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Bewaffnete Zusammenstöße unter Kurden. Szene in der kurdischen Stadt Diyarbakir.

© AFP

Nach den Wahlen in der Türkei: Drei Tote bei Gewalt zwischen Kurden

Nach den Wahlen in der Türkei ist es in der HDP-Hochburg Diyarbakir zu tödlichen Zusammenstößen zwischen verfeindeten kurdischen Gruppen gekommen. Für die regierende Partei AKP ist kein Koalitionspartner in Sicht.

Nach dem Wahlerfolg der pro-kurdischen HDP in der Türkei kam es in der Kurdenmetropole Diyarbakir zu tödlichen Zusammenstößen verfeindeter Gruppen. Ein Polizist vor Ort sagte einem dpa-Reporter, drei Menschen seien getötet worden. Vier Journalisten seien verletzt worden.

Zunächst hätten Unbekannte den Chef der kurdisch-islamistischen Hilfsorganisation Ihya-Der, Aytac Baran, vor seinem Haus erschossen, teilte das Innenministerium mit. Bei einem anschließenden Schusswechsel seien zwei weitere Menschen getötet worden. An den Zusammenstößen waren Anhänger der Kurdenpartei HDP beteiligt, die am Sonntag bei der Parlamentswahl triumphiert hatte.

Das tödliche Attentat löste schwere Zusammenstöße zwischen Barans Anhängern und Anhängern der HDP aus, bei denen laut Innenministerium zwei Menschen getötet wurden. Über deren Identität wurden zunächst keine Angaben gemacht. Zunächst hatten Krankenhausmitarbeiter von insgesamt vier Todesopfern gesprochen. Die HDP verurteilte das Attentat auf den Chef der Organisation.

Kein Koalitionspartner für AKP

Nach dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit bei der Parlamentswahl in der Türkei ist für die islamisch-konservative AKP kein Koalitionspartner in Sicht. Der Chef der größten Oppositionspartei CHP, Kemal Kilicdaroglu, sagte CNN Türk nach Angaben des Senders in einem Telefonat: „Das Volk sagt: Einigt euch, aber in diesem Bild gibt es keine AKP.“ Die ultrarechte MHP kündigte für Mittwoch Beratungen an. Der Vorsitzende der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, bekräftigte am Dienstag: „Wir werden uns an keiner Koalition beteiligen, in der die AKP vertreten ist.“ Die AKP kam am Dienstag zu Beratungen in Ankara zusammen. Über Ergebnisse wurde zunächst nichts bekannt.

Die Regierung ist protokollgemäß zurückgetreten, bleibt aber kommissarisch im Amt

Zwei Tage nach dem Wahldebakel trat AKP-Chef Ahmet Davutoglu in einer Routineprozedur von seinem Amt als Ministerpräsident zurück. Davutoglu bleibt aber auf Bitten von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kommissarischer Ministerpräsident bis zur Bildung einer neuen Regierung.

Nach mehr als zwölf Jahren an der Macht verlor die AKP bei der Wahl am Sonntag ihre absolute Mehrheit. Sie braucht nun einen Koalitionspartner, um regieren zu können. Auch die drei im künftigen Parlament vertretenen Oppositionsparteien haben gemeinsam ausreichend Sitze, um eine Koalition zu bilden. Sie verfolgen in wichtigen Fragen allerdings unterschiedliche Ziele. Sollte es im neuen Parlament nicht innerhalb von 45 Tagen gelingen, eine Mehrheit für eine Regierung zu finden, kann Präsident Erdogan Neuwahlen ausrufen.

Die Stimmenverluste der AKP wurden als Niederlage auch für Erdogan gewertet. Er hatte sich massiv in den Wahlkampf eingemischt, obwohl die Verfassung dem Staatspräsidenten Neutralität vorschreibt. Erdogan warb dabei für das von ihm und der AKP angestrebte Präsidialsystem mit ihm selber an der Spitze. Demirtas sagte dem US-Sender CNN, das Volk habe dem Präsidenten nun die „Rote Karte“ gezeigt.

Nach vorläufigen inoffiziellen Ergebnissen kam die AKP auf 40,9 Prozent der Stimmen - 2011 waren es fast 50 Prozent. Die Wähler erteilten damit auch dem Ziel der AKP eine Absage, eine Verfassungsänderung für Erdogans Präsidialsystem auf den Weg zu bringen. Die Mitte-Links-Partei CHP gewann 25 Prozent, die MHP 16,3 Prozent. Die HDP lag mit 13,1 Prozent deutlich über den Erwartungen und schaffte den Sprung über die Zehn-Prozent-Hürde. (dpa)

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