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Eine "intelligente Maut" könnte auch die Zahl der Staus reduzieren.

© Ingo Wagner/dpa

Nach dem EuGH-Urteil: Jetzt ist es Zeit für eine intelligente Maut

Die Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof ist eine Schmach für die Bundesregierung. Sie sollte eine echte Nutzerfinanzierung einführen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jens Tartler

„Bauernschlau“ ist das Wort, das vielen sofort einfiel, als die CSU mit der Idee der „Ausländermaut“ um die Ecke kam: Autofahrer aus anderen Ländern mit der Abgabe belasten und nur die aus Deutschland über die Kfz-Steuer kompensieren. Damit ist die Bundesregierung jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gescheitert.

Dass die Luxemburger Richter die deutsche Pkw-Maut gekippt haben, stärkt das Vertrauen in die unabhängige Rechtsprechung und in europäische Institutionen. Gerade in Zeiten von Strafzöllen und dem Rückzug ins Nationale in vielen Ländern ist das Urteil ein Signal gegen Diskriminierung, für offene Grenzen und freien Warenverkehr.

Der EuGH ist mit seiner Entscheidung ausdrücklich nicht dem Generalanwalt gefolgt, wie er es in den meisten Fällen tut. Der wollte den Bauerntrick der CSU – die Koalitionspartner CDU und SPD hielten sich ohnehin eher auf Distanz – mit der absurden Begründung absegnen, dass ausländische Autofahrer ja grundsätzlich nicht mit der deutschen Kfz-Steuer belastet würden. Daraus einen Freibrief dafür abzuleiten, dass die deutschen Autofahrer über diese Steuer kompensiert werden, während Ausländer die volle Last tragen, war abwegig. Glücklicherweise sahen die Richter das genauso.

Jetzt muss die Bundesregierung Konsequenzen ziehen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) musste schon zähneknirschend zugeben, dass die Maut in dieser Form gestorben ist. Allein mit dieser Feststellung ist es aber nicht getan. Scheuer hat zwar auf den ersten Blick nicht so viel persönliche Schuld auf sich geladen wie der frühere CSU-Chef Horst Seehofer und Scheuers Amtsvorgänger als Verkehrsminister, Alexander Dobrindt.

Scheuer sollte über Rücktritt nachdenken

Aber auch der frühere CSU-Generalsekretär Scheuer hat immer für diese Stammtischidee gekämpft. Ohne das EuGH-Urteil abzuwarten, hat er milliardenschwere Verträge mit Unternehmen abgeschlossen, die für den Bund die Maut hätten erheben sollen. Die Firmen werden sich ihr Geld nicht entgehen lassen und klagen. Und weitere 128 Millionen Euro hat Scheuer für die Vorbereitung der Maut ausgegeben. Wer so fahrlässig mit dem Geld der Steuerzahler umgeht, sollte über einen Rücktritt nachdenken.

Scheuer, Dobrindt und Seehofer hatten immer damit geworben, dass ihre Maut unter dem Strich 600 Millionen Euro im Jahr für den Straßenbau abwerfen würde. Doch die Zweifel waren groß, ob die enormen Kosten für die Erhebung die Maut nicht am Ende zu einem Verlustgeschäft führen würden. Allein aus diesem Grund ist es nicht schade drum.

Eine intelligente Maut könnte Staus reduzieren

Die juristische Niederlage und das politische Desaster sollten aber nicht den Blick darauf verstellen, dass eine stärkere Nutzerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur durchaus sinnvoll wäre. Genau das beabsichtigt die Europäische Union ja auch. Nur soll die Pkw-Maut keine Flat Rate sein wie im gescheiterten deutschen Modell, sondern zeitabhängig.

Das heißt: Der Vertreter, der 60.000 Kilometer im Jahr abreißt, zahlt mehr als die Rentnerin, die zwei Mal im Jahr über die Autobahn zu ihrer Tochter fährt. Auch eine Differenzierung der Maut nach Auslastung der Straßen wäre technisch möglich und volkswirtschaftlich sinnvoll. Die Staukosten, etwa verlorene Arbeitszeit und sinnlos verbrannter Sprit, sind morgens um acht nun mal höher als mitten in der Nacht.

Eine solche intelligente Maut würde sicher einige Menschen zum Nachdenken bringen. Wäre es nicht vielleicht doch klüger, die Bahn zu nehmen, um beispielsweise von Berlin nach Köln zu fahren? Infrastrukturkosten und Klimawirkungen des Verkehrs sollten nicht vermengt werden, aber in beiden Fällen gilt: Preise sollten die ökonomische und ökologische Wahrheit sagen.

Nur wenn alle Kosten eingerechnet werden, bekommen die Menschen die richtigen Signale über die Folgen ihres Handelns. Das gilt natürlich auch für das Fliegen. Wer die Sorge hat, dass sich dann nur noch „die Reichen“ Mobilität leisten können, sollte die Einnahmen aus Infrastruktur- und Umweltabgaben über Einkommensteuer und Sozialtransfers zurückzahlen. Insgesamt wäre der Gewinn enorm. Das Urteil von Luxemburg wäre ein guter Anlass, den großen Wurf zu wagen.

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