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Eine Statue des griechischen Philosophen Platon in Athen

© dapd

Nach der Griechenland-Wahl: Hellas besinnt sich

Der konservative Wahlsieger Samaras hat seine Regierung grundsätzlich zusammen. Athen bleibt im Euro, will aber die Sparauflagen lockern. Doch die Verhandlungen mit der EU dürften schwierig werden.

Griechenland steht offenbar kurz vor der Bildung einer neuen Regierung. Geführt werden soll sie von Antonis Samaras, dem Chef der konservativen Nea Dimokratia (ND), die aus der Wahl vom vergangenen Sonntag mit 29,7 Prozent als stärkste Partei hervorgegangen war. Samaras setzte am Dienstag seine Koalitionssondierungen mit den Führern der sozialistischen Pasok, der drittstärksten Partei, und der gemäßigten Demokratischen Linken (Dimar) fort.

„Unsere Ansichten liegen nahe beieinander“, sagte Pasok-Chef Evangelos Venizelos. Der Dimar-Vorsitzende Fotis Kouvelis bestätigte: „Der Prozess gewinnt an Fahrt.“ Er dämpfte aber die Hoffnung auf eine Regierungsbildung noch am Dienstagabend. „Es wird eine Regierung geben, aber ich weiß nicht, ob noch heute“, sagte Kouvelis. Er erwarte spätestens bis zum Ende der Woche eine Einigung.

Die drei Parteien verfügen zusammen über 179 der 300 Mandate im neuen Parlament. Die Vorstellungen von ND, Pasok und Dimar liegen nicht weit auseinander: Sie hatten sich im Wahlkampf grundsätzlich zur Fortsetzung des Konsolidierungsprogramms bekannt, wollen aber mit der EU über eine Lockerung der Sparauflagen verhandeln. Die Verhandlungen darüber dürften schwierig werden. Ganz oben auf dem Athener Wunschzettel steht eine Streckung des Konsolidierungsprogramms: Griechenland will mehr Zeit für die Umsetzung der Sparauflagen.

Bildergalerie: Reaktionen auf die Wahl in Griechenland

Bisher war vereinbart, dass Athen das Haushaltsdefizit bis 2014 auf 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) drückt. Angesichts des unerwartet steilen Absturzes der griechischen Wirtschaft, die in diesem Jahr voraussichtlich um mindestens sechs Prozent schrumpfen und frühestens 2014 wieder wachsen wird, ist dieses Ziel kaum erreichbar. Der zusätzliche Einsparungsbedarf von mindestens 13,3 Milliarden Euro würde Griechenlands Wirtschaft völlig abwürgen.

Deshalb gibt es auch bei der EU-Kommission und im Kreis der Euro-Finanzminister Überlegungen, das Anpassungsprogramm zu strecken, und zwar um ein bis zwei Jahre. Ein Problem aus Sicht der EU ist, dass damit das langfristige Ziel in Gefahr geraten könnte, wonach Griechenland seine Schuldenlast bis 2020 unter 120 Prozent vom BIP drücken soll. Nur dann gilt nach Lesart der EU die nachhaltige Schuldentragfähigkeit des Landes als gesichert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt "Rabatte" für Griechenland bislang kategorisch ab. Doch eine Anpassung des Programms könne auch sie nicht verhindern, sagte ein hochrangiger EU-Vertreter in Brüssel. Der politische Stillstand in Griechenland mache eine Neuverhandlung der Sparvereinbarungen mit den internationalen Gläubigern unumgänglich. Alles andere sei „wahnwitzig“. Die wirtschaftliche Lage in Griechenland habe sich deutlich schlechter entwickelt als erwartet. Die EU-Kommission erwartet, dass die Wirtschaftsleistung 2012 um knapp fünf Prozent sinken wird; 2011 betrug der Rückgang knapp sieben Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt bei 25 Prozent.

Nach Außenminister Guido Westerwelle (FDP) schloss am Dienstag FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle einen zeitlichen Aufschub ebenfalls nicht mehr aus. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), lehnte eine Lockerung der Sparauflagen dagegen ab. „Es gibt keine Veranlassung, Griechenland das Signal zu geben, sie hätten weniger Anstrengungen zu leisten“, sagte er im RBB.

Wo Samaras auf Granit beißen dürfte

Auf Granit beißen wird Samaras, wenn er versuchen sollte, die bereits beschlossenen Arbeitsmarktreformen zurückzudrehen und die Absenkung des Mindestlohns wieder rückgängig zu machen. Diese Maßnahmen seien unverzichtbar für die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft, deshalb könne es darüber keine Diskussion geben, heißt es in Kreisen der Troika. Immerhin – und das unterscheidet Samaras von dem radikallinken Euro-Schreck Alexis Tsipras – will der ND-Chef an den vereinbarten Strukturreformen festhalten. Während der Ex-Kommunist Tsipras große Teile der griechischen Wirtschaft verstaatlichen wollte, bekennt sich Samaras zum Privatisierungskurs.

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Das radikale Linksbündnis Syriza, das bei der Wahl mit 26,9 Prozent zweitstärkste Partei wurde, will sich nicht an einer Regierung beteiligen, sondern in die Opposition gehen. Syriza hatte im Wahlkampf eine einseitige Annullierung der Kreditverträge mit der EU und die Einstellung des Schuldendienstes angekündigt. Das hätte vermutlich den Bruch mit Europa bedeutet. Einigkeit sei bei den Koalitionssondierungen bereits darüber erzielt worden, dass ND-Chef Samaras die neue Regierung führen werde, hieß es in Parteikreisen. Samaras habe vorgeschlagen, etwa ein Drittel der Kabinettsposten mit außerparlamentarischen Technokraten zu besetzen. Das finde bei den beiden anderen Parteiführern Zustimmung, hieß es.

Dimar-Chef Kouvelis macht ohnehin zur Bedingung, dass der Regierung keinesfalls Politiker angehören dürfen, die in der Vergangenheit in Skandale verstrickt waren oder durch Korruptionsvorwürfe belastet sind. Kouvelis fordert auch, die strafrechtliche Immunität für Parlamentarier und Minister abzuschaffen, die Abgeordnetendiäten und Ministergehälter zu kürzen, die staatliche Parteienfinanzierung zu halbieren und die Vermögensverhältnisse aller Regierungsmitglieder sowie der leitenden Staatsbeamten rückwirkend bis 1974 zu durchleuchten. Die griechischen Politiker stehen bei den Koalitionsgesprächen unter großem Zeitdruck. Seit das Parlament Mitte April aufgelöst wurde, ist das Land politisch weitgehend gelähmt. Die Finanzlage ist prekär: Der Staat könnte schon im Juli keine Renten und Gehälter mehr zahlen, wenn die EU nicht bis Ende Juni geplante Kreditraten von rund 8,6 Milliarden Euro überweist. Als Voraussetzung dafür gilt aber die Bildung einer handlungsfähigen Regierung.

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