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Dieser bereits verurteilte Krawallmacher wird auf Kaution freigelassen.

© dpa

Nach Krawallen in Großbritannien: Debatte um drakonische Strafen für Plünderer

Ein paar Tage lang waren sich die Briten einig. Plünderer und Randalierer müssen hart bestraft werden. Aber nun entbrennt die Debatte um die drakonische Krawalljustiz.

Am meisten Aufsehen erregte der Fall von zwei Männern, die über Facebook zu Krawallen aufriefen. Obwohl niemand ihren Aufrufen Folge leistete und es in den Örtchen Northwich und Latchford in Warrington friedlich blieb, bekamen sie jeweils vier Jahre Gefängnis.

„Übergeschnappt. Bescheuert“, kritisierte die liberaldemokratische Parlamentarierin Tessa Munt diese „konservative Schlagzeilen-Politik“. Kronanwalt John Cooper sprach in der BBC von „hysterischen und unverhältnismäßigen Urteilen“. Die Gerichte seien zu weit gegangen. „Es gibt Regeln und Prozeduren, damit Urteile effektiv und fair sind. Wir können auch in solchen Situationen nicht einfach das Regelbuch wegwerfen, nur weil die öffentliche Meinung das will.“

Premier David Cameron hatte eine harte Bestrafung der mehr als 2770 Menschen gefordert, die wegen ihrer Teilnahme an den Plünderungen verhaftet wurden. Die Richter nahmen sich das offenbar zu Herzen. Nur 45 Prozent der Verhafteten kamen gegen Kaution frei, wenn ihr Verfahren an ein höheres Gericht verwiesen wurde. Normalerweise sind es 90 Prozent.

Der 20-jährige Jordan Blackshaw hatte seine Facebook-Seite „Smash Down Northwich Town“ („Macht Northwich platt“) genannt, Perry Sutcliffe-Keenan schrieb „Let’s have a riot in Latchford“. Beide nannten Zeitpunkt und Ort, wo der Krawall beginnen sollte und benahmen sich laut Richter Elgan Edwards „bösartig zu einem Zeitpunkt, wo die Nation von einem kollektiven Wahn gepackt war“. Aber Liberaldemokraten und Menschenrechtsverbände kritisierten den Mangel an Verhältnismäßigkeit. „Niemand scheint an die Konsequenzen solcher Urteile für die Betroffenen zu denken, die ihre Jobs, vielleicht sogar ihre Familien verlieren können“, warnte Andrew Neilson von der Strafrechtsreform-Lobby Howard League.

Auch Vizepremier Nick Clegg warnte vor „ungewollten Konsequenzen“ zu harter Strafen wie dem Entzug von Sozialhilfe oder gar Sozialwohnungen. Über 200 000 Briten haben im Internet eine „E-Petition“ unterzeichnet, in der gefordert wird, verurteilten Plünderern die Sozialwohnungen wegzunehmen – es gibt für diese Wohnungen eine Warteliste von fünf Millionen Menschen. Als erste Gemeinde will der Londoner Bezirk Wandsworth Klauseln in Sozialmietverträgen durchsetzen, nach denen das Wohnrecht im Falle krimineller Handlungen der Bewohner verwirkt ist. Einer alleinerziehenden Mutter soll gekündigt werden, weil ihr 16-jähriger Sohn an Plünderungen beteiligt war.

Cameron und die Innenministerin Theresa May kündigten eine Flut harter Maßnahmen an, um den „langsamen moralischen Niedergang“ aufzuhalten, der sich in den vergangenen „Jahrzehnten“ in Großbritannien breitgemacht habe. May erwägt Ausgangssperren für Jugendliche, 120 000 „Problemfamilien“ sollen durch Behördenintervention auf den rechten Weg gebracht werden. Die normale Anonymität jugendlicher Straftäter soll aufgehoben werden und alle Plünderer in einer öffentlichen Liste an den Pranger gestellt werden. Plünderer sollen ihren Opfern gegenübergestellt werden und mit sichtbar beschrifteten gelben Sicherheitsjacken Wiedergutmachungsdienste leisten. Labourchef Ed Miliband kritisierte dies als „Politik der Werbegags“. Koalitionspartner Clegg distanziert sich vorsichtiger. Er spricht davon, dass „der Kreislauf von Gewalt und rückfälligen Straftätern“ gebrochen werden müsse. Clegg zwang Cameron auch dazu, eine Kommission zu bilden, in der Gemeinden und Opfer zu Wort kommen sollen.

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