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Trümmer des malaysischen Passagierflugzeuges MH17, das 2014 über der Ost-Ukraine abgeschossen wurde.

© Maxim Zmeyev, Reuters

Nach dem Absturz von Teheran: Vom Himmel geholt

Die ukrainische Boeing könnte von einer Rakete getroffen worden sein. Es wäre nicht der erste Fall, dass Militärs eine Zivilmaschine vom Himmel holten.

Von Robert Birnbaum

Am 3. Juli 1988 vormittags gegen 10 Uhr gab das Warnsystem der „USS Vincennes“ Luftalarm. Der Lenkwaffenkreuzer der US-Marine war im Persischen Golf in angespannten Zeiten unterwegs. Der Iran und das US-Militär lieferten sich damals einen unerklärten Krieg. Iranische Revolutionsgarden griffen mit Schnellbooten Tanker, aber auch Kriegsschiffe an. Ein – eigentlich verbündeter – irakischer Jet hatte 1987 die US-Fregatte „Stark“ beschossen. 27 Soldaten starben.

An Bord der „Vincennes“ glaubte das elektronische Feuerleitsystem jetzt einen iranischen Kampfjet im Anflug. Kapitän William Rogers setzte mehrere Warnrufe per Funk ab – sie blieben unbeantwortet. Zuletzt gab er Feuerbefehl. Der Airbus der Iran-Air, Flug Nummer 655 von Bandar Abbas nach Dubai, hatte keine Chance. 290 Menschen starben.

Abschüsse von Zivilmaschinen sind nicht häufig, passieren aber immer wieder. Wikipedia listet 23 eindeutige Fälle auf und ein Dutzend unklarer. Zu den unklaren zählt der Absturz der Douglas DC-6 im Grenzgebiet zwischen Kongo und Rhodesien, bei dem 1961 UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld starb. Bis heute besteht der Verdacht, dass jemand ihn gezielt tötete. In der Region schossen Rebellen im folgenden Jahrzehnt absichtlich mehrere Passagiermaschinen ab. Auch andere Abschüsse gingen auf das Konto von Rebellengruppen, viele in Afrika, andere im Kaukasus.

Der bisher schlimmste Fall war das Ende von Flug MH 17 über der umkämpften Ostukraine am 17. Juli 2014. In der malaysischen Maschine auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur starben 298 Menschen. Die Rakete sowjetischen Typs hatten mutmaßlich prorussische ukrainische Rebellen abgefeuert. Ob sie den Passagierjet für ein Kampfflugzeug hielten, wurde nie geklärt.

Aber auch reguläre Streitkräfte haben mehrfach Passagierflugzeuge abgeschossen. 1973 feuerten israelische Jets über dem Sinai auf eine libysche Maschine, die sich in die Sperrzone verirrt hatte – 108 Menschen starben. 1983 geriet ein Jumbojet der Korean Airlines versehentlich in sowjetischen Luftraum. Keiner der 269 Insassen überlebte den Abschuss.

Im Fall der „USS Vincennes“ kam eine Mixtur aus technischer Unzulänglichkeit und menschlichem Versagen zusammen. Der iranische Pilot reagierte auf die Notrufe nicht, die US-Kreuzercrew war nervös und hatte wenig Erfahrung mit dem neuen computergestützten Aegis-Feuerleitsystem, das den falschen Alarm gab.

Theoretisch lassen sich Zivilmaschinen leicht an dem Transponder-Funksignal erkennen, das jeden Flug eindeutig kennzeichnet. Aber das System ist nicht narrensicher. Auch in Deutschland steigen die Eurofighter der Alarmrotten in Wittmund und Neuburg an der Donau regelmäßig auf, weil Zivilpiloten den Code falsch eingeben oder vergessen haben, den Transponder einzuschalten. Zum Glück stellten sich solche Geisterflieger bisher immer als harmlos heraus. Es reicht dann, dass links vor dem Cockpit ein Kampfjet auftaucht, um vergessliche Crews aufzuwecken.

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