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Müntefering stiehlt Amthor und Reichinnek bei „Hart aber fair“ die Show: „Ein bisschen Kinderei ist bei der Rentensache auch dabei“
Bei „Hart aber fair“ liefern Amthor und Reichinnek verlässlich den Schlagabtausch, für den sie eingeladen wurden. Der eigentliche Star der Sendung ist jedoch ein anderer.
Stand:
Für die Koalition steht es Spitz auf Knopf: Machen die Kritiker des Rentenpakets bei der Abstimmung am Freitag Ernst und stimmen gegen den Entwurf?
Bei „Hart aber fair“ wird die Lage kontrovers diskutiert. Mit von der Partie: Renten-Rebell Philipp Amthor – der nicht so genannt werden möchte.
„Zwischen Rentenstreit und Reformstau: Kriegt Kanzler Merz das hin?“, fragt Moderator Louis Klamroth. Die ARD-Sendung in der TV-Kritik.
Die Gäste
- Philipp Amthor (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Digitalministerium
- Heidi Reichinnek, Linken-Fraktionsvorsitzende
- Franz Müntefering, ehemaliger SPD-Chef und Vizekanzler
- Karlotta Gründobler, Unternehmerin
- Markus Feldenkirchen, „Spiegel“-Journalist
Wer ist hier ein Rebell?
Die Sendung hat gerade begonnen, da macht Philipp Amthor seinem Ärger Luft. Der CDU-Politiker klagt „über das Bild, das da insbesondere von der Jungen Gruppe gezeichnet wird“. Die Rede ist von jungen Bundestagsabgeordneten der Union, die seit Monaten Kritik am Rentenpaket der Koalition üben – und es bei der Abstimmung scheitern lassen könnten.
Dass deswegen mancherorts von den „Renten-Rebellen“ gesprochen wird, findet Amthor vollkommen unpassend. Es gehe seinen Kollegen und ihm schließlich nicht darum, „schlechte Stimmung zu verbreiten“, sondern um „legitime Kritik“. Ob er das Paket am Ende mittragen wird, lässt Amthor offen.
Die Worte Rebell und Philipp Amthor, die passen gar nicht so gut zusammen.
Markus Feldenkirchen, „Spiegel“-Journalist
Dass ausgerechnet der mittlerweile zum Parlamentarischen Staatssekretär beim Digitalministerium aufgestiegene Amthor ernsthaft mit dem Gedanken spielt, das Scheitern der Regierung zu riskieren, wirkt reichlich unglaubwürdig. Das erkennt auch „Spiegel“-Journalist Markus Feldenkirchen: „Die Worte Rebell und Philipp Amthor, die passen gar nicht so gut zusammen.“

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Vielleicht will Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek beweisen, wer hier die bessere Rebellin ist. Jedenfalls lässt sie mit der ersten Spitze gegen Amthor nicht lange auf sich warten. Es sei „wirklich schäbig“, dass ein Teil der Union „den Leuten selbst den Dreck unter den Fingernägeln nicht gönnt“, ruft sie.
Ausbleibendes Wirtschaftswachstum gefährde die Finanzierung des Rentensystems, erwidert Amthor kurz darauf. „Sozialismusversprechen“ seien daher eine große Gefahr.
Ein Rentenniveau von 53 Prozent, wie Reichinnek es fordert, „hat wahrscheinlich irgendwie das Gregor-Gysi-Institut für Rentenmathematik errechnet“, so Amthor. Beide wissen genau, warum sie an diesem Abend gemeinsam im Studio sitzen, und sie liefern verlässlich.
Wen will Amthor wegkürzen?
Skurril wird es, als die Runde über Stellenkürzungen in der Verwaltung diskutiert. Ironischerweise plädiert ausgerechnet der bei einem neu gegründeten Ministerium tätige Amthor mit großer Leidenschaft für einen Stellenabbau, insbesondere in Bundesministerien.
Für jedes neue Problem würden „neue Posten und Pöstchen geschaffen“, sagt der CDU-Politiker. „Da kann mir doch keiner sagen, dass das ’ne richtige Entwicklung ist.“ Es sei eine „Frage der Glaubwürdigkeit“, dass die Politik bei sich selbst kürze. Was sein Chef, Digitalminister Karsten Wildberger, wohl dazu sagen würde?

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Reichinnek hält Stellenkürzungen dagegen nicht für ein Allheilmittel. „Wenn ich mir allein mein Ministerium angucke“, setzt sie an. „Sie haben ein Ministerium?“, fragt Amthor ungläubig. Sie meine das Familienministerium, „das ich mir genauer anschaue“, präzisiert Reichinnek. Der eine will Jobs kürzen, die andere denkt sich welche aus.
Die Wirtschaft und die AfD
Mit dabei ist an diesem Abend, wie meist in dieser Sendung, eine Person aus der Praxis. Die Unternehmerin Karlotta Gründobler aus der Maschinenbaubranche berichtet von den Hürden der Bürokratie und wünscht sich von der Politik „Realismus“ statt „Ideologie“.
Als ein Video von Sozialministerin Bärbel Bas eingespielt wird, die behauptet, dass eine Finanzierung der Renten-Haltelinie durch Steuermittel die Beitragszahler nicht belaste, kommt der Unternehmerin „das Gruseln“.
Weniger deutlich äußert sich Gründobler dagegen zum Verhältnis zwischen der Wirtschaft und der AfD. Der Verband der Familienunternehmer hatte jüngst die Brandmauer kritisiert und sich offen für Gespräche mit der rechtsextremen Partei gezeigt, nur um kurz darauf zurückzurudern.
Gründobler umschifft das Thema geschickt. „Ich bin in erster Linie Unternehmerin“, beteuert sie. Und ergänzt kurz darauf: „Ich möchte in erster Linie gar nicht wissen, wer bei mir welche Partei wählt.“ Wichtig sei ihr im Unternehmen, „dass wir eine Einheit sind, die gut miteinander funktioniert“.
Es wäre durchaus spannend gewesen, zu erfahren, wie es gerade eine Unternehmerin aus Thüringen mit der AfD hält, wie sie die Abwägung trifft zwischen ihrer politischen Haltung und den Interessen ihrer Firma. Doch Klamroth lässt ihr die Nicht-Antwort durchgehen. Seinem Kollegen Lanz wäre das nicht passiert.
Politrentner mit Wohlfühlfaktor
Der heimliche Star der Sendung ist eindeutig Franz Müntefering. Er unterhält bisweilen das ganze Studio, wenn er mal wieder einen Schwank aus seinem langen Politikerleben erzählt.
Die Gewerkschaften hätten sich über ihn geärgert damals, zu Zeiten der rot-grünen Sozialreformen, erinnert sich Müntefering. „Ich hab denen gesagt, ihr müsst mir trotzdem die Urkunde schicken für 50 Jahre Mitgliedschaft.“
Ein Video aus dem Jahr 2006 wird eingespielt, zu sehen ist Müntefering im Interview mit den „Tagesthemen“. „Wir möchten ja auch unter dem Gesichtspunkt von Generationengerechtigkeit dafür sorgen, dass nicht eine Generation der anderen alles auflädt“, sagte der SPD-Politiker damals. „Pech gehabt“, kommentiert der Müntefering von heute. Das Studio lacht, mit Müntefering fühlen sich alle wohl.
Nicht nur Witze, auch ganz praktische Tipps hat der ehemalige Vizekanzler auf Lager. Solange in dem Gesetzespaket „keine völlig falschen Dinge drinstehen“, appelliert er an die Abgeordneten, „sollte man sagen: Wir ziehen das durch, und da ist der Tag nicht zu Ende.“
Sowieso dürfe man sich „nicht die Köpfe einschlagen wegen dieser Rentensache“, findet Müntefering. „Ein bisschen Kinderei ist auch dabei.“ Wieder ist der Applaus groß.
Geht es um das Erscheinungsbild der Regierungsparteien im Rentenstreit, wird der mittlerweile 85-Jährige richtig leidenschaftlich. „Diese Koalition darf sich nicht verrennen“, betont Müntefering und haut dabei mit der Faust mehrfach auf den Tisch.
Als Amthor sagt, die Rentendiskussion dürfe nicht ewig weitergeführt werden, spendet Müntefering dem CDU-Politiker Beifall. Fehlt nur noch, dass Amthor und Reichinnek füreinander klatschen.
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