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Aufbruch abgebrochen? Der CDU scheint nicht mehr viel an der Öffnung Richtung Muslime zu liegen.

© picture alliance / Wolfgang Kumm

Muslimische Christdemokraten: Zur CDU gehört nur ein bisschen Islam

Ihrem Innenminister Seehofer hat die Kanzlerin entschieden widersprochen. Doch die CDU kümmert sich selbst nicht mehr wie einst um Muslime. Es fehlen Elan und prominente Gesichter.

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Mit dem Satz, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) nicht nur in der Öffentlichkeit polarisiert. Auch Kanzlerin Angela Merkel sah sich genötigt, ihrem Minister deutlich zu widersprechen. Für die Vorsitzende der CDU ist also klar: Der Islam gehört zu Deutschland. Doch gilt das auch für ihre Partei? „Natürlich ist es bedauerlich, dass es keinen sichtbaren Vertreter mit Migrationshintergrund mehr in der Bundespolitik gibt“, sagt Cemile Giousouf. „Da wird es schwer, Migranten und Muslimen klarzumachen, dass sie in einer Partei ihre politische Heimat finden können.“

"Mehr Einwanderer für die CDU begeistern"

Das lässt sich auch an ihrer eigenen Karriere erkennen: In der letzten Legislaturperiode war die nordrhein-westfälische Muslima mit türkisch-griechischer Familie Integrationsbeauftragte der Bundestagsfraktion der Union. Im letzten Herbst verlor sie ihr Mandat. Im Ergebnis gibt es heute unter den 246 Abgeordneten der Union keinen einzigen Vertreter muslimischen Glaubens mehr.

Zur Nachfolgerin der SPD-Politikerin Aydan Özoguz, einer bekennenden Muslima, als Integrations- Staatsministerin hat Merkel die Vorsitzende der Frauen-Union und baden-württembergische Gesundheitsexpertin Annette Widmann-Mauz gemacht. Und im Vorstand der CDU gibt es mit der jungen Düsseldorfer Staatssekretärin Serap Güler nur eine einzige Vertreterin mit Migrationshintergrund, auch sie ist Muslima.

Im Programm „CDU 2017“ zur Vorbereitung der vergangenen Bundestagswahl stand noch: „Wir streben eine Mitgliederstruktur an, die die Vielfalt der Gesellschaft abbildet.“ Verantwortlich zeichnete der damalige CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der ausdrücklich anfügen ließ: „Deshalb wollen wir mehr Bürger mit Einwanderungsgeschichte für eine Mitarbeit in der CDU begeistern.“ Zieht man drei Jahre später Bilanz, ist dem Vorsatz offenbar nicht viel gefolgt. Lediglich in der hessischen und der bremischen Landtagsfraktion sitzen muslimische CDU-Abgeordnete. Und auch Migranten in den Landesvorständen sind an einer Hand abzählbar.

Ein paar Jahre lang war Aufbruch in der Partei

In der Parteizentrale in Berlin wird zwar darauf verwiesen, dass die unterdurchschnittliche Vertretung von Muslimen in den Gremien der CDU erkannt ist. Aktive Schritte zur Öffnung der CDU in Richtung Islam werden jedoch keine unternommen. Jeder Landesverband trage für das Werben von Mitgliedern und die Personalentwicklung eigene Verantwortung, heißt es. „Was Muslime oder Migranten angeht, ist die letzten Jahre nichts passiert“, sagt Gonca Tükeli-Dehnert.

Die 42-jährige Berliner Juristin ist seit 25 Jahren CDU-Mitglied, arbeitete viele Jahre im Stab der Integrationsbeauftragten und ist seit ein paar Wochen Geschäftsführerin der „Deutschland-Stiftung Integration“. Als sie in die Partei eintrat, „gehörten weder der Islam noch Migranten zur CDU. Wir waren Ausländer.“ Wenn sie sich diese letzten 25 Jahre ansehe, sei das besser geworden. „Wenn ich mir allerdings die letzten zehn Jahre ansehe, hat sich die Lage verschlechtert.“

Ein paar Jahre lang war Aufbruch in der CDU: Ein CDU-Innenminister, Wolfgang Schäuble, erfand die Deutsche Islam-Konferenz. Ein CDU-Ministerpräsident, Christian Wulff, berief Aygül Özkan als erste türkeistämmige Ministerin. Und das Amt der Beauftragten zog ins Kanzleramt, dicht an die Regierungsspitze. Vor vier Jahren probierte es General Tauber sogar mit einer neuen Erzählung der Partei von sich selbst: Wie nach 1945 katholische und evangelische Christen in der CDU zusammenfanden, müsse sie jetzt die „Union der Zuwanderer werden“.

Tauber, der heutige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und die Kanzlerin hätten sich eingesetzt, sagt Türkeli-Dehnert: „Die Partei wollte offener und bunter werden“, mehr Frauen und Muslime anziehen. Jetzt sei die Frauenquote schlecht, aber die Unions-Migrantenquote im Bundestag bleibe sogar noch hinter der der AfD zurück. Außer Serap Güler sei niemand mit türkischer oder arabischer Herkunft mehr an einer sichtbaren Stelle. „Das ist sehr traurig und ein riesiger Rückschritt in der Partei.“ „Wir sind alle am Kochen“, sagt ein muslimischer CDU-Politiker.

Kritiker: Die ganze Personalpolitik stimmt nicht

Das Thema Islam werde inzwischen gemieden. „Alle laufen der AfD hinterher.“ Wenn etwa der einzigen CDU-Muslima im Bundestag niemand folge, gehe auch all das kaputt, was in den Jahren zuvor mühevoll aufgebaut worden sei: Kontakte, Zugänge in die migrantischen Communities. „Hier stimmt die gesamte Personalpolitik der Partei nicht.“ Gonca Türkeli-Dehnert bestätigt das aus langer Erfahrung: „Es braucht auf allen Ebenen der Partei Personen, die sich einsetzen, denen das wichtig ist.“ Und wohl auch langen Atem. Ob Muslime zur CDU gehören? „Ich weiß nur: Wenn jetzt nichts passiert, werden sie auch in zehn Jahren nicht dazugehören.“

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