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Aydan Özoguz (SPD), Staatsministerin für Integration, im Gespräch mit Muslimen. Nach ihrer Kritik an den Salafisten-Razzien musste sie politische Prügel einstecken.

© dpa

Nach Augenmaß-Forderung von Özoguz: Der rechte Populismus schafft eine neue Political Correctness

Die Integrationsbeauftragte Özoguz hat "Augenmaß" bei der Verfolgung von Islamisten gefordert. Die Empörung über ihre Worte belegt: Es gibt wieder Sprechverbote. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Im Besitz der allein selig machenden Wahrheit zu sein, ist ein grandioses Gefühl. Es dürfte dem Gründer des Vereins „Die wahre Religion“, Ibrahim Abou-Nagie, daher wenig ausmachen, dass seine Organisation verboten wurde. Sein Werk ist verrichtet. Der Streit um den Islam spaltet die Menschen, die Reihen werden geschlossen, Sprach- und Denkregeln aufgestellt. Der Glaube, im Besitz der Wahrheit zu sein, eint alle, um alle zu teilen.

Beispielhaft dafür erscheint die Reaktion auf die Worte der Integrationsbeauftragten Aydan Özoguz, wonach Verbote religiöser, namentlich muslimischer Vereine Augenmaß erforderten. Augenmaß? Soweit kommt’s noch. Falsche Toleranz, die Frau schüre Misstrauen und falle den Behörden in den Rücken, tönt die Kritik. Gegen Islamisten ist kein Augenmaß gefragt, sondern die volle Härte des Gesetzes, weiß CDU-Generalsekretär Peter Tauber beizutragen.

Danke, es reicht. Hinreichend deutlich wird, dass Abwägendes zum Umgang mit Muslimen, Islamisten, Salafisten derzeit unsagbar sein soll. Der rechte Populismus, der auch Gemäßigte ergreift, schafft eine neue Gattung politischer Korrektheit, die den Blick auf die Entwicklungen einer Gesellschaft ebenso verstellt wie der liberale Dogmatismus vermeintlich aufgeklärter Besserwisser.

Denn natürlich sind Verbote religiöser Vereine ein heikles Terrain, weshalb sie bis zu den Terroranschlägen in den USA vom 11. September schlicht unzulässig waren. Das Privileg wurde abgeschafft, um Terrorbrüdern, die das ausnutzen wollten, das Handwerk legen zu können. Das war zweifellos richtig, erledigt jedoch nicht das Problem: Dass sich mit jedem gefeierten „Schlag gegen den Islamismus“ auch Muslime getroffen und an den Rand gedrängt fühlen können, die nichts damit zu tun haben wollen. Parolen wie die des Politikers Tauber tun ein ungutes Übriges, denn sie erzeugen die Illusion, Islamismus sei etwas, das mit der „vollen Härte des Gesetzes“ beseitigt werden könne und müsse.

De Maizière hat offenkundig mit Augenmaß gehandelt

Die volle Härte des Gesetzes sagt etwas ganz anderes: Islamismus und Salafismus sind radikale Strömungen einer Weltreligion, die wie jede andere unter dem Schutz der Verfassung steht. Verboten und verfolgt dagegen gehören nur Organisationen und ihre Vertreter, die zu Hass und Gewalt aufrufen, Terror unterstützen oder Krieger nach Syrien vermitteln. Um das eine vom anderen trennen zu können, braucht es wiederum nichts anderes, als das, was die Integrationsbeauftragte angemahnt hat: Augenmaß.

Es spricht viel dafür, dass der Bundesinnenminister entsprechend umsichtig gehandelt hat. Er wartete lange und ließ mit seiner Verbotsverfügung klarstellen, dass diese sich nicht gegen die Koranverbreitung und Missionsarbeit des Vereins gerichtet habe. Willkür ist keine erkennbar. Vereinsverbote müssen gerichtsfest sein und werden auf Antrag der Betroffenen gründlich geprüft. Der Hinweis von Özoguz mag daher entbehrlich gewesen sein, er dürfte sich aber auch eher an die Adresse der verfassungstreu in Deutschland lebenden Muslime gerichtet haben, als Botschaft: Der Schlag gegen den – militanten – Islamismus ist keiner gegen den Islam. Das darf nicht nur gesagt werden. Es muss.

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