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Fernsehen und AfD - ein Streitpunkt.

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Nach Absagen von SWR und MDR: Ist es richtig, die AfD von TV-Wahldebatten auszuschließen?

Der Streit um die Beteiligung der AfD an TV-Debatten geht durch alle politischen Lager. Wer hat Recht? Und wie sind die rechtlichen Voraussetzungen? Fragen und Antworten.

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Die Entscheidung von SWR und MDR, die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) von TV-Debatten zu Landtagswahlen auszuschließen, hat zu einer heftigen Kontroverse quer durch alle Lager geführt. Dabei geht es zunächst um die Landtagswahlen am 13. März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sowie am 4. September in Mecklenburg-Vorpommern und schließlich am 18. September in Berlin.

Wer lehnt die TV-Auseinandersetzung mit der AfD ab?

Vor allem SPD und Grüne im Süden Deutschlands lehnen es ab, mit der AfD in einer Fernsehrunde zu sitzen. Sie drohten dem SWR, fernzubleiben, sollte die AfD eingeladen werden. Die rheinland- pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) verteidigte am Mittwoch noch einmal ausdrücklich ihre Entscheidung. Sie könne nicht mit innerer Überzeugung eine solche Runde mitgestalten, und es sei ihr gutes Recht, selbst zu entscheiden, in welche Talkshow sie gehe. Sie diskutiere vor Ort auch mit AfD-Anhängern. Aber sie wolle der Partei nicht in einer Talkshow zur besten Sendezeit eine Plattform geben. „Viele Mitglieder der AfD sind nicht nur rechtspopulistisch, sie verkünden Botschaften, die rassistisch und rechtsextremistisch sind.“

Wer ist für eine Debatte mit der AfD?

In den großen Parteien in Sachsen-Anhalt gibt es Zweifel, ob die Entscheidung des MDR richtig ist. Ministerpräsident Reiner Haseloff, Spitzenkandidat der CDU, sagte dem Tagesspiegel: „Ich hätte kein Problem damit, auch mit Vertretern der AfD zu diskutieren. Ein Teil der Bevölkerung hat die Absicht, diese Partei zu wählen. Damit muss man sich auseinandersetzen.“ Lasse man die AfD bei Diskussionsveranstaltungen außen vor, negiere man einen Teil der Bevölkerung – „und bedient das Argument, es gäbe eine ,Lügenpresse‘“. Der Regierungschef sagte weiter: „Wir haben die besseren Argumente. Im Übrigen stehen hinter der AfD nicht nur Extremisten, sondern ehemalige Wähler aller Parteien. Manche Anhänger haben berechtigte Sorgen etwa in der Flüchtlingsfrage, wir müssen sie in der Wahlauseinandersetzung für unsere Politik gewinnen.“ Linke-Fraktionschef Wulf Gallert äußerte sich ähnlich. „Eine Art Boykottvariante“ mache keinen Sinn, sagte er.

Ein Sprecher der SPD in Sachsen-Anhalt sagte, die Meinungsbildung in der Partei sei noch nicht abgeschlossen. „Wir möchten das gern erst mit den anderen demokratischen Parteien besprechen, bevor wir uns festlegen.“

In Berlin, wo die Wahlen zum Abgeordnetenhaus erst im Herbst anstehen, hält der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Debatte für verfrüht. „Das ist eine Sache, die uns im Wahlkampf 2016 sicher beschäftigen wird, aber noch ist es nicht so weit“, sagte die Senatssprecherin Daniela Augenstein. Bei der Vorstellung des Berliner SPDWahlprogrammentwurfs hatten Müller und der SPD-Landeschef Jan Stöß am Sonnabend angekündigt, dass man im Wahlkampf die harte Auseinandersetzung mit der AfD suchen werde. In welcher Form, ließen sie offen.

Stöß ging anschließend aber weiter. Zur Frage der AfD in TV-Debatten sagte er dem Tagesspiegel: „Die muss man stellen.“ Die designierte Berliner Grünen-Spitzenkandiatin Ramona Pop sagte: „Ich glaube, dass demokratische Parteien sich nicht vor der Auseinandersetzung scheuen sollten.“ In Berlins CDU heißt es, „wir werden den Populismus der AfD bei jeder sich bietenden Gelegenheit entlarven“.

Was sagen Fernsehleute?

TV-Journalisten diskutieren das Thema kontrovers. Der Vorsitzende des ZDFFernsehrats nennt die Entscheidung des SWR „ein doppeltes Desaster“. „Die AfD bekommt die Märtyrerrolle gratis“, schreibt Ruprecht Polenz (CDU) auf seiner Facebook-Seite, und „wer von ,Staatsfunk‘ redet, sieht sich bestätigt“. Der SWR habe sich bereits bei der Landtagswahl 2011 von der bisherigen ARD- und ZDF-Praxis verabschiedet und auch die Linkspartei zu den abschließenden Runden der Spitzenkandidaten eingeladen, obwohl sie nicht dem bisherigen Landtag angehörte. Jetzt müsse der SWR bei dieser Praxis bleiben „und alle Spitzenkandidaten einladen, deren Parteien eine realistische Chance auf einen Einzug in den Landtag haben“. Die Vertreter der demokratischen Parteien sollten „in Argument und politischem Stil zeigen, was sie von der AfD unterscheidet“, fordert er SPD und Grüne auf. „Noch ist es nicht zu spät, die Entscheidungen zu korrigieren.“

Der SWR will bei der TV-Diskussion am 10. März nur Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien teilnehmen lässt. Nach der Live-Runde sollen aber zehnminütige, ungeschnittene Interviews mit Vertretern von AfD, Linkspartei und FDP ausgestrahlt werden.

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September noch keine konkreten Pläne. „Alle Parteien, die nicht verboten sind, sollen zu Wort kommen“, heißt es lediglich.

Für die Bundestagswahl 2017 verweisen ARD und ZDF auf die bisher gängige Praxis: „TV-Duelle sind Sendungen, zu denen Kandidatinnen und Kandidaten eingeladen werden, die eine realistische Aussicht darauf haben, tatsächlich Kanzler/-in werden zu können.“

Formal kann man das sicher alles begründen. Souverän geht allerdings anders.

schreibt NutzerIn Caladan

Gibt es ein Recht auf Berichterstattung und Beteiligung an Gesprächsrunden?

Nein, es gebe kein „codifiziertes Recht auf Beteiligung“, teilt ARD-Chefredakteur Thomas Baumann mit. In Paragraf fünf des Parteiengesetzes ist zwar geregelt, dass Träger öffentlicher Gewalt – und dazu zählen auch die die öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten – alle Parteien gleichbehandeln müssen. Doch auf redaktionell gestaltete Rundfunksendungen vor Wahlen ist dieser Paragraf „nicht unmittelbar anwendbar“, heißt es in dem Kommentar zum Grundgesetz von Philip Kunig. Die Entscheidung über Form und Inhalt redaktionell gestalteter Sendungen unterliege „grundsätzlich“ der Programmfreiheit, die durch die Freiheit der Berichterstattung in Artikel fünf des Grundgesetzes geschützt sei. Während eines Wahlkampfs gebe das Recht der Chancengleichheit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten jedoch auf, „auch redaktionell gestaltete Wahlsendungen ausgewogen zu gestalten“.

Warum gelten für die „Elefantenrunden“ besondere Regeln?

„Elefantenrunde“ werden die Debatten genannt, in denen nach einer Wahl in der Regel die Vorsitzenden der Parteien zusammenkommen, die künftig im Parlament vertreten sind. ARD und ZDF orientieren sich deshalb an der Fünf-Prozent- Hürde. Wer sie den Hochrechnungen nach wahrscheinlich überspringen wird, darf in die „Elefantenrunde“ kommen. Nach der letzten Bundestagswahl waren deshalb weder FDP noch AfD zur Debatte eingeladen. Er sehe „keine Veranlassung“, diese Regel für die kommende Bundestagswahl zu ändern, teilt Baumann mit. „In der Sendung werde über die Regierungsbildung sowie über zukünftige Regierungs- und Oppositionsarbeit gesprochen. „Daher ist es sinnvoll, nur Vertreter/-innen jener Parteien zuzulassen, die dem nächsten Bundestag auch angehören werden“, erklärt Baumann. Sofern die AfD bei der nächsten Bundestagswahl auf fünf Prozent oder mehr kommen sollte, „dann wird sie auch eingeladen werden“.

Wenn es um den Erhalt der Macht geht, wird die Kontaktsperre sowieso kippen. Heute noch Schmuddelkind, morgen Koalitionspartner.

schreibt NutzerIn extranjero

Wie wird die Ausladung bei der AfD selbst eingeschätzt?

Öffentlich gibt man sich bei der AfD empört. Von dort heißt es sogar, man prüfe, ob man gegen den SWR klagen könne. Intern aber wird die Sache wesentlich gelassener gesehen. Man weiß inzwischen, was der Partei nutzt und was ihr schadet. Der Eindruck, die AfD werde von der Konkurrenz unfair behandelt und ausgegrenzt, hat die eigenen Anhänger bisher noch jedes Mal motiviert. So war es zum Beispiel im Dezember, als die große Koalition im Schnellverfahren das Parteiengesetz änderte. Umsätze aus ihrem Goldhandel sollte die AfD daraufhin nicht länger staatlich bezuschusst bekommen. Von drohender Pleite war die Rede – woraufhin die Partei fast zwei Millionen Euro an zusätzlichen Spenden mobilisieren konnte. So wird es AfD-intern jetzt durchaus als Erfolg gesehen, dass der baden- württembergische Spitzenkandidat Jörg Meuthen überhaupt ein zehnminütiges Einzelinterview im SWR bekommt – ohne dass ihm andere Politiker widersprechen können. Ein weiterer Grund zur Gelassenheit ist, dass die AfD ihre potenziellen Wähler mehr als jede andere Partei über das Internet erreicht: Mit 204.000 Followern hat sie bei Facebook mehr Anhänger als CDU und SPD zusammen.

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