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Die linke Frontfrau hält sich noch zurück mit Äußerungen zur Kandidatur.

© Mike Wolff TSP

Nach der Wahlniederlage in Berlin: Linke wollen Wagenknecht zur Ko-Chefin von Gysi machen

In der Linkspartei droht die nächste Führungsdebatte: Ex-Parteichef Oskar Lafontaine will die Kommunistin Sahra Wagenknecht neben Gregor Gysi an der Spitze der Bundestagsfraktion installieren.

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Der Ex-Vorsitzende ist aus dem Saarland angereist: Einen Tag nach der Niederlage der Linken bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus mahnt Oskar Lafontaine im Parteivorstand zur Geschlossenheit, warnt Teilnehmern zufolge vor gegenseitigen Schuldzuweisungen und „medialen Denunziationen“. Doch hinter den Kulissen treibt Lafontaine nach Tagesspiegel-Informationen den Plan voran, die Kommunistin Sahra Wagenknecht als Ko-Chefin von Gregor Gysi in der Fraktionsführung zu installieren. Das dürfte für neuen Zündstoff unter den Genossen sorgen.

Der Wahlzyklus für die Linke ende „ernüchternd“, heißt es in einer parteiinternen Analyse zur Situation der Partei nach sieben Landtagswahlen in diesem Jahr. Die Lage sei geeignet, das Bild von einer „Partei auf der Abwärtsrutsche“ zu zeichnen. Der Linken sei es bisher nicht gelungen, sich auf die veränderten Bedingungen im dritten Jahr der Finanzkrise sowie sechs Jahre nach der Abwahl von Rot-Grün einzustellen. Persönliche Konsequenzen der Parteichefs Klaus Ernst und Gesine Lötzsch nach solcher Schelte wären denkbar gewesen. Beide aber halten sich sogar eine neue Kandidatur auf den Wahlparteitag im Juni 2012 in Göttingen offen. Eine Personaldebatte „in dieser Situation wäre vollkommen überflüssig und schädlich“, erklärt Ernst am Montag.

Ob er grundsätzlich gegen den Aufstieg von Wagenknecht zur Fraktionsvorsitzenden ist, lässt er offen. Andere Linken-Politiker dagegen rühren bereits die Werbetrommel für die Spitzengenossin, die seit 2010 schon stellvertretende Parteivorsitzende ist. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen aus Bochum schwärmt von Wagenknecht als „Publikumsmagnet“, lobt deren „gute Performance im Fernsehen und bei Reden im Bundestag“. Sie könne Säle füllen, während andere nur „gähnende Langeweile verbreiten würden. „Jemand mit diesem Format stünde in anderen Parteien längst in der ersten Reihe.“ Am Dienstag kommender Woche will die Fraktion im Grundsatz entscheiden, ob es eine Doppelspitze geben wird, das Frauenplenum hatte bereits klar dafür votiert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Wagenknecht selbst ihre künftige Rolle sieht.

Gewählt werden soll am 25. Oktober. Auch Wolfgang Zimmermann, Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen und linker Flügelmann, würde es begrüßen, wenn Wagenknecht für den Chefposten in der Fraktion kandidiert. Sie stehe für „klare antikapitalistische Politik“, sagt er, und sei „eine der wenigen in der Partei, die bundesweit bekannt sind“. Wagenknecht selbst unterstützt die Forderung nach einer Doppelspitze. Es sei aber eine „offene Frage“, wer im Falle einer Grundsatzentscheidung dafür kandidiere. Auf die Frage nach eigenen Ambitionen meint sie: „Ich schließe es nicht prinzipiell aus. Aber das ist noch keine Bewerbung.“ Zögern dürfte Wagenknecht, weil sie mit Widerstand von Gysi rechnet. Der hatte zum Thema erklärt: „Im Kern geht es nicht um die Frage des Feminismus, sondern darum, ob die Fraktion jemanden findet, den sie mit breiter Mehrheit trägt.“

Der Frust über Ernst und Lötzsch kann sich derweil vorerst nicht entladen. Der Landeschef von Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Bockhahn, hatte gefordert, den Personalparteitag deutlich vorzuziehen. Doch im Parteivorstand wurde dieser Appell am Montag nicht aufgegriffen, wie Ernst berichtete. Auch eine Mitgliederbefragung zur Parteiführung, wie sie Ernst vorgeschlagen hatte, soll es, wenn überhaupt, erst im kommenden Jahr geben. Auf dieses Instrument setzen vor allem jene Genossen, die gegen ausgekungelte Personalvorschläge von Gysi oder Lafontaine sind. Auch dieses Instrument ist umstritten, zumal gar nicht geklärt ist, wer anstelle des jetzigen Duos antreten könnte. Parlamentsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann nannte die Forderungen dazu „hilflos“.

Hans Modrow, Chef des Ältestenrates der Linken und früherer PDS-Ehrenvorsitzender, mahnt zur Geduld. An die Adresse der ostdeutschen Reformer sagt er, es müsse stets mit beachtet werden, dass inzwischen 40 Prozent der Mitglieder aus dem Westen kommen – zu PDS-Zeiten seien es maximal zehn Prozent gewesen. Deshalb dürfe auch der Konsens zum Grundsatzprogramm, das im Oktober in Erfurt beschlossen werden soll, nicht grundsätzlich ausgehebelt werden: „Jeder hebelt sich mit aus, wenn er das übersieht.“ Übers Personal solle „in Ruhe“ 2012 diskutiert werden. „Vor Weihnachten macht man in der Politik keine Kopfstände.“ Wagenknechts Wahl in die Fraktionsführung vielleicht mal ausgeklammert.

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