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Die chinesische Botschaft in Berlin.

© imago images/Stefan Zeitz

Nach Anhörung im Bundestag über Menschenrechtslage: Chinas Botschafter sagt Gespräch mit Abgeordneten ab

Neuer Eklat zwischen Chinas Vertretung in Berlin und dem Bundestag: China wirft dem Ausschuss für Menschenrechte „Einmischung in innere Angelegenheiten“ vor.

Chinas Botschafter in Berlin hat ein Gespräch mit Abgeordneten des Bundestages kurzfristig platzen lassen. Der Grund ist eine Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte über die „völkerrechtliche Bewertung der Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren“. Die Anhörung am Montag habe auf „schlichtweg falschen Anschuldigungen gegen Xinjiang“ beruht, schrieb der chinesische Botschafter Wu Ken an die Ausschuss-Vorsitzende Gyde Jensen (FDP). „Dies stellte eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas dar.“

Er müsse leider feststellen, dass wegen dieser Veranstaltung „die Grundlage für den Dialog zwischen uns beschädigt wurde“, heißt es in dem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt. Für diesen Donnerstag hatte der Menschenrechtsausschuss den Botschafter zu einem Gespräch eingeladen. Mit der Absage geht der Konflikt zwischen der Vertretung Pekings und den Abgeordneten in eine neue Runde.

Die chinesische Seite sei „stets offen“ für den Dialog und Austausch mit dem Menschenrechtsausschuss des Bundestages, versicherte der Botschafter. „Ich persönlich habe vor kurzem auch meine Bereitschaft erklärt, mich in naher Zukunft mit Ihrem Ausschuss auszutauschen“, schrieb der Diplomat weiter. „Jeder Dialog und Austausch soll jedoch auf Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt beruhen.“ Wenn der Ausschuss immer noch an einem Dialog interessiert sei, hoffe er, dass die Abgeordneten „konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Grundlage für den Dialog wiederherzustellen“. Welche Maßnahmen das sein sollen, führte der Diplomat nicht näher aus.

In der Botschaft hieß es, man müsse zwischen den Zeilen lesen

Eine eindeutige Absage des für diesen Donnerstag geplanten Treffens fehlt in dem Schreiben ebenfalls. Zur Sicherheit ließ der Ausschuss deshalb in der chinesischen Botschaft nachfragen – und erhielt die Auskunft, man müsse in der Lage sein, den Brief zwischen den Zeilen zu lesen. Auch die vom Botschafter erwähnten Maßnahmen würden die Abgeordneten schon selbst kennen.

[Lesen Sie bei Tagesspiegel Plus, warum im Hinblick auf Chinas Diplomaten mittlerweile von „Wolfskriegerdiplomatie“ die Rede ist.]

„Mein Eindruck ist, dass die öffentliche Anhörung dem chinesischen Botschafter als willkommener Vorwand gedient hat, um das Ausschussgespräch abzusagen“, sagte die Ausschuss-Vorsitzende Gyde Jensen dem Tagesspiegel. „Denn die Kommunikation der chinesischen Botschaft zielt auch in Deutschland komplett auf die aggressive Beeinflussung der Öffentlichkeit durch Propaganda ab, insbesondere wenn es um die grausamen Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren geht.“ Jensen geht davon aus, dass die Botschaft kein Interesse habe, „auf politischer Ebene ernsthaft ins Gespräch zu kommen“. Dieses Verhalten sei auch aus multilateralen Organisationen bekannt. „Bei kritischen Themen, vor allem, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht, blockiert die Kommunistische Partei sofort mit dem Vorwurf der Einmischung in innere Angelegenheiten“, sagte die FDP-Politikerin.  

Die FDP-Abgerodnete Gyde Jensen leitet den Ausschuss für Menschenrechte.
Die FDP-Abgerodnete Gyde Jensen leitet den Ausschuss für Menschenrechte.

© Britta Pedersen/picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Der jüngste Eklat hat eine längere Vorgeschichte. Bereits im vergangenen Jahr hatte die chinesische Botschaft den Menschenrechtsausschuss ungewöhnlich scharf kritisiert. Von „Verleumdung“ und „lehrmeisterlicher Arroganz“ war in einer öffentlichen Stellungnahme die Rede. Auch damals hatte sich der Ausschuss mit der Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Provinz Xinjiang auseinandergesetzt. Dort sind mehr als eine Million Menschen in Lagern inhaftiert. Versuche des Ausschusses, mit dem Botschafter ins Gespräch zu kommen, waren zuvor erfolglos verlaufen.

Schäuble schaltete sich in den Konflikt ein

Nach Informationen des Tagesspiegels intervenierte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wegen der massiven Kritik an der Arbeit des Ausschusses. Im Januar kam es zu einem Treffen zwischen Schäuble und Botschafter Wu. Wenig später konnte zumindest ein Gesprächstermin des Diplomaten mit den Abgeordneten vereinbart werden.

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Doch sein für Mitte April geplanter Besuch im Bundestag wurde von der Botschaft mit Verweis auf die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen abgesagt. Nun gab es offenbar Irritationen in der Vertretung Pekings, weil drei Tage vor dem für diesen Donnerstag angesetzten Gespräch die Anhörung zu Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren stattfand. Dass das nur ein Zufall war, wollten die Diplomaten wohl nicht glauben.

In der vergangenen Woche hatte der Botschafter die Abgeordneten zu einem „virtuellen Gespräch mit Vertretung der lokalen Regierung und Bevölkerung in Xinjiang“ eingeladen. Zugleich beklagte er „verzerrte Darstellungen und Desinformation in den westlichen Medien“ über die Lage in Xinjiang. Die Ausschuss-Mitglieder nahmen die Einladung allerdings nicht an und verwiesen darauf, dass sie erst das Gespräch mit dem Botschafter suchen wollten.

Die Ausschuss-Vorsitzende Jensen plant derweil schon den nächsten Schritt. In der Anhörung hätten Experten das Vorgehen Chinas gegen die Uiguren als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. „Jetzt ist ein politisches Signal des Bundestages erforderlich.“ Jensen hofft, dass sich der Bundestag noch auf eine Resolution zur Lage in Xinjiang verständigen kann.

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