist nötig, damit wir mehr Geld haben – für Bildung und Entlastung der unteren Einkommen. Wir schätzen, das sind jährlich zwei bis drei Milliarden Euro. In anderen Ländern gibt es diese Steuer auch. Es wäre auch nicht schlecht, wenn sie die Umschlagsgeschwindigkeit an der Börse ein bisschen bremsen würde und wieder mehr Geld in Investitionen und Industrie fließen würde. Auch die Kanzlerin hat auf dem G-20-Gipfel in London zugesagt, den Finanzmarkt an die Kandare zu nehmen. Es geht also um Glaubwürdigkeit. Unglaubwürdig ist, auf Gipfeln das große Wort zu führen, aber daheim nicht zu handeln. Je länger das dauert, umso mehr werde ich es zum Thema machen.

Trotz all Ihrer Angriffe steigen die Umfragewerte der Kanzlerin. Was hilft’s also?

Um Umfragen geht’s nicht. Die Union ist schuld, wenn die Koalition hinter ihren Möglichkeiten bleibt. Auch hinter dem, was für dieses Land nötig ist. Darum geht’s. Die Bundeskanzlerin dringt nicht hinreichend darauf, dass die Dinge auch wirklich entschieden und umgesetzt werden. Zu Beginn der Bekämpfung der Krise war die Bundesregierung richtig gut. Sie war deshalb gut, weil Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Olaf Scholz Tempo gemacht haben. Als wir dann unser Konzept für die Neuregelung der Finanzmärkte vorlegten, hat es einen Bruch gegeben in der Union. Sie wollten nicht akzeptieren, dass die SPD das Tempo macht. Dann haben die wohl beschlossen, uns auszubremsen – ohne selbst was vorzulegen.

Kann es sein, dass sich der Wahlkämpfer Müntefering mit dem Gewand des Staatsmannes tarnt?

Nö, aber ich sehe da auch keinen Unterschied. Wahlen gehören zu Demokratie und Staat. Wahlkampf ist wichtig. Man macht deutlich, was man will, was gut ist fürs Land, wohin die Reise gehen soll. Ich hab’ die Linie gehalten in den vier Jahren gemeinsamen Regierens. Ich will, dass für das Land Gutes erreicht wird.

Sie haben Angela Merkel Geschäftsführerin der Regierung genannt. Heißt das, Sie akzeptieren sie nicht mehr als Kanzlerin?

Solange sie in dieser Funktion ist, wird sie den nötigen Respekt von uns auch haben. Das gehört sich auch so. Aber sie muss sich auch gefallen lassen, dass wir sagen, was getan werden muss und dass man die Dinge nicht liegen lässt, weil etwa CDU und CSU nicht miteinander klarkommen oder weil man meint, man könnte damit in der Öffentlichkeit anecken.

Was kann der bedächtige Herr Steinmeier, was die bedächtige Frau Merkel nicht kann?

Steinmeier ist Sozialdemokrat: ein erster Vorteil. Er weiß, was er will, hat einen klaren Kompass und den Mut, zu entscheiden. Das sind zwei weitere klare Vorteile.

Justizministerin Brigitte Zypries sagt: „Herr Steinmeier wird das Kabinett genauso moderieren wie Frau Merkel, weil sie in der Struktur ähnliche Typen sind.“

Sollte sie das so gesagt haben, irrt sie.

Schließen Sie eigentlich aus, bei einer Fortsetzung der großen Koalition wieder Minister in einem Kabinett Merkel zu werden?

(lacht) Frank-Walter Steinmeier wird Kanzler sein, insofern erübrigt sich die Frage. Ich gehe davon aus, dass ich im nächsten Bundestag dabei bin. Im November ist Parteitag, dann werde ich wieder als Parteivorsitzender kandidieren. Damit bin ich ausgelastet.

Das Gespräch führten Stephan Haselberger und Hans Monath.

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