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Nach Angriff auf Solidaritätsflotte: UN-Generalsekretär verlangt Aufhebung der Gaza-Blockade

Die islamisch-türkische Hilfsorganisation IHH will die israelische Blockade des Gazastreifens mit neuen Hilfsflotillen überwinden. US-Vizepräsident Joe Biden sieht Israel im Recht, während UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ein Ende der Blockade fordert.

"Wir machen weiter, bis das Embargo aufgehoben ist", sagte der IHH-Vorsitzende Bülent Yildrim nach seiner Abschiebung aus Israel am Donnerstag vor Journalisten in Istanbul. Seine Organisation wolle die ganze Welt an noch größeren Konvois beteiligen, die von Land und See aus geplant seien. Yildirim war an Bord der "Mavi Marmara", die von israelischen Soldaten gestürmt worden war. Er sagte, seine Organisation vermisse mehrere der Passagiere, die an Bord gewesen seien.

Der IHH-Vorsitzende sagte, die Aktivisten an Bord hätten sich mit Eisenstangen gegen die israelischen Spezialeinheiten verteidigt und mehrere Soldaten überwältigt. Sie hätten die Waffen der Israelis in ihre Gewalt gebracht und benutzen können, diese aber über Bord geworfen. "Selbst wenn wir sie benutzt hätten, wäre es Selbstverteidigung gewesen", sagte Yildrim. Den israelischen Soldaten warf er vor, einen Fotografen angeschossen zu haben, der Bilder machte. Ein Aktivist sei erschossen worden, obwohl er sich bereits ergeben habe. Israelische Soldaten hätten Festgenommene später misshandelt.

Einem Bericht der ZDF-Sendung "Auslandsjournal" zufolge war die IHH federführend bei der aus dem Ruder gelaufenen Solidaritätsaktion für die Palästinenser. Humanitär habe man helfen wollen. Wichtiger sei aber gewesen, ein Zeichen gegen Israel zu setzen. "Wir wollten die Blockade überwinden und die Israelis quasi vorführen. Der Öffentlichkeit sollte kar werden, dass Israel keine Hilfe für Gaza erlauben würde. Das war unser Ziel und nichts anderes", erklärte Ümer Faruk Korkmaz vom Vorstand der IHH. Türkische Zeitungen berichteten laut ZDF, dass etwa 40 Gewaltbereite unter den Helfern gewesen seien. Mindestens drei von ihnen wollten auf diesem Trip als Märtyrer sterben.

Gaza-Aktivisten ausgeflogen

Unterdessen sind in der Nacht zum Donnerstag fast 500 der festgehaltenen Aktivisten in die Türkei und nach Griechenland ausgeflogen worden. Türkische Flugzeuge brachten 466 der Freigelassenen - unter ihnen sechs Deutsche und vor allem Türken - nach Istanbul. An Bord waren auch die Leichen der neun bei dem Zwischenfall getöteten Aktivisten, von denen bisher nur drei identifiziert werden konnten. In Athen trafen in der Nacht 35 freigelassene Gaza-Aktivisten ein. US-Vizepräsident Joe Biden unterstrich unterdessen das Recht Israels, die Gaza-Flotille auf mögliche Waffen und andere unerlaubte Güter zu überprüfen.

"Israel hat das Recht zu wissen, ob Waffen eingeschmuggelt werden", sagte Biden in einem Fernsehinterview. Schließlich befinde sich Israel "im Krieg" mit der radikal-islamischen Palästinenser- Organisation Hamas.

Führende US-Regierungsbeamte erklärten unterdessen der "New York Times", dass die Regierung von Präsident Barack Obama die Seeblockade des Gaza-Streifens als "unhaltbar" betrachte. Zudem dränge Washington auf eine neue Politik, mit der mehr Güter in den verarmten Gazastreifen gelangen könnten. "Der Gazastreifen ist in der arabischen Welt zum Symbol dafür geworden, wie Israel die Palästinenser behandelt, und wir müssen das ändern", wurde ein Regierungsbeamter zitiert.

Die USA haben Israel beim Umgang mit der Gaza-Hilfsflotte wiederholt zu "Vorsicht und Zurückhaltung" aufgefordert. Dies teilte der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip Crowley der "Washington Post" mit. Crowley sagte nach Angaben des Blattes vom Donnerstag, die US-Regierung habe Wert auf "Vorsicht und Zurückhaltung" gelegt, da es an Bord der Schiffe Zivilisten, darunter US-Bürger, gegeben habe.

Hamas verweigert Annahme von Hilfsgütern

Im Gazastreifen verweigerte unterdessen die Hamas die Annahme der Güter, die Israel von den Schiffen der "Solidaritätsflotte" abgeladen und auf Lastwagen verfrachtet hatte. Während acht Lastwagen mit Medikamenten, Nahrungsmitteln, Rollstühlen und Kinderspielzeug am Grenzübergang Kerem Schalom zwischen Israel und dem Palästinensergebiet auf Abfertigung warteten, stellte Hamas- Wohlfahrtsminister Ahmed al-Kurd für die Annahme mehrere Bedingungen. Unter anderem müsse Israel zunächst alle Gefangenen von der Gaza- "Solidaritätsflotte" freilassen, forderte Al-Kurd. Nach israelischen Angaben sind bereits alle Häftlinge frei, bis auf drei Gefangene, die wegen "verfahrenstechnischer Probleme" noch in Israel seien.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte Israel in aller Deutlichkeit auf, die Gaza-Blockade mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Sie "ist kontraproduktiv, nicht nachhaltig und unrecht", sagte Ban am Mittwochabend vor Journalisten in New York. Die schon seit Jahren anhaltende Isolation des Gazastreifens "straft unschuldige Bürger", bekräftigte Ban. Er habe Israels Regierung seit Monaten "auf höchster Ebene" zum Einlenken gedrängt. Wenn sie seinem Ruf gefolgt wäre, hätte sich die blutige Konfrontation im Mittelmeer nicht ereignet. "Die Tragödie unterstreicht nur die Schwere des zugrundeliegenden Problems".

Israel müsse nach dem Tod von neun Aktivisten auf den mit Hilfsgütern für den Gazastreifen beladenen Schiffen nun einen detaillierten Bericht über das Geschehen abgeben. Auf die Frage, wann und in welcher Form er die Vorgänge klären lassen werde, erwiderte Ban: "Bis zu meiner Entscheidung müssen Sie noch eine Weile warten". Er werde zunächst im Gespräch mit allen Betroffenen, den Israelis einschließlich, Vorschläge sammeln.

Türkischer Vize-Regierungschef: Angriff "grausam und barbarisch"

In Istanbul trafen in der Nacht 466 freigelassene Aktivisten ein, unter ihnen sechs Deutsche. Die Freigelassenen - überwiegend Türken - wurden vom türkischen Vize-Regierungschef Bülent Arinc begrüßt. Er verurteilte den israelischen Angriff erneut als "grausam und barbarisch". Das türkische Justizministerium habe Schritte eingeleitet, um gegen die Verantwortlichen auf Grundlage türkischer und internationaler Gesetze vorzugehen. In Athen landete in der Nacht eine Maschine mit 35 überwiegend griechischen Gaza-Aktivisten.

Über den Zustand der sechs Deutschen lagen zunächst keine näheren Angaben vor. Die deutschen Vertretungen in der Türkei stünden in Kontakt mit den türkischen Behörden und bemühten sich um direkten Zugang zu den deutschen Staatsangehörigen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. (dpa/smz)

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