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Politik: Musharraf wird Zivilist

Pakistans Alleinherrscher tritt als Armeechef zurück – und ist zu Tränen gerührt

Berlin - Am Schluss hat der General sogar geweint. Mehr als 46 Jahre hat Pervez Musharraf in Pakistans Militär gedient. Seit seinem Putsch 1999 war er nicht nur Armeechef, sondern auch Alleinherrscher, 2002 ließ er sich in einem zweifelhaften Referendum als Präsident bestätigen. Seitdem wurde der Präsidentengeneral aufgefordert, die Uniform abzulegen, was Musharraf trotz gegenteiliger Ankündigungen fünf Jahre lang nicht in die Tat umsetzte. An diesem Mittwoch aber hat er sich „von seiner Familie“, der Armee, verabschiedet. In der Garnisonsstadt Rawalpindi nahm Musharraf ein letztes Mal in Uniform und Schärpe eine Ehrengarde ab, irgendwann musste er sich heftig die Nase putzen. Neuer Armeechef ist General Ashfaq Kayani. „Mister“ Musharraf wiederum soll an diesem Donnerstag als ziviler Präsident für eine zweite Amtszeit vereidigt werden.

Dabei hat Musharraf auch jetzt versucht, den Rücktritt so lange wie möglich hinauszuzögern. Genau so wie er sich das ganze Jahr über nicht auf einen Wahltermin festlegte, genau so schob er den Termin auf, zu dem er aus der Armee austreten würde. Zuletzt ließ er sich Anfang Oktober dann „in Uniform“ als Präsident wiederwählen, wohl wissend, dass ihn dies in Konflikt mit der Verfassung bringen würde. Das Problem löste er nachträglich – er ließ Anfang November den Ausnahmezustand ausrufen und die Richter, die wohl gegen ihn entschieden hätten, aus dem Amt entfernen.

Für seinen Rücktritt als General wurde er am Mittwoch nun international sowie in Pakistan gelobt. Auch pakistanische Zeitungen, die den Ex-Armeechef zuletzt heftig kritisiert hatten, fanden jetzt etwas freundlichere Worte. „The News“ wies darauf hin, dass Musharraf nicht nur an Macht verloren habe; mit den zurückgekehrten früheren Regierungschefs Benazir Bhutto und Nawaz Scharif habe er es jetzt auch mit zwei deutlich stärkeren politischen Gegnern zu tun als in den vergangenen neun Jahren.

Eine Einschätzung, die die pakistanische Sicherheitsexpertin Ayesha Siddiqa teilt, besonders was die Armee, die mächtigste Institution in Pakistan, betrifft. Zwar sei Musharraf als Präsident formal Oberkommandierender der Streitkräfte. Doch er werde wohl kaum etwas gegen die Vorstellungen des neuen Armeechefs Kayani durchsetzen können.

Der 54-jährige, westlich orientierte Kayani war zuletzt Chef des berühmt-berüchtigten Geheimdienstes ISI. Er gilt als loyaler Verbündeter Musharrafs, andere Militärs rühmen ihn in höchsten Tönen. Kayani ließ bisher keine politischen Ambitionen durchblicken, doch nach den für den 8. Januar geplanten Wahlen ist er wichtigstes Mitglied der von Musharraf als „Power-Troika“ bezeichneten Gruppe aus Präsident, Premier und oberstem Militär an der Spitze des Staates. Diese Entwicklung Pakistans hin zum „Garnisonsstaat“ begann schon vor rund 50 Jahren, als sich der damalige General Ayub Khan an die Macht putschte. 1977 stürzte General Zia-ul Haq den Vater von Benazir Bhutto, Premierminister Sulfikar Ali Bhutto, und 1999 jagte Musharraf Nawaz Scharif aus dem Amt.

Unter Musharraf, sagt Christian Wagner von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, „hat das Militär seine politische und wirtschaftliche Machtposition noch weiter ausgebaut“. Es besetze heute „nahezu alle Seiten des gesellschaftlichen Spektrums“. Die politische Mitsprache wurde durch den 2004 geschaffenen nationalen Sicherheitsrat institutionalisiert. In dem Rat ist unter anderem besagtes „Power-Trio“ vertreten.

Pakistanische Diplomaten sagen, Musharraf werde nun vor dem Wochenende vermutlich den Ausnahmezustand aufheben. Er will als Präsident auf die Verfassung schwören – doch das geht schlecht, solange diese außer Kraft gesetzt ist.

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