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Politik: Mutter gegen den Krieg

Öffentliches Engagement ist ihr nicht fremd.Die Erfurterin Ilona Rothe gründete nach der Wende eine Organisation, die sich der Rechte derjenigen annahm, die von ihren Grundstücken an der innerdeutschen Grenze vertrieben worden waren, ihr Habe und Gut zurücklassen mußten.

Von Matthias Schlegel

Öffentliches Engagement ist ihr nicht fremd.Die Erfurterin Ilona Rothe gründete nach der Wende eine Organisation, die sich der Rechte derjenigen annahm, die von ihren Grundstücken an der innerdeutschen Grenze vertrieben worden waren, ihr Habe und Gut zurücklassen mußten.Inzwischen Ehrenvorsitzende dieses Bundes, ficht sie noch heute für Wiedergutmachung und Entschädigung - oft ein zermürbender Kampf gegen einen Apparat, den es nicht mehr gibt und der bemüht war, die Spuren des Unrechts zu verwischen.

Nun engagiert sich die 49jährige wieder, und ihr Gegner ist noch mächtiger: der Krieg.Als Mutter eines Sohnes, der in Mazedonien stationiert ist, gründete sie die Friedensinitiative "Mütter gegen den Krieg".Sie will damit aufrütteln, und so spricht sie denn auch von einem menschlichen, keinem politischen Anspruch dieser Initiative.

Doch wie zwiespältig dieser Appell ist, mag Ilona Rothe gelegentlich selbst bewußt werden: In ihrem Aufruf, dem sich unterdessen zahlreiche andere Soldatenmütter angeschlossen haben, verurteilt sie den Krieg als "Rückfall in die Barbarei", und sie artikuliert ihre Abscheu gegen das Morden und die Vertreibung im Kosovo.Zugleich bekennt sie, sie sei nicht bereit, der gescheiterten Politik in einem fremden Land ihren 24jährigen Sohn zu opfern.Sie weiß, daß andere Mütter, die nicht weniger um ihre Söhne bangen, dennoch ihren Aufruf nicht unterschreiben, weil sie das vereinte Einstehen für Menschenrechte in Europa als unverzichtbar ansehen.

Auch die gelegentlich zu hörende Meinung, daß kein deutscher Soldat zum Einsatz in Jugoslawien gezwungen worden sei, ist den rund zwei Dutzend Müttern und Ehefrauen, die sich am vergangenen Montag um Ilona Rothe zu einem Treffen der Friedensinitiative versammelten, nicht fremd.Gleichwohl können sie sie nicht akzeptieren: Als ihre Jungs mit dem Einsatz konfrontiert wurden, seien alle der festen überzeugung gewesen, es handle sich um eine Friedensmission.Niemand habe mit Krieg gerechnet.Und Ilona Rothe, die ehemalige Lehrerin, verweist darauf, wie sie mit allen Mitteln versucht habe, ihren Sohn von dem Einsatz abzuhalten.Doch der Sprößling, der in seiner Heimateinheit im thüringischen Gotha Panzer und technisches Gerät wartet, habe zum Abschied nur gesagt: "Ich bin bald wieder da." Nun peinigt sie Tag und Nacht die Vorstellung, daß die Serben auch die in Mazedonien stationierten Truppen der NATO angreifen könnten.

Mehr als tausendMenschen, vorwiegend ebenfalls Mütter und Anghörige von deutschen Soldaten, aber auch Kriegsgegner aus einem Dutzend anderen Ländern, haben bereits bei Ilona Rothe angerufen.In der Erfurter Speditionsfirma ihres Mannes, in der sie arbeitet, telefoniert sie - unterstützt von vier anderen Frauen - mit ihnen, hört sich ihre Sorgen an und berät mit ihnen, wie man weiter vorgehen sollte.Sie organisieren Unterschriftensammlungen, Friedensmärsche, Briefe an Politiker.Die Vorstellung, eine internationale Gruppe ins Krisengebiet zu entsenden, um möglichst sogar bis zu Präsident Milosevic vorzudringen, ist noch vage.Spendenangebote gibt es, doch sie haben kein Spendenkonto, weil sie nicht als gemeinnütziger Verein eingetragen sind.Ihr Idealismus ist vorerst ihr einziges Kapital.

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