zum Hauptinhalt
Update

Nach dem Abzug: Wie kann die Zukunft Afghanistans aussehen?

Auf der Afghanistan-Konferenz wurde über die Situation nach dem Abzug der internationalen Truppen 2014 diskutiert. Doch die Zukunft des Landes bleibt weiter unklar - wohlklingende, aber wirkungslose Erklärungen wurden nach jeder dieser Konferenzen verabschiedet. Währenddessen starben NATO-Soldaten bei Anschlägen in Ost-Afghanistan.

In Tokio haben am Sonntag Vertreter von mehr als 80 Staaten und internationalen Organisationen Afghanistan neue Hilfszusagen in Höhe von rund 13 Milliarden Euro gemacht. Dabei ging es vor allem um die Zeit nach 2014, wenn die internationalen Truppen das Land verlassen haben. Denn ohne finanzielle Unterstützung wird Afghanistan noch lange nicht auskommen.

Wie ist die Ausgangssituation?

Lange stand die Sicherheitslage in Afghanistan im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit. Der Krieg gegen die Taliban, an dem sich die Bundeswehr derzeit noch mit knapp 5000 Soldaten beteiligt, konnte militärisch nicht gewonnen werden. Durch die Aufstockung der internationalen Truppen und verstärkte Anstrengungen, den afghanischen Streitkräften mehr Verantwortung zu übertragen, hat sich die Situation insgesamt aber stabilisiert.

Das gilt besonders für den Norden des Landes, in dem die Bundeswehr stationiert ist. In diesem Jahr ist noch kein deutscher Soldat in Afghanistan gefallen. Insgesamt starben dort bisher 53 Bundeswehrsoldaten bei Unfällen, Anschlägen und Gefechten.

Aus dem Süden wurden allerdings in den vergangenen Wochen wieder vermehrt Kämpfe und Anschläge gemeldet. Die große Frage lautet daher: Können die in Tokio zugesagten Hilfsgelder überhaupt sinnvoll eingesetzt werden, wenn die internationale Schutztruppe als Stabilitätsfaktor wegfällt? Darauf hat bisher niemand eine Antwort.

Die großen Hilfsorganisationen wollen zunächst abwarten, wie es nach 2014 konkret weitergeht. Wenn ihre Mitarbeiter nicht mehr sicher seien, so der allgemeine Tenor, würden diese zurückgeholt. Allerdings ist längst klar, dass auch nach 2014 noch ausländische Soldaten in Afghanistan bleiben. Die USA haben eine strategische Partnerschaft vereinbart, die militärische Unterstützung ausdrücklich einschließt.

Video: Milliarden für Afghanistan

Auch in Tokio wurde die künftige Hilfe wieder an Bedingungen geknüpft. Werden die überhaupt erfüllt?

Afghanistan-Konferenzen erinnern seit Jahren an „Und täglich grüßt das Murmeltier“, jener amerikanischen Filmkomödie, in der ein Fernsehreporter immer wieder denselben Tag erlebt. Die Ermahnungen an den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, endlich gegen Korruption und Misswirtschaft in Regierung und Behörden vorzugehen, wiederholen sich ebenso wie dessen Beteuerungen, die Hausaufgaben gewissenhaft zu erledigen. Und am Ende wird wie immer viel Geld versprochen.

Allein: Es passiert nichts. Im jüngsten Fortschrittsbericht der Bundesregierung zu Afghanistan heißt es: „Die Zusagen der afghanischen Regierung zur Korruptionsbekämpfung werden nur schleppend umgesetzt; greifbare Erfolge sind begrenzt.“

Bildergalerie: Taliban-Anschlag auf ein afghanisches Hotel

Deutschland immerhin hat daraus erste Konsequenzen gezogen. Die Zahlungen des Entwicklungsministeriums „erfolgen in an konkrete Reformschritte geknüpften Tranchen“, heißt es in einer Erklärung. 2012 wurden aus dem Entwicklungsetat demnach erst 65 Millionen der für das Jahr veranschlagten 240 Millionen Euro ausgegeben. Weitere Mittel steuert vor allem das Auswärtige Amt bei, so dass insgesamt für Afghanistan jährlich 430 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Doch nicht nur Deutschland befindet sich Karsai gegenüber in einem Dilemma. Würde die Hilfe für Afghanistan komplett eingestellt, wäre dies gleichzeitig ein Eingeständnis, dass der Aufbau Afghanistans gescheitert ist. Dass die massive militärische und finanzielle Hilfe der vergangenen zehn Jahre umsonst war, und die in Afghanistan getöteten ausländischen Soldaten letztlich sinnlos geopfert wurden. Ein solches Eingeständnis will und kann sich keiner der beteiligten Staaten – und kein Politiker, der wiedergewählt werden will – leisten. Deshalb wird Afghanistan weiter unterstützt.

Wie steht es um die politische Zukunft Afghanistans?

Präsident Karsai weiß natürlich, dass der Westen letztlich kaum Druckmittel hat, weshalb er seine Versprechen wohl auch diesmal nicht halten wird. Ohnehin scheint sein Familienclan tief in korrupte Geschäfte verstrickt. Bestes Beispiel ist der Skandal um die private Kabul-Bank, die vor zwei Jahren vor der Pleite stand. Sie gehört zum Teil Karsais Bruder Mahmud und verwaltet die Gehaltskonten der meisten Regierungsangestellten. Mahmud Karsai und andere Anteilseigner sollen sich Kredite bei der Bank verschafft haben, ohne Sicherheiten zu hinterlegen, beziehungsweise sogar bis zu 630 Millionen Euro veruntreut haben. Eine Aufklärung der Vorwürfe steht aus.

Karsais herausragende Stellung ist aber auch eine Art Geburtsfehler der neuen afghanischen Verfassung. Das Parlament ist in den vergangenen Jahren zwar selbstbewusster geworden, doch seine Macht hat Grenzen. Die politische Zukunft des Landes wird daher ganz entscheidend von der Persönlichkeit seiner künftigen Präsidenten oder Präsidentinnen abhängen. Und von den Taliban. Es gilt als beschlossene Sache, dass sie wieder mehr politischen Einfluss in Afghanistan erhalten sollen, um das Land zu befrieden.

Doch alle Bemühungen, einen politischen Dialog mit ihnen zu beginnen, sind bisher im Sande verlaufen. Deshalb ist auch eine „Somalisierung“ des Landes nicht ausgeschlossen: Ein neuer Bürgerkrieg zwischen der Zentralregierung, den Taliban und alten wie neuen Warlords, die zum Teil mit den Taliban kooperieren oder in Lauerstellung auf ihre Zeit warten.

Wird Afghanistan jemals ohne fremde Hilfe auskommen?

Theoretisch ist Afghanistan ein reiches Land. Öl, Gas, Eisen, Kohle, Kupfer, Gold, Seltene Erden – Rohstoffe im Wert von optimistisch geschätzt drei Billionen Dollar sollen in Afghanistans Boden schlummern. Schon ist ein Wettstreit um die besten Konzessionen zwischen amerikanischen und chinesischen Firmen ausgebrochen.

Kurzfristige Gewinne können aber weder sie noch die Afghanen erwarten, denn die Erschließung wird lange dauern und viel Geld kosten. Beispiele anderer Entwicklungsländer wie Nigeria zeigen außerdem, dass sich Rohstoffreichtum für arme Staaten langfristig eher als Fluch denn als Segen erweist. An den Einnahmen bereichern sich meist die korrupten Eliten, während die Bevölkerung vor allem unter massiven Umweltzerstörungen leidet.

Währenddessen starben am Sonntag sechs NATO-Soldaten in Ost-Afghanistan. Eine Explosion hat sie das Leben gekostet, das teilte das Militärbündnis am Sonntag in Kabul mit. Ausgelöst habe die Explosion ein Sprengsatz, hieß es weiter. Die NATO machte keine weiteren Angaben zu dem Anschlag noch zur Nationalität der getöteten Soldaten. (mit dapd)

Zur Startseite