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 Annegret Kramp-Karrenbauer ist neue CDU-Chefin. Friedrich Merz ist es nicht.

© Odd Andersen/AFP

Nach der CDU-Vorstandswahl: Wohin mit Friedrich Merz?

Die Hälfte des Parteitags wollte Friedrich Merz als CDU-Chef – die neue Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer muss ihn jetzt einbinden. Nur wie?

Von Robert Birnbaum

Am Tag nach der Niederlage zeigt Friedrich Merz, was wenige wissen: Dass er selbstironisch sein kann. Am Samstagabend verleiht die Atlantik-Brücke der kanadischen Außenministerin Chrystia Freeland einen Preis für ihr Engagement für das Freihandelsabkommen Ceta. Merz ist Vorsitzender der organisierten Transatlantiker, er begrüßt die Gäste zum Gala-Diner. „Die einzige Möglichkeit, es pünktlich hierher zu schaffen, war, meine Konkurrentin gewinnen zu lassen“, scherzt Merz. Es scheint, der unterlegene Kandidat kommt über die eigene Niederlage weit leichter hinweg als seine schwer enttäuschten Anhänger.

Tatsächlich hätte er zum Groll auch keinen Anlass. Nach eineinhalb Jahrzehnten am Spielfeldrand aus dem Stand als Chef der größten Volkspartei und künftiger Kanzler in Frage zu kommen, ist für sich schon eine große Leistung. Knapp zu unterliegen ist erst recht keine Schande. „Er war, glaube ich, sehr gelassen“, berichtet denn auch Paul Ziemiak.

Der neue Generalsekretär hat am Sonntag früh mit Merz telefoniert, von Sauerländer zu Sauerländer. „Er hat der CDU ein Angebot gemacht“, beschreibt Ziemiak kurz danach im Deutschlandfunk dessen Haltung im Rückblick, „und dieses Angebot ist ganz knapp nicht angenommen worden vom Parteitag“. Unter den Mitgliedern hätte er wohl eine Mehrheit bekommen, aber die Spielregeln seien ja nicht extra neu erfunden worden: Am Ende entscheiden in der Parteiendemokratie die Delegierten.

Weit größere Probleme als der Kandidat selbst, das Ergebnis zu verdauen, haben Merz’ Anhänger. Viele von ihnen haben die Konkurrenz der drei Bewerber weniger als normalen demokratischen Wettbewerb empfunden denn als Richtungskampf um Richtig oder Falsch. Konservative und Wirtschaftsleute haben in den letzten Jahren zunehmend das Gefühl kultiviert, sie seien eine unterdrückte heimliche Mehrheit, die Angela Merkels Kurs nur widerwillig um der Geschlossenheit willen mittrug. Als Merz auftauchte, sahen sie die Zeit für Genugtuung gekommen. Das Scheitern ihres Helden trifft sie doppelt hart, zeigt es doch auch: Die eindeutige Mehrheit sind sie eben doch nicht.

Merz gibt sich locker - aber der Frust seiner Anhänger ist ein Problem

Für Annegret Kramp-Karrenbauer und ihren neuen General ist dieser Frust ein echtes Problem. Aber auch die Anführer der unterlegenen Hälfte haben kein Interesse daran, dass ihre Truppen sich zornig abwenden. Die Europawahl im Mai kommt schnell. Sie bestimmt mit darüber, ob Deutschland das Bollwerk Europas gegen Auflösung und Populismus bleiben kann, und sie prägt Stimmungen für die Ost-Landtagswahlen im Herbst.

Kramp-Karrenbauer und Ziemiak versprechen denn auch, dass es kein Weiter so geben soll, sondern in wichtigen Fragen einen neuen Kurs. Die Chefin bekräftigte in ersten Interviews ihre Ankündigung, im Frühjahr in einem „Werkstattgespräch“ Befürworter und Kritiker der Flüchtlingspolitik zusammen zu bringen. Herauskommen soll eine Art befriedender Konsens darüber, was seit 2015 richtig und was falsch gelaufen ist. Das neue Führungsduo verbindet damit die Hoffnung, dass der Blick in die Vergangenheit aufhört, die Diskussion in der Union zu prägen, und man sich auch in der Migrations- und Integrationspolitik den Aufgaben der Gegenwart und Zukunft zuwenden kann.

Die erste Hürde auf dem Weg zur Versöhnung der Verbitterten liegt freilich viel näher, und sie ist viel schwerer zu nehmen: Wohin mit Friedrich? Der Chef der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, hatte schon auf dem Parteitag gefleht: „Lieber Friedrich, bleib’ bitte bei uns! Friedrich, wir brauchen dich!“ Der hatte nämlich, als ihn die neue Chefin kurz nach dem Wahl-Krimi noch einmal auf die Bühne bat, eher wie ein Reisender am Flugsteig geklungen: War ’ne spannende Zeit, hat Spaß gemacht, ruft mich demnächst gerne an, wenn ihr mal wieder etwas von mir wollt. Man hörte sozusagen draußen vor der Hamburger Messehalle schon den Propeller anlaufen.

Die CDU ist einfach noch nicht reif für einen männlichen Vorsitzenden :-)

schreibt NutzerIn Al.Dente

Vielleicht hat Ziemiak Recht, der die spontane Reaktion nicht überbewerten will. Dann ist aber erst recht offen, wie eine Einbindung aussehen kann, die der Stärke seines Unterstützer-Lagers symbolisch gerecht wird. „Das ist ja keine zu vernachlässigende Minderheit“, sagt jemand aus der Parteispitze, „das war die Hälfte des Parteitags!“ Merz jetzt bloß die Leitung irgendeiner Komission anzudienen verbiete sich von selbst; zu schweigen von Kramp-Karrenbauers frechem Einwurf aus den ersten Tagen des Dreier-Wettbewerbs, der Erfinder der Bierdeckel-Steuerreform könne ja eine zeitgemäße Version als Smartphone-App entwickeln. Merz hatte sich dafür mit dem Vorschlag revanchiert, AKK könne ja unter ihm dann erst mal Generalin bleiben. Ernst gemeint waren beide bissigen Neckereien ziemlich offenkundig nicht.

Merz als neuer Wirtschaftsminister?

Aber was dann? Auf das Angebot, ein Wahlamt im Parteipräsidium zu übernehmen, ist Merz nicht eingegangen. Dann bliebe als sichtbares Fanal eigentlich nur ein Ministerposten. Und da wiederum steht im Dreieck der Koalitionsparteien der CDU nur einer zur Verfügung, der ernsthaft in Frage käme: Das Wirtschaftsministerium, das historische Haus Ludwig Erhards.

Merz-Fans in Baden-Württemberg trommeln schon dafür. Ziemiak findet generell, jetzt sollte nach dem aufregenden Rennen erst mal etwas Zeit vergehen lassen, und kommentiert die konkrete Forderung ziemlich zurückhaltend: „Also ich finde, jede Idee ist überlegenswert, die dann am Ende eben dazu führt , dass alle sichtbar sind.“ Er habe mit Merz selbst über dessen Zukunft aber nicht gesprochen – das müsse auf gleicher Augenhöhe geschehen, also mit der Vorsitzenden. Kramp-Karrenbauer hat ein zeitnahes Gespräch angekündigt; wann es stattfindet, war am Wochenende unklar.

Für die Saarländerin ist die Lage gleich mehrfach knifflig. Erstens ist der amtierende Wirtschaftsminister Peter Altmaier ihr Landsmann. Zweitens hatte die CDU im Minister-Lotto am quälenden Ende der mühsamen Koalitionsverhandlungen sonst nur noch Kabinettsposten erhalten, die für Merz gar nicht und als Alternative für Altmaier nur schwer in Frage kommen: Verteidigung? Landwirtschaft? Bildung? Im Gesundheitsministerium sitzt ohnehin fest der Dritte im Wettstreit, Jens Spahn. Denkbar wäre allenfalls ein Ausweichschritt – zum Beispiel ein Kommissarposten in Europa.

So oder so müsste die Kanzlerin mitspielen. Und schließlich müsste Merz selber sich so einen Job antun wollen. Minister in einer labilen Koalition zu sein, ist schließlich auch keine einfache Aufgabe. Reiht sich der 63-Jährige in die Koalitionsdisziplin ein, steht er in Gefahr, seine größten Fans zu enttäuschen. Täte er es nicht, könnte genau das herauskommen, was der Parteitag gerade nicht wollte: Wieder nur Streit in der Regierung. Vielleicht kann Friedrich Merz seiner CDU ja den größten Dienst tun, wenn er auf Ämter und Würden verzichtet – und die anderen ihn rufen, wo immer sie ihn dringend brauchen können.

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