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Das Vermögen des Oligarchen Andrej Babis wird auf vier bis fünf Milliarden Euro geschätzt.

© David W Cerny/Reuters

Betrug und Entführung vorgeworfen: Bizarre Affäre um Premier Babis erschüttert Tschechien

Seit zwei Jahren wird bereits gegen Babis wegen Betrugs ermittelt. Jetzt wirft sein Sohn ihm vor, ihn als Zeugen aus dem Verkehr gezogen zu haben.

Noch nicht einmal ein halbes Jahr ist die tschechische Regierung im Amt, da steckt sie schon in einer tiefen existenziellen Krise. Eine Affäre um Subventionsbetrug, in die Regierungschef Andrej Babis nun schon seit zwei Jahren verwickelt ist, hat in der vergangenen Woche eine dramatische Wende genommen.

Inzwischen geht es nicht mehr nur um einen Streit mit Brüssel über die Verwendung von Geldern für den Bau eines Babis gehörendes Luxus-Ressorts im Süden von Prag. Jetzt wird der Regierungschef beschuldigt, den eigenen Sohn entführt zu haben, um ihn als Zeugen in dieser mutmaßlichen Strafsache aus dem Verkehr zu ziehen. Babis streitet alles ab.

Babis soll sich EU-Mittel erschlichen haben

Gegen Babis (64) ermitteln die tschechische Staatsanwaltschaft und die EU-Korruptionsbehörde Olaf seit zwei Jahren. Der Oligarch – sein Vermögen schätzen Medien auf vier bis fünf Milliarden Euro – soll 2008 zwei Millionen Euro an EU-Mitteln für kleine und mittelständische Unternehmen erschlichen haben, um einen Hotel namens „Storchennest“ zu errichten.

Um an das Geld zu kommen, übertrug er die Immobilie aus dem Besitz seines Großkonzerns „Agrofert“ auf Sohn und Tochter aus erster Ehe, sowie seine zweite Ehefrau. Nach dem Ende des EU-Monitorings für solche Subventionen ging das „Storchennest“ zurück in die „Agrofert“-Holding. Das Ermittlungsverfahren zieht sich unter anderem deshalb hin, weil der Sohn Andrej Babis jr. ausgerechnet in dem Moment von der Bildfläche verschwand, als ihn die Staatsanwaltschaft vernehmen wollte. Ein tschechischer TV-Kanal machte ihn nun in der vergangenen Woche ausfindig: in Genf, wo er mit seiner Mutter lebt.

Der Sohn sagt, er sei auf der Krim festgehalten worden

Im Interview erhob der Sohn den Vorwurf gegen den Vater: Er sei auf dessen Veranlassung entführt worden. Monatelang sei er auf der von Russland annektierten Krim festgehalten worden. Regierungschef Babis konterte umgehend, es sei doch weithin bekannt, dass sein Sohn psychisch erkrankt sei. Er leide an Schizophrenie.

Das erschien den TV-Journalisten in ihrer Reportage aus einer Reihe von Gründen merkwürdig. Zum einen ist Andrej jr. noch vor gar nicht langer Zeit als Pilot eine Boeing 737 geflogen. Zum anderen stammte das psychiatrische Gutachten von einer Ärztin, die der Babis-Partei Ano angehört und bis vor kurzem für diese in einem lokalen Parlament saß.

Andrej jr. erzählt: Als er vernommen wurde, hätten ihn Leute seines Vaters vor die Wahl gestellt. Entweder werde er in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen – oder er gehe eine Weile „in Urlaub“. Da habe er sich für den Urlaub entschieden. Dorthin „begleitete“ ihn nach den Recherchen der Journalisten ein Angestellter seines Vaters, ein Fahrer des „Agrofert“-Konzern. Es war „zufällig“ der Ehemann der Psychiaterin. Babis hält bis heute an der Behauptung fest, sein Sohn sei „in Urlaub“ gewesen. Im übrigen sei es unmoralisch, einen Kranken so unter Druck zu setzen.

Doch die Glaubwürdigkeit des Premiers ist tief erschüttert. In Prag demonstrierten am Samstagabend 20.000 Menschen gegen den Babis. Sie forderten wegen des mutmaßlichen Subventionsbetrug seinen Rücktritt. Anlass der Proteste am Samstag war der 29. Jahrestag der Samtenen Revolution. Viele Tschechen beschuldigen Babis auch, vor 1989 mit der kommunistischen Geheimpolizei zusammengearbeitet zu haben. Der Senat, das Oberhaus des tschechischen Parlaments, hat Babis bereits mit Mehrheitsentscheidung zum Rücktritt aufgefordert. In der Abgeordnetenkammer wird am Freitag ein Misstrauensantrag der Opposition abgestimmt. Doch die verfügt nur über 92 der 200 Stimmen.

Das Kabinett Babis' wird von den Kommunisten geduldet und wohl auch weiter gestützt. So nah an der Macht waren die altstalinistischen tschechischen Linken seit drei Jahrzehnten nicht. Diese Position werden sie durch vorgezogene Neuwahlen nicht aufs Spiel setzen.

Sozialdemokraten wollen dem Premier Zeit geben

Das Schicksal des Andrej Babis liegt in der Hand des kleineren Koalitionspartners – den Sozialdemokraten. Die Partei ist tief gespalten in Gegner einer weiteren Kooperation mit Babis und einer Gruppe, deren persönliche politische Zukunft von einem Fortbestehen der Koalition abhängt. Letztere scheint derzeit die Oberhand zu haben. Sie besteht darauf, dem Regierungschef Zeit zu geben, sich zu erklären und sich erst zu entscheiden, wenn die Ermittler ihre Arbeit beendet haben.

Ein Spiel auf Zeit also. Oder die Verweigerung, Entscheidungen in eigener Verantwortung zu treffen, wie die Kritiker der Sozialdemokraten sagen. Bei den kürzlichen Kommunal- und Regionalwahlen bekam dies den Sozialdemokraten nicht gut. Ohnehin schon seit Jahren in einer tiefen Identitätskrise, verloren sie noch einmal in der Wählergunst.
Tschechiens Präsident Milos Zeman, der durch alle Affären fest zu Babis stand, hat sich bereits festgelegt: Er werde „erneut Andrej Babis mit der Bildung einer Regierung beauftragen“, sagte Zeman Dazu habe ich laut Verfassung zwei Versuche.“

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