zum Hauptinhalt
Licht und Schatten gab es am Freitag im Bundestag für Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

© dpa

Nach Abstimmung im Bundestag: Österreich zur Pkw-Maut: Bundesrat soll "Reißleine ziehen"

Bei der Abstimmung über die Pkw-Maut wird im Bundestag heftig gestritten. Letztlich bringt Dobrindt sein Projekt durch - hier. Wien fordert die Notbremse vom Bundesrat.

Von Robert Birnbaum

Der Rüffel kam von ungewohnter Stelle – nämlich von oben herab. Alexander Dobrindt ist Kritik an seinem Maut-Projekt gewohnt. Man kann sogar davon sprechen, dass der Verkehrsminister sie als Vorlage für scharfe Gegenattacken gelegentlich genießt. Aber dass der Präsident des Bundestages ihn amtlich zurechtweist, gehörte bestimmt nicht zu Dobrindts Plan für die – jedenfalls vorläufig – abschließende Behandlung des Themas im Bundestag.

Dabei fängt der Freitagmorgen ganz nach Dobrindts Geschmack an. Im Parlament steht die Änderung des Maut-Gesetzes zur Abstimmung an, mit der die Bundesregierung ihren Maut-Kompromiss mit der EU-Kommission umsetzt. Als „echten Systemwechsel“ der Straßenfinanzierung inklusive ökologischer Komponente preist der Minister das Vorhaben, das er als CSU-Generalsekretär noch unter dem Namen „Ausländer-Maut“ zum Wahlkampfschlager gemacht hatte. Der Begriff ist inzwischen tabu. Sonst überlegt es sich womöglich die EU- Kommission noch mal, ob sie wirklich davon überzeugt ist, dass diese Autobahn-Gebühr für Pkw-Fahrer nicht bloß Ausländer abkassieren und deutsche Fahrer per Ausgleich über die Kfz-Steuer ungeschoren lassen soll.

Theoretisch sind die Mautgegner in der Mehrheit

Nach drei Minuten bittet die Abgeordnete Britta Haßelmann um eine Zwischenfrage. Die Grüne nutzt sie zu einer Anklage: Kein anderer Minister habe die Rechte des Parlaments auf Auskunft und Anfragen derart missachtet; selbst um Formalien wie die Bitte um Fristverlängerung für Antworten habe sich sein Haus nicht geschert. Dobrindt schießt scharf zurück: „Sie kriegen die richtigen Antworten auf Ihre falschen Fragen“, und dass er sich auf jede weitere davon freue.

Da aber schaltet sich Norbert Lammert ein. Diese Freude über Anfragen, rügt der Präsident vom Podium herab den Mann am Rednerpult, „ist Ihrem Ministerium in Art und Umfang der Antworten nicht anzumerken“. Dobrindt bleibt da nur, etwas von „nach bestem Wissen und Gewissen“ zu murmeln. Dann macht er doppelt kämpferisch weiter. Alles, was je an Kritik vorgebracht worden sei – von „nicht europarechtskonform“ bis „kostet mehr als es einbringt“ sei falsch, ruft der CSU-Mann den Gegnern entgegen.

Die stellen theoretisch eine satte Mehrheit im Plenarsaal. Auch bei der CDU gibt es etliche – andererseits aber auch Fachpolitiker, die sich die CSU-Maut als Einstieg für ein generelles Mautsystem vorstellen können. Der zuständige Bundesfachausschuss der CDU hat dazu gerade einen Vorschlag erarbeitet, der aber, heißt es in der CDU-Spitze, keine Chance auf Aufnahme ins Wahlprogramm hat.

Viele SPD-Politiker stimmen mit Bauchschmerzen zu

Sören Bartol, führender Verkehrspolitiker der SPD, gehört theoretisch sogar sehr entschieden zu den Nein-Sagern. Praktisch bleibt ihm aber nichts übrig als die „großen Bauchschmerzen“ seiner Fraktionskollegen zu Protokoll zu geben. „Wir hätten gerne auf den heutigen Tag verzichtet“, sagt Bartol. Aber Koalitionsvertrag sei Vertrag und die SPD ein verlässlicher Partner.

Tatsächlich werden die Sozialdemokraten am Ende der guten Stunde in großer Mehrheit ihre Hand heben für das ungeliebte Gesetz – und nicht dem Toni Hofreiter folgen. Der Grünen-Fraktionschef versucht die Abgeordneten zu locken: „Es kann einen niemand dazu zwingen, den größten Unsinn mitzumachen!“ Der Grünen-Verkehrsexperte Oliver Krischer sucht die SPD sogar beim Martin Schulz zu packen. Die Region Aachen im Dreiländereck mit Belgien und den Niederlanden habe alle Abgeordneten aufgefordert, die Maut abzulehnen. Schulz’ Heimat Würselen liegt ebenda. „Wie ist eigentlich die Position des Heilands und Kanzlerkandidaten?“ bohrt Krischer. Eine Antwort bekommt er natürlich nicht, auch nicht indirekt per Stimmzettel, weil der SPD-Mann Schulz ja nicht im Bundestag sitzt.

Österreich an Bundesrat: "Jetzt die Reißleine ziehen"

Und so könnte man die Akte Maut nun also schließen, bis sie vielleicht bei der Vorlage der ersten Abrechnungen von Kosten gegen Einnahmen doch wieder auf die Tagesordnung eines anderen Bundestags geraten könnte – gäbe es nicht außerhalb des Plenarsaals noch hier und da Gegner. Der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried zum Beispiel stellt seine „Maut-Maulerei“, wie Dobrindt zürnt, durchaus nicht ein. Österreich behalte sich eine Europarechtsklage weiter vor, sagt der Wiener Sozialdemokrat. Lieber wäre es Leichtfried freilich, jemand anders nähme ihm das Risiko ab: Der deutsche Bundesrat müsse jetzt „die Reißleine ziehen“.

Tatsächlich kann die Länderkammer das Gesetz von Rechts wegen nicht stoppen. Aber nicht nur die im Landtagswahlkampf bedrängte Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat angedroht, nächste Woche im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anzurufen. An der Saar pendeln zehntausende täglich ins Nachbarland Frankreich. Dort sind Autobahnen zwar auch gebührenpflichtig, aber – wie der saarländische Linken-Abgeordnete Thomas Lutze im Bundestag erinnert – erst ab der dritten, vierten Ausfahrt hinter der Landesgrenze.

Die deutschen Grenz-Bundesländer hätten solche Ausnahmen auch gerne gehabt. Die Bundesregierung hat aber abgelehnt. Durch umfassende Grenz-Ausnahmen wären wohl die Kalkulationen noch fragiler geworden, mit denen Dobrindt belegen will, dass seine Maut nicht mehr Kosten verursacht als sie einbringt. Ein Vermittlungsverfahren wäre im Interesse dieser Länder. Theoretisch könnte es sich so lange hinziehen, bis die Wahlperiode vorbei ist. Dann würde das Maut-Gesetz verfallen. Aber praktisch glaubt an dieses Szenario so recht keiner.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false