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Matteo Salvini, Innenminister von Italien, schäumt vor Wut.

© Vincenzo Livieri/LaPresse via ZUMA Press/dpa

Nach dem Gerichtsbeschluss zu Carola Rackete: Salvinis Niederlage

Italiens Vizepremier Salvini setzt bei der Seenotrettung auf eine Politik der geschlossenen Häfen. Bei der „Sea-Watch 3“ ist er damit gescheitert.

Nach der Freilassung der Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete aus dem Hausarrest in Italien gibt es Erleichterung und Forderungen nach einem Ende der Strafverfolgung. Rackete erklärte in der Nacht zum Mittwoch auf Twitter, die Entscheidung sei ein Sieg über die Kriminalisierung von Helfern. Die 31-Jährige ist nach Angaben der Hilfsorganisation an einem „sicheren Ort“ in Italien, um sie vor der Aufmerksamkeit zu schützen, sagte ein Sea-Watch-Sprecher.
Racketes Vater Ekkehart erklärte, seine Tochter müsse für eine zweite Anhörung in Italien bleiben. Diese ist für Dienstag in der sizilianischen Stadt Agrigent angesetzt.

Ihr wird weiter vorgeworfen, illegale Einwanderung begünstigt zu haben und mit ihrem Schiff beim Anlegen in Lampedusa ein Boot der Finanzpolizei touchiert zu haben. Das Schiff „Sea-Watch 3“ bleibt beschlagnahmt.
Italiens Innenminister Matteo Salvini will Rackete allerdings so schnell wie möglich des Landes verweisen.

Für den Chef der rechten Lega ist die Freilassung eine Niederlage, die seine Politik der geschlossenen Häfen ins Wanken bringt. Nach dem Beschluss der Richterin in Agrigent, die den Hausarrest am Dienstag aufgehoben hatte, hat Rackete nach ihrer Verpflichtung gehandelt, Menschen zu retten und in den nächsten sicheren Hafen zu bringen.

Sie hätte keinen Hafen in Libyen oder Tunesien ansteuern können, weil in diesen Ländern Menschenrechtsverletzungen drohten, heißt es in der Begründung weiter. Malta sei zudem weiter weg als Italien gewesen. Salvinis „Sicherheitsdekret“, mit dem der Innenminister eigentlich NGOs die Einfahrt nach Italien verweigern will, sei nicht für Hilfsorganisationen anwendbar, weil sie die Staatssicherheit nicht gefährden.

Bei dem Schiff der Finanzpolizei habe es sich zudem um kein Kriegsschiff gehandelt.

Salvini schäumt

Salvini schäumte vor Wut und nannte die Entscheidung „eine Schande und skandalös“. „Das Leben eines Finanzpolizisten ist also weniger wert als das eines illegalen Migranten“, sagte er. Die Polizisten auf dem Schiff seien in Lebensgefahr gewesen. Die Justiz müsste erklären, „ob wir das Fräulein in ein Flugzeug Richtung Berlin setzen können oder ob wir (Rackete) beim Shoppen (...) in Portofino sehen werden, bis sie das Leben anderer Polizisten gefährdet“. Salvini und seine Migrationspolitik geraten aber auch in Italien zunehmend in die Kritik.

Der italienische Erzbischof und Pax-Christi-Vorsitzende Giovanni Ricchiuti verurteilte den Umgang rechter politischer Kreise in seinem Land mit Migranten. Er sei „empört“, dass der Vorrang der menschlichen Person und des Menschenlebens für Wählerstimmen geopfert werde. Deutlich wandte sich Ricchiuti gegen eine katholische Unterstützung für Salvini. Er finde es „skandalös, dass ein Teil der katholischen Welt sich in diesen Hassreden wiederfindet“.

Die Bundesregierung zeigte sich erleichtert über die Freilassung Racketes. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte der „Rheinischen Post“: „Ich hoffe, dass die Vorwürfe gegen Frau Rackete nun rasch in dem dafür vorgesehenen Verfahren geklärt werden.“ Er erklärte, Menschenleben zu retten sei keine Straftat, sondern ein humanitärer Akt: „Der Fall der ,SeaWatch 3’ macht noch einmal auf dramatische Weise deutlich, dass wir endlich eine europäische Lösung für die Verteilung von Flüchtlingen brauchen.“ Die Vorwürfe gegen Rackete blieben absurd. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, man begrüße die Freilassung.
Der Berliner Bischof Markus Dröge erklärte, Rackete habe mit ihrer Aktion aufgezeigt, dass die Blockade einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik in Europa täglich Menschenleben koste. Die „Sea-Watch 3“ hatte am 12. Juni 53 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet. In der vergangenen Woche hatte Rackete angesichts des Zustands der verbliebenen 40 Flüchtlinge an Bord den Notstand ausgerufen und war in den Hafen von Lampedusa eingefahren. (epd/dpa)

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