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Joseph "Sepp" Blatter, Fifa-Präsident, am 2. Juni 2015 nach seiner Rücktrittsankündigung.

© rtr

Nach dem Rücktritt von Joseph Blatter: Das Diktat der Stunde

Die US-Ermittlungen werden Joseph Blatter den Rückweg verstellen. Er hätte ja sonst noch auf Zeit spielen können, der große Machiavellist. Das wird jetzt nicht mehr gehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Eines darf jetzt nicht passieren, jetzt, nachdem Joseph „Sepp“ Blatter bald Fußballgeschichte ist: dass, frei nach Heinrich Heine, der kleine Despot lächelnd scheidet, weil er weiß, dass die Willkür nur die Hände wechselt. Und ein leises Lächeln hat den scheidenden Fifa-Präsidenten die ganze Zeit begleitet, bis in die vorletzten Stunden seiner Herrschaft. Vorletzte Stunden, weil nun die letzten anbrechen sollen und sich der Weltfußball aus seiner, pathetisch gesprochen, Knechtschaft befreien kann.

Es war eine Knechtschaft, ja, ist sie noch, die sich so definiert: Unterworfen haben sich 209 Verbände, und zwar einem Einzelnen an der Spitze und einer Gruppe, die eine nahezu uneingeschränkte Macht ausübte und zu der es keine Opposition gab. Keine nennenswerte. Bis vor Kurzem – und genau hier liegt die Chance des Rücktritts von Blatter. Die, die sich in die innere Emigration begeben haben, die dachten, es werde sich nichts mehr ändern, die müssen nun hervortreten. Wie gut, dass der englische Verbandschef sich bereits klar positioniert hatte. Klarer als, was man nur bedauern kann, der deutsche.

Der DFB hat seine Führungsrolle als größter Einzelverband der Welt mit sieben Millionen Mitgliedern weder angenommen noch ausgeübt. Auch nicht, als es an der Zeit war und die Zeichen schon auf Wandel standen. Standen. Sage keiner, es hätte nichts beschleunigt, den Wechsel nicht vorangetrieben, wenn der DFB-Präsident sich an die Seite des Engländers gestellt hätte. Dafür muss man wohl ein ausgeprägteres Gefühl für „Sportsmanship“ haben, für das, was ein guter Sportsmann nicht tut oder eben nicht zulässt. So gesehen wird es auch noch eine Diskussion um die Haltung von Wolfgang Niersbach geben. Von Franz Beckenbauer zu schweigen. Sogar Michel Platini war mutiger. Dabei ist er selbst nicht ohne Fehl in diesem Fall.

Die US-Ermittlungen werden Blatter den Rückweg verstellen

Viel wird noch ins Visier der Aufklärer geraten. FBI, neu buchstabiert: Fußball bis in Innere. Was da zutage treten wird, ist nicht heiße Luft, sondern unerträglicher Mief. Die US-Ermittlungen werden Blatter den Rückweg verstellen. Er hätte ja sonst noch auf Zeit spielen können, der große Machiavellist, versuchen können, die kommenden Monate im Amt alle die zu überleben, die demnächst sich noch werden rechtfertigen müssen. Und wer wäre dann geblieben? Nein, Blatter kann nicht bleiben. Sein System war, um die Macht zu sichern, auf die Bedienung niederer Instinkte anderer ausgelegt, auf Gier und Protz. Das darf so nicht weitergehen.

Das wird es auch nicht, wenn die Sponsoren auf sich halten, wenn sie – und sei es merkantil gedacht – nicht in den Ruch fortwährender Korruption geraten wollen. Das schadet ihnen, und sie wissen es. Wahrscheinlich haben die Geldgeber das Blatter auch über das öffentlich Bekannte hinaus wissen lassen. Die Drohung, dass sie sich am Aufräumen beteiligen, kann einer nicht überhören, der behauptet, er tue alles nur aus Liebe zum Fußball. Und so kann es sein, dass Blatter darum wusste und sich nur den bestmöglichen Abgang sichern wollte, nicht als Abgewählter, als vom Hof Gejagter, sondern als der, der bis in die letzten Stunden das große Spiel mitbestimmt.

Die Diktatur ist zu Ende. Abermillionen Fans in aller Welt hoffen jetzt wieder. Im Nachfolger muss sich der Freiheitssinn, den Blatter geweckt hat, ausdrücken: niemandes Herr, niemandes Knecht. Und das Spiel heißt Fußball, nicht Roulette.

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