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Dieser Frachter hatte in Hamburgs Hafen gebrannt, es dauerte Stunden, das Feuer zu löschen. Hinterher stellte sich heraus: Er hatte radioaktives Material geladen.

© dpa

Nach Brand auf Atomfrachter Absage gefordert: Sorge vor Plutonium-Transport quer durch Hamburg

Vor einigen Tagen schrammte Hamburg nur knapp an einer Katastrophe vorbei, als ein Frachter im Hafen Feuer fing, der radioaktives Material geladen hatte. Nun fürchten Umweltschützer eine viel größere Gefahr für die Hansestadt: Hochgefährliche Brennelemente sollen quer durch die Stadt transportiert werden.

Vor drei Wochen schrammte Hamburg nur knapp an einer Atomkatastrophe vorbei. Nach dem Großbrand auf dem auch mit radioaktiven Stoffen beladenen Containerschiff „Alantic Cartier“ konnten Feuerwehrleute die gefährliche Fracht erst im letzten Moment von Bord schaffen. Jetzt warnen Umweltschützer vor einer womöglich noch größeren Gefahr für die Hansestadt. „In den nächsten Tagen sollen zwei Lastwagen mit plutoniumhaltigen Mischoxid (Mox)-Brennelementen aus Belgien mitten durch Hamburg zum Atomkraftwerk Brokdorf transportiert werden“, sagte gestern Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es – wie üblich - zwar nicht. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat den Transport nach Informationen dieser Zeitung aber genehmigt, die Frist dafür gilt demnach bis zum 24. Mai.

Die Mox-Brennelemente wurden im belgischen Dessel gefertigt. Die Stadt ist Sitz einer Produktionsanlage für Kernbrennstoffe. In Brokdorf könnten sie bei der für den Frühsommer angekündigten Jahresrevision in den Reaktor eingesetzt werden. Sie enthielten rund 200 Kilogramm Plutonium und damit deutlich mehr als die noch ausstehenden 26 Castortransporte, so Stay. Mit dem Material, das schon in allerkleinsten Dosen tödlich sei, ließen sich etwa 25 Atombomben vom Nagasaki-Typ bauen. Würde bei einem Unfall ein Mox-Behälter undicht und das Plutonium durch Brandeinwirkung über eine größere Fläche verteilt, hätte dies in der dichtbesiedelten Millionenstadt Hamburg „fatale Folgen“. Eine rechtzeitige Evakuierung sei kaum möglich. Konkrete Katastrophenschutzpläne für einen Unfall mit einem Mox-Transport gebe es nicht.

Mox-Brennelemente seien nicht nur bei Verkehrsunfällen ein unverantwortbares Risiko, erklärte Tobias Darge vom Jugendumweltnetzwerk Niedersachsen. Auch ihr Einsatz im Reaktor berge zusätzliche Gefahren. Atommüll aus Mox strahle etwa doppelt so stark wie der aus herkömmlichen Uran-Brennelementen.

Der Mox-Transport müsse deshalb abgesagt werden, verlangen Bürgerinitiativen. Dies sei möglich, wenn sich die Innenminister der betroffenen Bundesländer - also Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und gegebenenfalls auch Bremen – nicht in der Lage sähen, kurzfristig genügend Kräfte zur Sicherung bereitzustellen. „Dann muss das BfS die Transportgenehmigung zurückziehen“, sagte Stay.

Die „Atlantic Cartier“ war am Abend des 1. Mai im Hamburger Hafen in Brand geraten. An Bord waren der Frachtliste zufolge neben 70 Autos auch 180 Tonnen leicht entzündliches Ethanol, 33 Container mit Munition und 20 Tonnen radioaktives Material. Bei neun Tonnen davon handelte es sich um Uranhexafluorid. In diesen Stoff wird Uran 238 vor der Anreicherung zu Uran 235 umgewandelt. Uranhexafluriod ist radioaktiv und giftig; bei Kontakt mit Wasser kann sich Flusssäure bilden, die noch ätzender als Salzsäure ist. Udo Buchholz vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) vermutet, dass die Substanz für die Urananreicherungsanlage Gronau oder die Brennelemente Fabrik Lingen bestimmt waren. „Nur diese beiden Atomfirmen gehen in Deutschland mit Uranhexafluorid um“, sagt er.

Mehr als 200 Feuerwehrleute waren im Einsatz, um den Brand zu bekämpfen und die Container an Land zu ziehen. Es dauerte fast 16 Stunden, bis das Feuer vollständig gelöscht war. Nur 500 Meter entfernt hatten sich zur selben Zeit tausende Menschen zur Eröffnung des Kirchentags versammelt.

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