zum Hauptinhalt
Anhänger der rechtsextremen Partei "Goldene Morgenröte" feiern die Wahlergebnisse.

© dpa

Update

Nach den Wahlen in Griechenland: Erster Anlauf zur Regierungsbildung gescheitert

Die griechischen Bürger haben ihre politische Führung abgestraft. Rechts- und linksextreme Parteien ziehen ins Parlament ein, der erste Versuch einer Koalitionsbildung ist bereits gescheitert. Was folgt jetzt?

Eine „Nacht des Schreckens“ hatte die Sonntagszeitung „Proto Thema“ ihren Lesern angekündigt, Griechenland drohe „unregierbar“ zu werden. Die düstere Vorahnung sollte sich bewahrheiten. Gebannt verfolgten Millionen Griechen bis in die frühen Morgenstunden vor den Fernsehern den Zusammenbruch ihrer politischen Ordnung.

Wie steht es um die Mehrheiten?

Nichts ist, wie es war in Griechenland – und keiner scheint zu wissen, was nun werden soll. In Athen bahnt sich ein politisches Chaos an. In den ersten Hochrechnungen hatte sich noch eine knappe Mehrheit der Mandate für die beiden Traditionsparteien abgezeichnet, Konservative und Sozialisten, die zuletzt den Sparkurs gemeinsam stützten. Aber je mehr Stimmen ausgezählt wurden, desto schneller schmolz diese Mehrheit dahin. Am brutalsten traf die Wut der Wähler die Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok), die das Land vom Oktober 2009 bis zum November 2011 allein regierte. Sie verlor mehr als zwei Drittel ihrer Wähler, stürzte von 44 auf 13 Prozent ab.

Nicht viel besser erging es der konservativen Nea Dimokratia (ND). Sie ging zwar als stärkste Partei aus der Wahl hervor, aber von Stärke kann man angesichts eines Stimmenanteils von 19 Prozent eigentlich nicht sprechen.

Der Sieger des Wahlabends heißt Alexis Tsipras. Der erst 36-Jährige führt das „Bündnis der radikalen Linken“ (Syriza), das seinen Stimmenanteil gegenüber 2009 mehr als vervierfachte und mit fast 17 Prozent zweitstärkste Partei wurde. Tsipras kommt aus der griechischen Studentenbewegung. Seine politischen Aussagen sind widersprüchlich: Einerseits möchte er an Griechenlands Mitgliedschaft in der Währungsunion und der EU festhalten, andererseits will er den Schuldendienst einseitig einstellen und die Verträge über die Hilfskredite aufkündigen. Tsipras kündigt Verstaatlichungen und Masseneinstellungen im Staatsdienst an. Wie sich das alles miteinander vereinbaren lässt, hat er im Wahlkampf nicht verraten. Aber das ist ein Dilemma, mit dem viele Menschen hadern: In Umfragen lehnen acht von zehn Griechen den Sparkurs ab. Fast ebenso viele wollen aber den Euro behalten.

Wie geht es jetzt weiter?

Am Montag erteilte Staatspräsident Papoulias dem konservativen Parteichef Antonis Samaras den Auftrag, die Möglichkeiten einer Regierungsbildung zu sondieren. Aber bereits wenige Stunden, später gab dieser den Auftrag an Staatspräsident Papoulias zurück. „Wir haben alles versucht, aber es war unmöglich“, sagte Samaras, der mit allen Parteien gesprochen haben soll. Damit ist der erste Anlauf zur Regierungsbildung gescheitert. Und die Unregierbarkeit Griechenlands rückt näher. Der Präsident wird das Mandat am Dienstag Alexis Tsipras als Führer der zweitgrößten Parlamentspartei übertragen. Doch dessen Erfolgsaussichten werden als gering eingestuft.

Tsipras will sich um die Bildung einer Linkskoalition bemühen. Er versuchte bereits vor der Wahl, Aleka Papariga zu ködern, die Chefin der stalinistischen Kommunistischen Partei, die das Parlament abschaffen und die Diktatur des Proletariats ausrufen will: Tsipras bot ihr den Posten der Ministerpräsidentin an. Papariga lehnte dankend ab. Sie will keine Regierung, sondern eine Revolution. Aber Tsipras setzt auf den Druck der Straße: Wenn es im Plenarsaal nicht für eine Mehrheit reicht, will er eine halbe Million Anhänger vor dem Parlament aufmarschieren lassen. „Dann werden wir ja sehen, ob wir das Vertrauensvotum gewinnen.“

Spar-Parteien verpassen knapp die Mehrheit

Vor der Wahl hatte der Konservative Samaras eine Fortsetzung der Koalition mit den Sozialisten strikt abgelehnt. Jetzt hätte er sie wohl gern gehabt. Aber es reicht nicht. Zusammen kommen die beiden Spar-Parteien nur auf 149 der 300 Mandate. Rechnerisch hätte Samaras eine Koalition bilden können, wenn er neben den Sozialisten zum Beispiel die 33 Abgeordneten der Partei „Unabhängige Griechen“ (AE) für eine Regierungsbeteiligung hätte gewinnen können – aber politisch? Der AE-Chef Panos Kammenos steuert einen ultranationalistischen Kurs. Er will die Banken verstaatlichen, dem Internationalen Währungsfonds den Stuhl vor die Tür setzen und Griechenlands Finanzproblem mit deutschen Reparationszahlungen für die Nazi-Besatzung im Zweiten Weltkrieg lösen.

Politisch wäre als dritter Partner am ehesten die Partei „Demokratische Linke“ in Frage gekommen. Ihr Chef Fotis Kouvelis ist eine Art politisches Urgestein der nichtkommunistischen Linken, der es jedoch ablehnt, sich an einer Koalition mit ND und Pasok zubeteiligen.

Wie treten die Rechtsextremen auf, die es auch ins Parlament geschafft haben?

Einen Vorgeschmack dessen, was auf das Land zukommen könnte, bekamen Journalisten am Sonntagabend bei der Pressekonferenz der neofaschistischen Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte). Die Partei kam auf sieben Prozent und wird mit 21 Abgeordneten im neuen Parlament sitzen. „Aufstehen, der Führer kommt“, dröhnte es aus den Lautsprechern, als Nikos Michaloliakos den Saal betrat, der Parteichef. Weil die Journalisten sich nicht von ihren Plätzen erhoben und den Hitlergruß verweigerten, den die Anhänger der Partei ihrem Führer entbieten, wurden sie von schwarz gekleideten Ordnern unsanft aus dem Saal befördert.

Ganz ohne Medien wollte Michaloliakos seinen Sieg aber auch nicht feiern. Deshalb durften einige ausländische Reporter im Saal bleiben. Sie erzählten ihren griechischen Kollegen anschließend, wie es war: „Veni, vidi, vici“, erklärte Michaloliakos, ich kam, ich sah, ich siegte – der Führer in der Pose eines römischen Imperators. „Der Kampf geht weiter, innerhalb und außerhalb des Parlaments“, rief der Parteichef, „wir kommen!“ Ältere Griechen erinnern sich noch aus der Zeit der deutschen Besatzung an den Hitlergruß. Jetzt werden sie ihn wohl im Parlament sehen.

Zur Startseite