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Nach dem Schuldenschnitt: Griechenland ist noch nicht über den Berg

Griechenland hat nach dem Schuldenschnitt zwar wieder ein wenig Luft. Die endgültige Rettung ist es für das Land und den Euroraum noch nicht.

Weithin war Erleichterung zu registrieren, nachdem bis Donnerstagabend mehr als 80 Prozent der privaten Gläubiger Griechenlands einem Schuldenschnitt zugestimmt hatten. Doch in die Hoffnung mischten sich Zweifel, ob das schon die ersehnte Heilung der europäischen Schuldenkrise einleitet. Denn in einem sind sich fast alle Beobachter einig: Griechenland ist noch nicht über den Berg.

Wo steht Griechenland nach dem Schuldenschnitt?

Die bisherige freiwillige Beteiligung reicht nicht, um Griechenlands Verschuldung um 107 Milliarden Euro abzubauen – so die von den Euro-Finanzministern und der griechischen Regierung vereinbarte Vorgabe. Um diese Zielmarke zu erreichen, will Finanzminister Venizelos jetzt die Collective Action Clauses (CAC) aktivieren, die Umschuldungsklauseln, mit denen auch unwillige Gläubiger zur Teilnahme an dem Schuldenschnitt gezwungen werden können. Damit würde die Beteiligung 95,7 Prozent erreichen. Das entspräche einem Schuldenschnitt von 105,5 Milliarden Euro. Die Aktivierung der Zwangsklauseln wird nun als Kreditausfall gewertet, und die Ausfallversicherungen werden fällig, was die Bonität des Landes auf längere Zeit belasten und eine Rückkehr an die Finanzmärkte erschweren könnte. Die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) stellte am Freitagabend in London ein so genanntes Kreditereignis fest. Und die Ratingagentur Fitch legte schon mal vor: Sie stufte Griechenland auf „teilweisen Zahlungsausfall“ zurück.

Überdies greifen die Umschuldungsklauseln nicht für Anleihen, die ausländischem Recht unterliegen. Deren Inhaber versucht Finanzminister Venizelos jetzt mit Drohungen ins Boot zu holen. Die Meldefrist zum Umtausch dieser Bonds wird bis 23. März verlängert. Danach würden keine Anreize mehr für den Tausch zur Verfügung stehen. Im Klartext heißt das: Diesen Gläubigern könnte ein Totalverlust drohen. Langwierige rechtliche Auseinandersetzungen wären nach Ansicht von Finanzexperten die Folge. Denn für ihre Rechtssicherheit haben die Inhaber dieser internationalen Papiere einen hohen Preis gezahlt – diese Titel sind doppelt so teuer wie jene, die nach griechischem Recht erworben werden.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, sprach sich am Freitag deutlich gegen einen Umtauschzwang aus. „Das ist das Maximum, das man herausholen konnte“, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Es führe kein Weg daran vorbei, dass die Euro-Länder die noch verbliebene Finanzierungslücke schlössen.

Sollte am Ende doch der angestrebte Schuldenschnitt erreicht werden – wäre Griechenland dann gerettet?

Wenn Finanzminister Venizelos davon spricht, der Schuldenerlass entspreche immerhin der Hälfte des diesjährigen Bruttoinlandsprodukts (BIP), dann stimmt das, ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn während einerseits Verbindlichkeiten von reichlich 105 Milliarden Euro gestrichen werden, kommen andererseits neue Schulden von 130 Milliarden hinzu – die Hilfskredite aus dem neuen Rettungspaket.

Entlastet wird Griechenland zwar beim Schuldendienst, weil die Zinsen der neuen Anleihen und der Rettungskredite niedriger sind als die der alten. Die Einsparung dürfte sich auf etwa vier bis fünf Milliarden Euro im Jahr belaufen. Aber Griechenlands Schulden, die Ende 2011 mit 368 Milliarden Euro rund 170 Prozent des BIP erreichten, werden trotz Schuldenschnitts nur langsam zurückgehen. Im Jahr 2020 soll die Schuldenquote 120,5 Prozent vom BIP erreichen. Das wäre noch doppelt so viel wie die im EU-Stabilitätspakt festgeschriebene Obergrenze von 60 Prozent. Wieso nun plötzlich eine Schuldenquote von 120 Prozent als tragfähig gelten soll, haben bisher weder die EU noch der Internationale Währungsfonds schlüssig erklären können. Griechenland wird durch den Schuldenschnitt nicht gerettet, es gewinnt lediglich Zeit.

Wovon hängt es ab, ob die Rechnung für Griechenland am Ende aufgeht?

Wovon hängt es ab, ob die Rechnung für Griechenland am Ende aufgeht?

Der wichtigste Faktor ist die Konjunktur. Die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts beeinflusst nicht nur direkt die Defizit- und Schuldenquoten, die in Relation zur Wirtschaftsleistung berechnet werden. Die Konjunktur entscheidet auch darüber, ob Griechenland die Vorgaben zur Haushaltskonsolidierung einhalten kann. Die bisherigen Kalkulationen zur Schuldentragfähigkeit unterstellen, dass Athen im Budget ab 2013 kontinuierlich Primärüberschüsse erwirtschaftet. Bleiben diese Überschüsse aus, wird die Schuldenquote ab 2013 nicht mehr fallen, sondern wieder ansteigen und innerhalb eines Jahrzehnts die Marke von 200 Prozent des BIP überschreiten. Griechenland stünde dann trotz Schuldenschnitt und Milliardenkrediten noch schlechter da als heute.

Die EU und die Regierung in Athen erwarteten bisher, dass Griechenland gegen Ende 2013 das tiefe Tal der Rezession hinter sich lässt und auf den Wachstumspfad zurückkehrt. Doch alle Konjunkturprognosen sind mit Vorsicht zu genießen – in der Vergangenheit lagen die Vorhersagen meist krass daneben. So sagte die EU-Kommission für Griechenland noch Mitte 2011 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 3,5 Prozent voraus. Tatsächlich war das Minus doppelt so groß.

Gibt es Anzeichen für einen Aufschwung in Griechenland?

Nein, im Gegenteil. Im vierten Quartal 2011 ging die Wirtschaftsleistung um 7,5 Prozent zurück, statt wie bisher angenommen um sieben Prozent. Die Arbeitslosenquote erreichte im Dezember mit 21 Prozent den höchsten Stand seit Kriegsende. Unter den 14- bis 25-Jährigen ist sogar jeder Zweite ohne Job. Neuere Zahlen hat die staatliche Statistikbehörde noch nicht gemeldet, aber seit Beginn des Jahres dürften die Arbeitslosenzahlen weiter gestiegen sein. Der wirtschaftliche Absturz ist vor allem ein Ergebnis der Auflagen der Troika, die zu einseitig aufs Sparen und zu wenig auf Wachstumsimpulse setzte. Und die Athener Politik ging bei Strukturreformen viel zu zögerlich voran.

Wie haben Märkte und Finanzexperten auf die Nachrichten aus Athen reagiert?

Auf dem Frankfurter Börsenparkett war Erleichterung, aber keine Euphorie zu spüren. Der Deutsche Aktienindex Dax legte nur leicht zu, die Papiere von Deutscher Bank, Commerzbank und Allianz waren nahezu stabil. Der ausgesprochen positiven Einschätzung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, zugleich Präsident des Weltbanken-Verbandes IIF, wollten Börsianer nicht folgen. Ackermann spricht von einem „bedeutenden Beitrag“ zur Lösung der Schuldenkrise und einem „sehr überzeugenden und positiven Resultat“. Eugen Keller, renommierter Marktbeobachter beim Bankhaus Metzler, dagegen nennt es „fast ein wenig zynisch“, von einem Erfolg zu sprechen, zumal dann, wenn es zum Zwangsumtausch komme. Eher müsse man dann von einem „schwarzen Tag“ sprechen. Außerdem verweist Keller auf die weiter steigenden Belastungen für Deutschland, die sich aus dem zweiten Hilfspaket ergeben.

Freilich: Die Gefahren für die Euro-Zone sind nach Ansicht von Börsianern jetzt kleiner geworden. Griechenland werde Euro-Land nicht auseinanderbringen. Der Aktienmarkt werde sich jetzt verstärkt anderen Themen zuwenden.

Welche Risiken bestehen für Kleinanleger?

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) erhob am Freitag erneut die Forderung, Kleinanleger ausdrücklich von einem möglichen Zwangsumtausch und damit vom Schuldenschnitt auszunehmen. Wer allerdings auf Anraten seiner Bank Griechenland-Anleihen gekauft habe, so DSW-Vize-Präsident Klaus Nieding, solle Ansprüche wegen möglicher Falschberatung prüfen lassen. Das Mitleid mit Kleinanlegern, die noch im letzten Jahr griechische Staatsanleihen mit massiven Kursabschlägen gekauft und bei einer kompletten Rückzahlung auf hohe zweistellige Renditen gesetzt haben, hält sich unter Börsianern in Grenzen. Das sei schließlich reine Zockerei gewesen.

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