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Betancourt Kinder

© AFP

Nach Geiselhaft: Betancourt steckt sich politische Ziele

Nach sechs Jahren in der Gewalt der Farc-Rebellen hätte Ingrid Betancourt eine Auszeit verdient. Doch das politische Engagement der 46-Jährigen lässt das nicht zu. Schon wird sie als Kolumbiens kommende Außenministerin gehandelt - wenn ihre Familie mitspielt.

"Ich habe die Entscheidung getroffen, mich für die einzusetzen, die noch im Dschungel sind", verkündete Betancourt nach ihrem Eintreffen in Paris mit Blick auf die schätzungsweise 700 verbliebenen Geiseln der Farc-Rebellen. Dabei verlor die Franko-Kolumbianerin keine Zeit und forderte gleich Ecuadors Staatschef Rafael Correa auf, seine Meinungsverschiedenheiten mit dem kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe beizulegen, damit sich beide um eine Befreiung der Farc-Geiseln kümmern können.

Auch Venezuelas linksgerichteten Präsidenten Hugo Chávez, der bereits in der Geiselkrise vermittelt hatte, forderte Betancourt zur Mithilfe auf. Schon in einigen Tagen will Betancourt nach Kolumbien zurückkehren, wie sie der Sonntagszeitung "Journal du Dimanche" sagte.

Uribe könnte erleichtert sein

Tatsächlich hat Betancourts Stimme gerade wegen ihres jahrelangen Martyriums Gewicht. Sie habe nach ihrer Befreiung eine "sehr starke internationale Präsenz", sagt der Politikwissenschaftler Alejo Vargas von der Universidad Nacional de Colombia über die frühere kolumbianische Präsidentschaftskandidatin. Vargas hat keinen Zweifel, dass sich die politische Landschaft seines Landes mit Betancourts Rückkehr verändern wird. "Sehr wahrscheinlich" werde Betancourt eine glaubwürdige Präsidentschaftskandidatin werden.

Uribe könnte so gesehen erleichtert sein, dass Betancourt ihm gegenüber Loyalität an den Tag legt. Auf die Frage, ob sie sich eine dritte Amtszeit des Staatschefs vorstellen könne, entgegnete sie vor Journalisten: "Warum nicht? Das erscheint mir interessant, mir gefällt Kontinuität." Diese Aussage wiegt umso schwerer, als Betancourt 2002 als Präsidentschaftskandidatin der Umweltschutzpartei Sauerstoff gegen den konservativen Uribe angetreten war.

Beobachter schließen nun nicht mehr aus, dass Betancourt sich an Uribes Seite politisch engagieren wird. "Das beste Szenario wäre der Posten als Außenministerin", sagt der Politikwissenschaftler Fernando Cano von der Universität Rosario. "Was gäbe es Besseres für die Regierung Uribe, als auf dieses Symbol für die Entführungen in Kolumbien und diese international anerkannte Frau zählen zu können?"

"Ich stehe in der Schuld meiner Familie"

Weniger begeistert über Betancourts politisches Engagement sind womöglich ihre Kinder Mélanie und Lorenzo. Schließlich standen sie im Alter von 18 und 13 Jahren ohne Mutter da, als Betancourt im Februar 2002 während einer Wahlkampfreise im Präsidentschaftswahlkampf von Farc-Kämpfern entführt wurde. Mehr als sechs Jahre bangten sie um das Leben ihrer Mutter. Betancourt räumt ihnen daher nun ein besonderes Mitspracherecht ein. "Ich stehe in der Schuld meiner Familie", sagte sie nach ihrer Befreiung. Schließlich habe sie in der Vergangenheit über die Köpfe ihrer Kinder hinweg Entscheidungen getroffen, "unter denen sie sehr gelitten haben".

In Zukunft soll daher alles gemeinsam entschieden werden. Dass Lorenzo und Melanie ihre Mutter von jeglicher politischer Tätigkeit abbringen, scheint dennoch unwahrscheinlich. Schließlich wissen auch sie, dass Betancourt eine Vollblutpolitikerin ist.

Gilles Bertin[AFP]

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