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Mahnwache vor der Paulskirche in Frankfurt.

© imago images/Ralph Peters

Update

Nach Anschlag in Hanau: Klingbeil fordert Beobachtung der AfD durch Verfassungsschutz

Zahlreiche Politiker geben der AfD eine Mitschuld an der Zunahme rechter Gewalt. Aufruf zum Zusammenhalt der Gesellschaft.

Nach dem Anschlag von Hanau haben zahlreiche Politiker der AfD eine Mitschuld gegeben. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte im ARD-„Morgenmagazin: „Da hat einer geschossen in Hanau, aber es waren viele, die ihn munitioniert haben, und da gehört die AfD definitiv mit dazu.“

Trauernde bei der Mahnwache in Hanau.
Trauernde bei der Mahnwache in Hanau.

© PATRICK HERTZOG / AFP

Die Partei habe das gesellschaftliche Klima in den letzten Monaten und Jahren „vergiftet“ und versucht, die Tat von Hanau „herunterzuspielen“ und diese „zu einer Tat von einem wirren Einzeltäter zu machen“, sagte Klingbeil. Die AfD müsse vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Natürlich gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken der AfD und der Zunahme rechter Gewalt.“. Pistorius beklagte, dass ausländischen Mitbürgern die Menschenwürde abgesprochen werde. „Das ist so gefährlich, weil es manche erst dazu bringt, zur Tat zu schreiten. Hier ist eine fatale Enthemmung in Gang geraten, und die AfD trägt daran Mitschuld.“

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir verlangte eine konsequente Ausgrenzung der AfD durch die übrigen Parteien. Die AfD sei der „politische Arm des Hasses“, sagte Özdemir am Donnerstagabend im Deutschlandfunk. Die Partei wolle das Land von innen zersetzen.

Die AfD versuche, mit ihren Äußerungen die Regeln des politischen Diskurses und die Grenzen des Sagbaren immer weiter zu verschieben. Umso wichtiger sei es, den Schulterschluss der anderen Parteien gegen Rechts wieder herzustellen, betonte der frühere Grünen-Parteichef. Dies bedeute, mit der AfD in keiner Weise zusammenzuarbeiten und sich auch nicht von ihr tolerieren zu lassen.

Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle fordert im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ Konsequenzen für die staatliche Sicherheitspolitik. Insbesondere der Umgang mit der AfD müsse verändert werden. „Der Verfolgungsdruck auf die Überschneidung von Rechtsterrorismus und AfD muss nach Hanau deutlich zunehmen.“

„Wir müssen das Gift bekämpfen“

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte der „Rheinischen Post“: „Wer Rechtsextremen in einer Partei Deckung gibt, trägt Mitverantwortung dafür, wenn deren Ideologien Gehör finden.“ Der Mannheimer Politikwissenschaftler Rüdiger Schmitt-Beck bezeichnete im „Mannheimer Morgen“ rechte Hetze und den Aufruf des AfD-Politikers Björn Höcke zum politischen Umsturz als „Lizenz für Anschläge“.

Zuvor hatten bereits zahlreiche Politiker der AfD Vorwürfe gemacht. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnete die Partei als geistige Brandstifter, SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nannte sie den „politischen Arm der extremen Rechten“. Norbert Röttgen, der sich für den CDU-Vorsitz bewirbt, sagte der „Bild“-Zeitung: „Wir müssen das Gift bekämpfen, das von der AfD und anderen in unsere Gesellschaft getragen wird.“

Aufruf zum Zusammenhalt in der Gesellschaft

AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. „Ich halte es für schäbig, in der Phase so etwas zu instrumentalisieren“, sagte Gauland am Donnerstag in Potsdam. Es handele sich um einen offensichtlich völlig geistig verwirrten Täter, „und von Links und Rechts wollen wir hier gar nicht reden. Das ist ein Verbrechen.“

Das Argument, der Täter sei womöglich psychisch krank gewesen, wollte der CDU-Politiker Armin Laschet in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ nicht gelten lassen. „Es gab immer schon psychisch Kranke. Die sind aber nicht zu Mördern geworden. Sie werden zu Mördern, weil in einer Gesellschaft diese Aggression geschürt wird.“ Sowohl anonyme Hassrede im Internet als auch die Sprache „gewählter Abgeordneter in Landtagen“ ließen „immer erwarten“, dass es „einen Irren“ geben werde, sagte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Hanau: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender legen einen Kranz nieder.
Hanau: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender legen einen Kranz nieder.

© Odd ANDERSEN / AFP

Politiker riefen zum Zusammenhalt in der Gesellschaft auf. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte am Donnerstagabend die Tatorte in Hanau und traf gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender im Rathaus etwa 20 Angehörige von Opfern. Anschließend nahm er an einer Gedenkveranstaltung teil. „Heute ist die Stunde, in der wir zeigen müssen: Wir stehen als Gesellschaft zusammen, wir lassen uns nicht einschüchtern, wir laufen nicht auseinander“, sagte Steinmeier bei einer Mahnwache vor rund 5000 Teilnehmern.

Auch in zahlreichen anderen Städten gab es Gedenkveranstaltungen und Mahnwachen. Am Brandenburger Tor in Berlin nahmen auch zahlreiche Spitzenpolitiker daran teil.

Gedenken in Berlin: K. Göring-Eckardt und A.Baerbock (Grüne), P. Ziemiak (CDU), C. Roth (Grüne) und C. Lindner (FDP) (v.l.).
Gedenken in Berlin: K. Göring-Eckardt und A.Baerbock (Grüne), P. Ziemiak (CDU), C. Roth (Grüne) und C. Lindner (FDP) (v.l.).

© imago images/Christian Spicker

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) mahnte zum gemeinsamen Vorgehen gegen das „Klima von Hetze und Gewalt“. Dem müsse die Gesellschaft „nicht nur heute hier in Hanau, sondern überall“ entgegentreten, sagte er am Donnerstagabend im ZDF. Es sei eine „immerwährende Aufgabe“, alle Menschen zu schützen.

Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Donnerstag Hanau besucht und sich über den Anschlag informiert. Er kündigte an, politische Konsequenzen zu prüfen. Möglicherweise seien auch weitere Gesetzesänderungen notwendig. Was sich im Bereich des Rechtsextremismus zuletzt entwickelt habe, sei sehr besorgniserregend. Zusammen mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) wird sich Seehofer am Freitag bei einer Pressekonferenz in Berlin äußern.

Am Mittwochabend hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau aus mutmaßlich rechtsradikalen und rassistischen Motiven neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Später tötete er nach Überzeugung der Ermittler seine Mutter und sich selbst. (dpa/AFP)

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