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In Ägypten gibt es einen neuen Übergangsregierungschef: den Ökonom und Sozialdemokrat Hazem al-Beblawi.

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Update

Muslimbrüder beteiligen sich nicht an Regierung: "Wir machen keine gemeinsame Sache mit Putschisten"

Der neue ägyptische Übergangsregierungschef Hazem al Beblawi will die vom Militär entmachteten Muslimbrüder an der Regierung beteiligen. Doch die wiesen das Angebot am Mittwoch zurück.

Die Muslimbruderschaft hat das Angebot zur Beteiligung an einer neuen ägyptischen Regierung ausgeschlagen. „Wir machen keine gemeinsame Sache mit Putschisten“, sagte ein Sprecher der Muslimbrüder am Mittwoch, nachdem der neue Regierungschef Hasem Beblawi der Partei der Bewegung eine Mitarbeit angeboten hatte. Die Muslimbrüder wiesen „alles zurück“, was mit dem „Staatsstreich“ zu tun habe, sagte der Sprecher der Nachrichtenagentur AFP weiter.

Die staatliche Nachrichtenagentur Mena hatte am Dienstagabend einen Sprecher des Präsidialamts mit den Worten zitiert, dass der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, dem politischen Arm der Muslimbrüder, einige Kabinettsposten angeboten würden. Übergangspräsident Adli Mansur hatte den früheren Finanzminister Beblawi an Dienstag mit dem Posten des Regierungschefs betraut.

Der neue ägyptische Regierungschef Hasem al-Beblawi wollte die vom Militär entmachteten Muslimbrüder an der Regierung beteiligen. Einige Kabinettsposten würden der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit angeboten, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Mena am Dienstagabend einen Sprecher des Präsidialamts. Anhänger der Muslimbrüder liefern sich seit der Entmachtung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi vor knapp einer Woche täglich gewaltsame Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften des Landes.

Einen Tag nach dem Blutbad von Militär und Polizei an Demonstranten der Muslimbrüder mit über 50 Toten ist der Wirtschaftsfachmann und Ex-Finanzminister Hazem al Beblawi zum neuen Übergangspremier ernannt worden. Vize-Präsident und Außenminister wird Friedensnobelpreisträger Mohamed el Baradei. Das meldete das staatliche Fernsehen am Dienstagabend, einen Tag vor Beginn des Fastenmonats Ramadan. Zuvor hatte Interimspräsident Adly Mansour eine aus 33 Artikeln bestehende Verfassungsdeklaration in Kraft gesetzt, die die von den Militärs ausgesetzte Verfassung in den nächsten Monaten ersetzt. In einem Zeitraum von maximal viereinhalb Monaten soll ein Gremium von Experten die bisherige Verfassung überarbeiten, worauf diese dem Volk erneut zum Referendum vorlegt wird. Anschließend sollen innerhalb von 60 Tagen Parlamentswahlen abgehalten werden.

Die Tamarod-Bewegung, die mit ihrer Unterschriftenkampagne den Sturz von Mohammed Mursi mit ausgelöst hatte, kritisierte die Deklaration scharf und nannte sie „Grundlage für eine neue Diktatur“. Sie kritisierte, sie sei im Vorfeld nicht über den Inhalt des Dokuments unterrichtet und konsultiert worden. Auch die Muslimbruderschaft lehnte die Verfassungserklärung ab und kündigte neue Proteste an. Die Salafisten erklärten, sie würden sich angesichts des Blutbads vom Montag aus der ägyptischen Übergangskoalition zurückziehen.

Hazem al-Beblawi war nach dem Sturz Mubaraks Finanzminister

Hazem al Beblawi gilt als liberaler Wirtschaftsfachmann. Nach dem Sturz von Hosni Mubarak 2011 war der 76-Jährige für ein halbes Jahr Finanzminister und Vizepremier im Übergangskabinett von Premier Essam Sharaf. Er trat von allen Ämtern zurück nach einem Massaker von Soldaten an koptischen Demonstranten am 9. Oktober 2011 vor dem staatlichen Fernsehgebäude am Maspero. Damals waren mehrere Panzerwagen wahllos in die Menge gerast und hatten zwei Dutzend Menschen zermalmt.

Auf Videos waren Soldaten zu sehen, die von den gepanzerten Fahrzeugen herunter in die Menge schossen. Keiner der verantwortlichen Offiziere ist jemals dafür zur Verantwortung gezogen worden. Nach den Untaten gegen Mitglieder der Muslimbrüder am Montag vor der Kaserne der Republikanischen Garden waren die Vorfälle am Maspero die schwersten Übergriffe von Soldaten gegen die Zivilbevölkerung in der jüngeren Geschichte Ägyptens. Auch damals hatte die Armeeführung zunächst behauptet, die koptischen Christen hätten auf Soldaten geschossen und mehrere getötet, was sich anschließend als falsch herausstellte.

Hazem al-Beblawi ist studierter Jurist

Hazem al Beblawi wurde am 17. Oktober 1936 geboren, studierte Jura an der Universität von Kairo und promovierte 1964 an der Sorbonne in Paris. Er begann seine Karriere als Universitätsdozent in Alexandria und Kairo, bevor er als Manager in den Bankensektor wechselte. Von 1995 bis 2000 arbeitete er bei den Vereinten Nationen. Von 2001 bis 2011 war er Berater beim Arabischen Währungsfonds in Abu Dhabi. Nach der Revolution in Ägypten gründete er die ägyptische Sozialdemokratische Partei mit.

Der neue Vize-Präsident der Übergangsführung, Mohamed el Baradei, war in den letzten zwölf Monaten der profilierteste Gegner des gestürzten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi. Für den Westen repräsentiert der Friedensnobelpreisträger von 2005 die liberale Stimme Ägyptens, in seiner Heimat jedoch genießt der 71-Jährige weiter weniger Popularität. Bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2012 machte er im letzten Moment einen Rückzieher -  ahnend, dass er wohl nicht über zehn Prozent Zustimmung hinauskommen würde. (mit AFP)

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