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Politik: Nach der Reform ist vor der Reform

Am Freitag wird die Unternehmensteuerreform verabschiedet – und schon werden Änderungen verlangt

Von Antje Sirleschtov

Die Auswirkungen der Unternehmensteuerreform auf die Wirtschaft sollen schon im kommenden Jahr überprüft werden. Das kündigte der CSU-Finanzpolitiker Georg Fahrenschon an. Wenige Tage, bevor die große Koalition das Steuerreformgesetz im Bundestag verabschieden will, stellt die Union damit der Wirtschaft gesetzliche Änderungen in Aussicht, wenn die Reform nachteilige Auswirkungen zeigen sollte. „Unter den gegebenen Umständen“ könne die Union „zufrieden, aber nicht euphorisch“ mit dem Gesetz sein, sagte Fahrenschon dem Tagesspiegel. Insbesondere gelte das für die Zinsschranke, mit der Betriebe daran gehindert werden sollen, ihre Gewinne ins Ausland zu verlagern, aber auch für die Bürokratiekosten, die wahrscheinlich auf die Betriebe zukämen. Auch die Steuerexperten der großen Industrieverbände, BDI und DIHK, beteuerten, eine Überprüfung der neuen gesetzlichen Regelungen im kommenden Jahr sei „unumgänglich“, da man mit negativen Auswirkungen auf die Unternehmen rechne.

Am Freitag wird der Bundestag das Steuerreformgesetz mit den Stimmen von Union und SPD verabschieden. Obwohl die Reform wegen der Milliarden- Steuerentlastung der Unternehmen vor allem in der SPD kritisch gesehen wird, wird mit einer Verabschiedung des Gesetzes gerechnet. Die Unternehmen müssen danach von 2008 an geringere Körperschaftsteuersätze zahlen, im Gegenzug allerdings verschlechtern sich die Möglichkeiten für sie, mit Gewinnen und Verlusten grenzüberschreitend zu jonglieren, um Steuern zu sparen. Vor allem SPD- Linke kritisieren, dass die erwarteten Steuerausfälle von rund fünf Milliarden Euro Steuergeschenke an die Unternehmen seien, die man nicht rechtfertigen könne. Demgegenüber fürchten Unionspolitiker, die neuen gesetzlichen Regelungen zur Steuererrechnung könnten Betriebe belasten und Arbeitsplätze kosten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstrich am Wochenende die Notwendigkeit der Unternehmensteuerreform in einer Videobotschaft. Bisher sei Deutschland „mit den höchsten Steuern“ für Unternehmen nicht verlockend, sagte sie. „Wir wollen, dass ausländische Unternehmen nach Deutschland kommen und hier investieren. Und wir wollen, dass deutsche Unternehmen in Deutschland Steuern zahlen. Das ist notwendig, um bei uns möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und neue hinzuzubekommen.“

In einem Brief an die SPD-Fraktionsmitglieder prophezeite der SPD-Finanzexperte Joachim Poß, dass die Belastung des Fiskus durch die Unternehmensteuerreform geringer ausfallen könnte als die veranschlagten fünf Milliarden Euro. Bei der Berechnung der Entlastung der Firmen seien einige positive Effekte nicht berücksichtigt worden, teilte Poß mit. Außerdem lasse die jüngste Steuerschätzung vermuten, dass über Körperschaft- und Gewerbesteuer mehr Geld eingenommen werde als noch im März unterstellt. Es sei deshalb anzunehmen, das die „Dellen“ im Steueraufkommen durch die Unternehmensteuerreform „in noch kürzeren Zeiträumen überwunden sein dürften“.

Um die Kritiker der Unternehmensteuerreform zu besänftigen, will die Koalition auf Wunsch der SPD parallel zu der Reform einen Entschließungsantrag zur Erbschaftsteuer verabschieden, mit dem die SPD eine höhere Belastung großer Vermögen erreichen will. Nach wochenlangem Streit hatten sich Union und SPD auf einen Kompromiss in dieser Frage verständigt. Über Modelle, nach denen die Erbschaftsteuer in Zukunft berechnet werden soll, verhandeln zurzeit die Länder-Finanzminister. Sie setzen damit Forderungen des Verfassungsgerichts um, das die Steuerbemessung als verfassungswidrig eingestuft hatte.

Noch in diesem Herbst wird damit gerechnet, dass sich Regierung und Bundestag auf der Grundlage der neuen Berechnungsmodelle in einem Gesetz über neue Steuersätze und Freibeträge verständigen werden. Die SPD setzt dabei mit Nachdruck auf höhere Steuern für große Erbschaften als heute, die Union drängt auf Entlastungen für Unternehmen die vererbt werden. Beide Seiten hatten zuvor beteuert, kleine Erbschaften, „Omas Häuschen“ also, sollten für die Erben auch in Zukunft steuerfrei bleiben.

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