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Nicht nur die abgegebenen Schulnoten sagen etwas über den Pflegedienst aus.

© dpa

Nach dem Skandal um russische Anbieter: Wie findet man den richtigen Pflegedienst?

Gegen den Abrechnungsbetrug in der Pflege will die Regierung härter vorgehen. Die Auswahl eines ambulanten Anbieters bleibt trotzdem schwierig. Ein paar Tipps.

Das Bundesgesundheitsministerium will Abrechnungsbetrug in der Pflege härter verfolgen. Patienten müssten sicher sein können, dass die Kassenmittel tatsächlich für ihre Pflege eingesetzt würden. Demnächst soll es dazu Gespräche mit den Landesministerien und den gesetzlichen Krankenkassen geben. Wie berichtet, war am Wochenende erneut bekannt geworden, dass den Sozialkassen durch betrügerische Abrechnungen deutsch-russischer Pflegedienste hohe Schäden von bis zu einer Milliarde Euro im Jahr entstehen. Immer wieder waren in Berlin betrügerische Dienste ins Visier von Bezirksämtern und Krankenkassen geraten. Beim Berliner Landeskriminalamt gibt es ein eigenes Kommissariat für die Pflegebranche.

In der Branche selbst werden nun „Pauschalisierungen und Skandalisierungen“ befürchtet. Der Berufsverband für Pflegeberufe DBfK forderte eine rasche Aufklärung, teilte aber mit: „Mit pauschalen Vorwürfen gegen die gesamte Branche kommen wir jedoch nicht weiter.“ Im Abstand von Monaten gingen Skandalmeldungen durch die Medien, nötige Differenzierung blieben aus. Zudem fehlten Schwestern und Pflegern der Schutz des Whistleblower-Gesetzes; interne Hinweisgeber müssten mit Repressalien rechnen. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BpA) erklärte, massenhaft kriminelles Verhalten sei nur möglich, „wenn Angehörige, Pflegebedürftige und Pflegedienste in betrügerischer Absicht zusammenwirken“.

Alle Leistungen müssen von den Pflegebedürftigen und den Mitarbeitern der Dienste täglich abgezeichnet und der Kasse monatlich mit der Rechnung vorgelegt werden. Der BpA vertritt mehr als 9000 Mitgliedseinrichtungen und hat diese auf die Beachtung der gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften verpflichtet.

Doch für die Betroffenen stellt sich trotzdem weiter die Frage, wie sie den richtigen Anbieter finden sollen. Es gibt in Deutschland tausende Pflegedienste, meist sind es mittelständische oder Kleinstunternehmen. Einen guten und seriösen Pflegedienst zu finden, ist für Pflegebedürftige und deren Angehörige nicht leicht. Zwar werden die Pflegedienste regelmäßig von den Pflegekassen kontrolliert und mit Schulnoten bewertet. Diese sogenannten Transparenzberichte kann man auch in diversen Suchportalen beispielsweise der Pflegekassen recherchieren. Doch haben die Endnoten für die Qualität wenig mit den Urteilen von Warentestern gemein.

Denn fast immer lautet die Gesamtnote „gut“ oder meist sogar „sehr gut“. Aber auch wenn die Gesamtnote wenig aussage, könne ein Blick in die Details der Transparenzberichte eine Orientierung bieten, sagt Jürgen Brüggemann, Experte beim Spitzenverband der für die Schulnoten zuständigen Prüfdienste der Pflegekassen (MDS). Besonders die Teilnoten für „Pflegerische Versorgung“ und „Ärztlich verordnete pflegerische Leistungen“ hätten eine gewisse Aussagekraft. „Wenn hier eine Note 2,5 oder schlechter steht, ist das ein Warnsignal“, sagt Brüggemann.

Erst mal kennen lernen

Aber es geht bei der Auswahl des geeigneten Pflegedienstes nicht nur um die Aussagekraft einer Schulnote. Man sollte mehrere Dienste persönlich kennenlernen und dann entscheiden, rät Brüggemann. Wichtig sei, dass der Pflegedienst einen Ansprechpartner für den Pflegebedürftigen benenne, ein kleines, überschaubares Team die Pflege leiste und der Dienst rund um die Uhr erreichbar sei. Außerdem sollte er breit aufgestellt sein, also zum Beispiel auch eine Speisenversorgung und andere Dienstleistungen anbieten, die man im Falle eines Falles in Anspruch nehmen könne.

Hat man eine Vorauswahl von Pflegediensten getroffen, die geeignet erscheinen, lässt sich ein in der Regel kostenloser Beratungstermin mit ihnen vereinbaren. Eine transparente Pflegeeinrichtung legt bereits bei diesem ersten Termin zum Kennenlernen den Pflegevertrag vor, damit der Interessent sich mit den vertraglichen Rahmenbedingungen in Ruhe vertraut machen kann. Der Dienst berate transparent über die Kosten der Pflege, über die Zuzahlungen, die der Pflegebedürftige zahlen müsse, und auch über verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten, sagt Experte Brüggemann.

„Dabei sollte man gleich alle persönlichen Wünsche wie seine Erwartungen bei einer speziellen Ernährungsform oder einer vorliegenden Erkrankung angeben, um zu erfragen, wie gut sich der Pflegedienst darauf einstellen kann“, sagt Hans-Joachim Wasel, der Sprecher des Fachausschusses Ambulante Dienste von der Freien Wohlfahrtspflege in Berlin und Fachreferent Altenhilfe bei der Berliner Caritas ist, die selbst ambulante Pflegedienste betreibt.

Wichtig ist der persönliche Eindruck auch, um zu erkennen, wie der Pflegebedürftige mit dem Personal klarkommen wird. Wie ist der Umgang miteinander, vor allem auch bei sehr privaten Situationen, beispielsweise im Badezimmer? Die Chemie muss einfach stimmen – und das ist erst dann beurteilbar, wenn man die Pflegedienstleistung selbst erlebt hat.

Einer solch persönlichen Vorstellung würden sich seriöse Anbieter gerne stellen, sagt Olaf Bentlage, Pressesprecher des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, in dem viele Pflegedienste organisiert sind.

Denn es geht darum, ob man Vertrauen zum Dienst aufbauen kann. Hat man sich dann für einen Dienst entschieden, sollte man einen Besuchstermin ausmachen, bei dem auch die beauftragenden Angehörigen dabei sind. So können sie mitverfolgen, was bei den einzelnen Pflegebesuchen geschehen wird. Ein guter Pflegedienst darf bei dem vertraulichen Umgang mit einem pflegebedürftigen Menschen vor dessen Angehörigen nichts zu verbergen haben, sagt Caritas-Fachreferent Wasel.

Für welche Aufgaben der Pflegedienst zu Hause zuständig sein soll, wird im Pflegevertrag schriftlich vereinbart. Er wird am Anfang unterschrieben – aber jedes Mal neu aufgesetzt, wenn sich eine Pflegestufe erhöht hat oder wenn man etwas an den Dienstleistungen ändern möchte.

Informationen rund um die Pflege bietet das Magazin „Pflegeheime Berlin 2015/2016“. Es kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel-Shop unter Telefon 030 29021-520.

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