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Demonstranten am Freitagabend vor dem Weißen Haus in Washington. Reflexartig kocht nach dem Amoklauf in Newtown die Debatte um das Waffenrecht hoch. Doch dieses Mal ist es anders: Bei dem schlimmsten Schul-Massaker der jüngeren Geschichte viele Kinder unter den Opfern. Viele hoffen jetzt auf ein Umdenken. Bisher waren die Versuche der Waffengegner aber wenig erfolgreich. Die Waffenlobby ist ein mächtiger Gegner und weiß ganz genau, wie sie die Diskussion für ihre Zwecke nutzen kann.

© dpa

Nach dem Amoklauf in Newtown: Reform des Waffenrechts ist unwahrscheinlich

In den Vereinigten Staaten gab es allein in diesem Jahr mehr als 60 Tote durch Amokläufe mit Schusswaffen. Nach dem Massaker von Newtown debattieren die USA erneut über das Waffenrecht. Dass sich etwas ändern wird, ist aber kaum zu erwarten.

Nach dem Amoklauf von Newtown/Connecticut mit 28 Toten ist die Debatte um das Waffenrecht in den USA wieder voll entbrannt. Spontan versammelte sich eine Menschenmenge vor dem Weißen Haus in Washington, um gegen Waffen und die mächtige Waffenlobby NRA (National Rifle Association) zu protestieren. US-Präsident Barack Obama kündigte umgehend weitreichende Reaktionen auf die Tat des 20-jährigen Adam Lanza an, der mit einem Schnellfeuergewehr der Marke Bushmaster und zwei Pistolen bewaffnet war.

Ergebnisse sind kaum zu erwarten. Bereits zwischen 1994 und 2004 waren Gewehre wie das Bushmaster verboten. Doch gerade wegen der ausgebliebenen Wirkung lief dieses Verbot schließlich ohne Erneuerung aus. Von daher ist es auch fraglich, ob eine neuerliche Verbotsdiskussion ein geeignetes Mittel sein kann, weitere Amokläufe zu verhindern. Ohnehin, in den USA gibt es zwischen 200 und 300 Millionen Schusswaffen. Ein Verbot könnte sich, wenn überhaupt, nur auf neue Waffen beziehen.

Es geht um Wählerstimmen – und um viel Geld. Die Waffenlobby NRA gilt als einflussreich. Parteispenden in Millionenhöhe und mehr als vier Millionen wahlberechtige Mitglieder verhinderten bisher eine Verschärfung der Waffengesetze in den USA. Und darin liegt auch eines der Hauptprobleme in der Waffenrechtspolitik, in den USA wie in Deutschland: Die Diskussion ist zwischen den Maximalpositionen gefangen, Kompromisse erscheinen daher beinah unmöglich. Ob diese wirklich zielführend sein können, ist ohnehin längst nicht mehr Gegenstand der politischen Diskussionen.

Dabei ist die Art und Weise der Debatte um das Waffenrecht keinesfalls zufällig, sie ist prägend. In den USA wie in Deutschland sind es gerade auch Waffenhersteller, die direkt oder indirekt diesen Konflikt anheizen und eben nicht allein die Waffenlobby finanziell unterstützen, sondern auch Geld an Waffengegner zahlen. Die dahinterstehende Logik ist simpel: Neue Gesetze bedeuten neue Märkte, zudem steigert jede drohende Verschärfung den Absatz, weckt Begehrlichkeiten – nach dem Motto: „Kaufe jetzt, denn bald ist es verboten!“ Und so ist mit schöner Regelmäßigkeit zu beobachten, wie nach jedem Amoklauf in den USA die Verkaufszahlen steigen.

Strenge Gesetze im einen Staat bewirken lediglich, dass sich die Täter ihre Waffen woanders besorgen.

Allein sieben große Amokläufe erschütterten in diesem Jahr die USA, mehr als 60 Menschen starben, zahlreiche weitere wurden verletzt. Jährlich sterben mehr als 30 000 Menschen durch Schusswaffen. Dabei gibt es nicht „das“ laxe amerikanische Waffenrecht, die Bandbreite reicht dabei je nach Bundesstaat von einem ungehinderten Zugang zu Waffen bis zu weitreichenden Verboten von Waffentypen und Zugangsbedingungen, die denen in Deutschland recht ähnlich sind und ausgedehnte Überprüfungen verlangen. Connecticut gehört zur letzten Kategorie, im bundesweiten Vergleich hat der Staat das fünftschärfste Gesetz der USA. Doch bringen scharfe Regulierungen nichts, wenn Täter lediglich eine Grenze überqueren müssen, um Waffen frei kaufen zu können.

Ein Problem, dass auch in Europa besteht: Wenn Deutschland eines der strengsten Gesetze bekommt, muss ein potenzieller Täter lediglich in einen Bus steigen und über die Landesgrenze fahren, um sich mit Waffen zu versorgen. Flinten, Revolver und Militärgewehre sind ebenso im Angebot der ausländischen Händler wie Repetiergewehre. Als solche Waffen nun in Österreich registriert werden mussten, gab es massive Proteste der Waffenlobbyisten. Dabei ist das Problem nicht theoretischer Natur, selbst die Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hatten sich im europäischen Ausland eingedeckt: Tschechien, Österreich und die Schweiz waren unter den Herkunftsländern der bei ihnen sichergestellten Waffen.

So gerät in Europa wie in den USA die Diskussion um das Waffenrecht zu einer Scheindebatte, als deren Ergebnis Lösungen präsentiert werden, die gut klingen, deren Wirkung in der Praxis jedoch höchst fraglich ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass niemand mit solchen Ergebnissen wirklich zufrieden sein kann – bis auf die Täter vielleicht. Aber denen sind die Waffengesetze ohnehin egal.

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