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Nach Hessen-Wahl: SPD-Spitze probt Kehrtwende

Vor ein paar Tagen noch gab die SPD-Spitze Andrea Ypsilanti freie Hand, sich von der Linken wählen zu lassen. Jetzt macht die angeschlagene Partei offenbar die Kehrtwende - und will Ypsilanti verbieten, für eine Minderheitsregierung anzutreten.

Kurt Beck, der gestern Abend in der Berliner Rheinland-Pfalz-Vertretung mit der engsten SPD-Führung zusammentraf, will sich noch im Verlauf des Tages zum künftigen Kurs seiner Partei äußern. Er war nach seinem Vorstoß für eine Öffnung der SPD zur Linken in den Westländern auch aus den eigenen Reihen heftig kritisiert worden. Führende Sozialdemokraten hatten Beck nun am Wochenende aber demonstrativ den Rücken gestärkt. Sein Rücktritt vom Parteivorsitz wurde kategorisch ausgeschlossen.

Ypsilanti soll nicht kandidieren

Zu den Ergebnissen des bis in die Nacht dauernden Krisentreffens wollten sich die Teilnehmer zunächst nicht äußern. Die Runde war sich aber einig, den Druck auf Andrea Ypsilanti zu erhöhen, am 5. April nicht für das Amt des Ministerpräsidenten in Wiesbaden zu kandidieren. Wie es weiter hieß, bestand auch Einigkeit darin, dass die SPD im Bund nun mit Sachthemen versuchen solle, wieder stärker in die Offensive zu kommen.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hatte bereits vor Beginn die feste Erwartung der Bundes-SPD geäußert, dass Ypsilanti nicht für eine Rot-Grüne Minderheitsregierung antritt. Vor wenigen Tagen war dem hessischen Landesverband der SPD die Möglichkeit einer Minderheitenregierung noch freigestanden. Alle Führungsgremien der Bundespartei haben den Landesverbänden auch im Westen allerdings inzwischen freie Hand bei einer möglichen Zusammenarbeit mit der Linken gegeben.

Doch nicht alle Flügel der Parei sehen dies so. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises der SPD, Johannes Kahrs, spricht sich generell gegen eine Beteiligung der Linken aus. Das "Debakel" in Hessen habe gezeigt, "dass es sich nicht lohnt, mit den Linken im Westen regieren zu wollen", sagte Kahrs im Deutschlandfunk. "Über der ganzen Geschichte lag von Anfang an kein Segen." Grundsätzlich könnten die Parteien in den Bundesländern frei handeln, sie hätten dabei aber auch eine Verantwortung für die Bundespartei, betonte Kahrs. Es gehe jetzt darum, aus den Fehlern zu lernen.

Kanzlerkandidatur erledigt?

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerd Andres riet Beck zum Verzicht auf die Kanzlerkandidatur 2009. Er sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung": "Ich erwarte, dass SPD-Chef Kurt Beck persönlich Verantwortung für die verfahrene Situation übernimmt, in der sich die SPD befindet. Für meinen Begriff hat sich seine Kanzlerkandidatur erledigt, weil er aus der Glaubwürdigkeitskrise nicht herauskommt."

SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler verteidigte den Vorsitzenden indes gegen Kritik. "Kurt Beck ist nicht geschwächt. Der SPD-Chef hat keine Fehler gemacht", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Beck habe klar gestellt, dass über Koalitionen in den Ländern auf Landesebene entschieden werde. "Hier sollte man den Blick nach Hessen richten und nicht versuchen, den Parteivorsitzenden zum Sündenbock zu machen", sagte Stiegler. "Die Frage ist, ob die Geisterfahrten fortgesetzt werden oder endlich Geschlossenheit in der hessischen SPD-Landtagsfraktion erreicht wird."

Koalitionspoker Ypsilantis Fehler

Der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas warf Ypsilanti Fehler vor: "Es gibt zwei Lehren aus den letzten Tagen: Erstens sollte man vor der Wahl mit dem Ausschließen von Koalitionsmöglichkeiten etwas vorsichtiger sein. Zweitens sollten die zuvor ausgeschlossenen Optionen dann auch nach der Wahl nicht in Betracht kommen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" sagte Maas zu einer SPD-Regierungsbildung mit Linken-Hilfe: "Ich glaube, dass Andrea Ypsilanti das selbst am besten weiß, dass sich dieses Thema jetzt erledigt hat." (dm/sba/dpa)

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