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Nach den Krawallen in England kündigte der britische Premierminister David Cameron eine Null-Toleranz-Politik an.

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Nach Krawallen in England: Cameron kündigt Null-Toleranz-Politik an

Am Montag wurde ein Redemanuskript des britischen Premierministers vorab veröffentlicht. Darin heißt es, die Krawalle der vergangenen Woche müssten ein "Weckruf" für das Land sein.

Großbritanniens Premierminister David Cameron will nach den Krawallen in England dem „moralischen Kollaps“ der Gesellschaft den Kampf ansagen. In den kommenden Wochen werde er zusammen mit seinen Ministern sämtliche soziale Bereiche unter die Lupe nehmen, um die „gebrochene Gesellschaft zu reparieren“, hieß es in einem am Montag vorab veröffentlichten Redemanuskript Camerons.
Dabei werde man sich unter anderem die Situation an den Schulen und die Sozialhilfesysteme ansehen. Überprüft werden soll auch, ob genug Hilfe für Problemfamilien und Drogensüchte geleistet werde.
Bei den Krawallen in mehreren englischen Städten, bei denen in der vergangenen Woche fünf Menschen starben und Schaden in Millionenhöhe entstand, seien Jahrzehnte sozialer Probleme explodiert, heißt es in der Rede Camerons. Sie müssten ein „Weckruf“ für das Land sein.

Oppositionsführer Ed Miliband von der sozialdemokratischen Labour-Partei warf Cameron vor, er reagiere reflexartig auf die Gewalt und verschließe sich einer tiefergehenden Analyse der Gründe. Auch Miliband veröffentliche vorab eine Rede, in der er erklärte, es müsse eine weitreichende Untersuchung stattfinden.

Mehr als 2000 Menschen wurden landesweit bereits verhaftet und über die Hälfte davon vor Gericht angeklagt. Der amtierende Londoner Polizeichef Tim Godwin rechnet damit, dass die Zahl der Verhaftungen auf über 3000 steigen wird. Plünderer werden von CCTV-Bildern mithilfe von Computertechnologie identifiziert und überführt. Die britische Gefängnisbevölkerung erreichte am Wochenende einen Rekordhöchststand: Nur noch 2000 Gefängnisplätze sind frei.

Unter den Verhafteten sind auch ein 17-Jähriger und ein 26-Jähriger, die wegen Mordes angeklagt werden. Sie sollen während der Gewaltorgie in Manchester drei Muslime mit dem Auto überfahren haben. „Dabei ging es nicht um Rasse, nicht um Religion, sondern einfach um reine Kriminalität“, sagte der Onkel von zwei ermordeten Brüdern.

Nun fragen sich die Briten, wie solche Plünderorgien in Zukunft verhindert werden können. Und wie wird man die Unterschicht, deren Angehörige die Hoffnung auf gesellschaftliche Partizipation und den Respekt vor der Gesellschaft verloren haben, wieder integrieren können?

Mit Wut und Kritik reagierten Polizeikreise auf die Entscheidung von Premier David Cameron, den amerikanischen „Supercop“ Bill Bratton als Sonderberater der Downing Street für den Kampf gegen Jugendbanden einzustellen. „Ich weiß nicht, ob ich von den USA, wo es 400 Jugendbanden gibt, etwas zu diesem Thema lernen will“, sagte der Präsident des Polizeiverbands Apco, Sir Hugh Orde dem „Independent on Sunday“. Er plädierte für eine „britische“ Polizeistrategie „auf Basis der Menschenrechte“.

Die Tories planen dagegen eine Strategie der „Zero-Toleranz“. Sozialminister Iain Duncan Smith, Gründer des Think Tanks „Centre for Social Justice“, der sich mit der Hilfe für Unterschichten befasst, plant bereits eine „Drangsalierungs-Strategie“ gegen Bandenführer. Vom Finanzamt bis zum Verkehrspolizisten werde jede Institution ihr Leben auf Korrektheit überprüfen. Herumziehende Jugendliche sollen nachts auf der Straße aufgegriffen und in Jugendzentren gebracht werden, damit sie dort von ihren Eltern abgeholt werden – da die meistens gar nicht wissen, was ihre Kinder tun. Cameron, dessen Parolen von der „zerbrochenen Gesellschaft“ und der neuen „big society“ plötzlich neue Resonanz haben, will den neuen harten Kurs in den nächsten Wochen erläutern. Zu den spannenden Fragen gehört, ob sein liberaldemokratischer Koalitionspartner Nick Clegg zu folgen bereit ist.

Mit Gottesdiensten und einer Mahnwache wurde am Sonntag der drei in Manchester ermordete Muslime gedacht. Magistratsgerichte tagten zum ersten Mal in der britischen Geschichte an einem Sonntag. (mit dpa)

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