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Politik: Nach dem Fall der Mauer wurde Hans Modrow zum Ministerpräsidenten der DDR gewählt - doch der Ruf des Reformers verblasste bald

Worin gründet sich der Ruf eines Hoffnungsträgers? Unter der Überschrift "Berliner FDJ-Führer abgelöst" veröffentlicht der Tagesspiegel am 11.

Von Matthias Meisner

Worin gründet sich der Ruf eines Hoffnungsträgers? Unter der Überschrift "Berliner FDJ-Führer abgelöst" veröffentlicht der Tagesspiegel am 11. April 1961 eine siebenzeilige Meldung der Nachrichtenagentur , wonach der 1. Sekretär der Berliner FDJ, Hans Modrow, ersetzt und in eine andere "verantwortungsvolle Position" berufen worden ist. Angaben über Gründe für den Wechsel für die Ablösung enthält die kleine Notiz nicht. Modrow wurde damals, wenige Monate vor dem Bau der Berliner Mauer, 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Berlin-Köpenick - der aufstrebende Sohn einer Arbeiterfamilie aus Ueckermünde schien auf dem besten Weg zu einer Karriere in der Partei zu sein.

Dass der gelernte Maschinenschlosser 28 Jahre später, wenige Tage nach dem Fall der Berliner Mauer, zum vorletzten Ministerpräsidenten der DDR gewählt werden könnte, das konnte niemand zu jenem Zeitpunkt auch nur erahnen. Am 13. November vor zehn Jahren, es war ein Montag, wählte ihn die DDR-Volkskammer bei nur einer Gegenstimme - der von Margot Honecker - in dieses Amt. Fünf Monate wird Modrow amtieren, die Führung der DDR in den Monaten der Wende sollte zum Höhepunkt in der Laufbahn eines Berufspolitikers werden.

Spannungsfrei war Modrows Verhältnis zur Parteiführung fast nie. Zunehmende Distanz entwickelte sich nach 1973, als er in die Bezirksleitung Dresden der SED kooptiert wurde und zum 1. Sekretär aufstieg. Ein einfacher Lebensstil, verglichen jedenfalls mit anderen Spitzengenossen, verschaffte dem heute 71-Jährigen den Ruf des "guten Hans". Wichtiger für seine Sonderrolle unter den Funktionären der DDR wurden seine guten Kontakte nach Moskau. Modrow selbst meint, das Etikett des "Hoffnungsträgers" sei ihm 1986 von Valentin Kupielzew angeklebt worden. Der sowjetische Botschaftsrat sagte bei seinem Wechsel von Berlin auf den Posten des Sektorenleiters für die DDR im Zentralkomitee der KPdSU, in einem "Spiegel"-Interview, er könne sich Modrow als Nachfolger für Erich Honecker vorstellen.

Erst danach kam der Dresdner SED-Chef bei den Medien des Westens in den Ruf, ein Reformer zu sein. Eine Rolle, die Modrow rückblickend relativiert. "Wir haben versucht, den opportunistischen Weg zu gehen", sagt er: "Es war keine Zeit und Situation für eine wirkliche organisierte Opposition in der SED." Bis zum Schluss hoffte er, ein Anstoß für Veränderungen würde von Moskau ausgehen. Das habe auf ihn "wie eine Bremse" gewirkt. Misskredit der Berliner Parteiführung blieb Modrow dennoch nicht erspart: Im Frühjahr 1989 rüffelte ihn das SED-Politbüro, weil die Partei in Sachsen zu wenig gegen "bürgerliche und feindliche Auffassungen" getan habe.

Wenn Modrow heute in seinem Büro im zweiten Stock des Berliner Karl-Liebknecht-Hauses über die Wende spricht, kommt wenig Euphorie auf. Zwar sei der Mauerfall "das politisch gravierende Ereignis" dieser Tage gewesen. Aber die Freude über den Fall der Mauer sei nie in den Köpfen derjenigen gewesen, die damals entschieden hätten. Der Irrtum: "Wir haben eine Entscheidung getroffen mit der Vorstellung, wir haben es in der Hand und wir regeln es."

Modrow sagt, er habe das Amt des DDR-Regierungschefs übernommen, ohne zu zögern - obwohl er erst vierte Wahl gewesen und unter anderem der DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski zuvor gefragt worden sei. Zum Feind der deutschen Wiedervereinigung lasse er sich nicht stempeln - selbst wenn sein Ruf als "Hoffnungsträger" rasch angekratzt war. Heute steht Modrow für die Partei wieder auf dem Platz - als Ehrenvorsitzender und Europaabgeordneter der PDS.

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