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Spezialeinsatzkommando der Polizei. (Symbolbild)

© dpa

Nach Munitions-Diebstahl: LKA suspendiert Beamten und stoppt Schießtraining für Spezialeinheiten

Elitepolizisten in Mecklenburg-Vorpommern sollen Munition gestohlen haben, womöglich für die Prepperszene. Der Innenminister will nun durchgreifen.

Von Frank Jansen

Lorenz Caffier ist sichtlich getroffen. Der Christdemokrat versteht sich als energischer Innenminister, Fehlverhalten in den ihm unterstellten Behörden passt da nicht ins Bild. Doch ausgerechnet bei einer Elitetruppe der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern, dem Spezialeinsatzkommando (SEK), gibt es offenbar Leute, die Munition für Schusswaffen beiseite schaffen und womöglich mit der zwielichtigen, rechts angehauchten und für den Weltuntergang rüstenden Prepper-Szene in Verbindung stehen. Er sei „fassungslos“, sagte Caffier am Donnerstag dem Innenausschuss des Landtags in Schwerin.

Ähnlich hatte er sich schon am Mittwoch geäußert, als die Staatsanwaltschaft Schwerin die Festnahme von drei ehemaligen SEK-Männern und einem noch aktiven SEK-Mann verkündete. Caffier betonte, Beamte des SEK genössen ein besonderes Vertrauen, „weil sie oftmals ihre Gesundheit und ihr Leben für unsere Sicherheit riskieren müssen“. Deshalb treffe ihn „dieses Verhalten besonders hart.“

Vor dem Innenausschuss kündigte der Minister nun an, das SEK werde umstrukturiert. Offenkundig muss die Truppe stärker kontrolliert werden. Nach der Sitzung des Ausschusses nannte das Innenministerium Details. Das Landeskriminalamt habe das Schießtraining für Spezialeinheiten vorläufig gestoppt, hieß es. Ab sofort würden „sehr strenge Vorgaben“ umgesetzt, die einen Betrug „nahezu ausschließen werden. Jeder Schuss muss abgerechnet werden“. Das war vorher offenbar nicht der Fall. Doch Caffier plant noch mehr.

Die „Verwendungsdauer in Spezialeinheiten“ soll nur noch „maximal zehn Jahre betragen, eher weniger“, sagte das Ministerium. Geprüft wird auch, ob „strengere Vorgaben“ gemacht werden müssen bei der Prüfung, ob Bewerber für den Polizeidienst „bedingungslos für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einstehen“. Außerdem sollen künftig bei der Einstellung von öffentlich Bediensteten „alle vorliegenden Erkenntnisse zu den Bewerbern genutzt werden können – auch die des Verfassungsschutzes“. Außerdem würden externe Experten „das SEK strukturell und personell untersuchen“ und Verbesserungsvorschläge erarbeiten.   

Spätestens wenn die demokratische Grundordnung verlassen oder, wie im vorliegenden Fall, Straftaten begangen werden, muss gerade bei den Spezialkräften genau hingeschaut werden.

schreibt NutzerIn Dragonfighter

Am Mittwoch hatte die Staatsanwaltschaft nicht nur einen aktiven und drei ehemalige Beamte des SEK festnehmen lassen, durchsucht wurden auch 14 Objekte in mehreren Orten im Land. Drei der Beschuldigten sollen von April 2012 bis 2016 „widerrechtlich Munition aus den Beständen des Landeskriminalamtes“ beschafft und diese dem weiteren Beschuldigten überlassen haben, sagt die Staatsanwaltschaft. Der vierte Mann habe „Kontakt zu Personen aus der so genannten Prepper-Szene“. Dieser Beschuldigte, Marco G., verkörpert die enorme Brisanz der Geschichte. Es geht nicht nur um entwendete Munition, sondern auch um Terrorverdacht.

Tötung von Linken an Tag X geplant

Die Bundesanwaltschaft hatte 2017 ein Verfahren gegen einen Lokalpolitiker aus Rostock und einen Polizisten aus Ludwigslust eingeleitet – wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Die beiden Männer aus dem Prepper-Milieu sollen angesichts der aus ihrer Sicht verfehlten Flüchtlingspolitik den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung befürchtet, Lebensmittel und Munition für ihre Waffen gehortet und für den Tag X die Tötung von Linken geplant haben. Anhand von bereits erstellten Listen mit Namen und weiteren Personalien.

SEK-Mann Marco G. ist in dem Verfahren der Bundesanwaltschaft auch eine wichtige Figur, allerdings nur als Zeuge. Im Laufe der Ermittlungen ergab sich jedoch der Verdacht, Marco G. könnte Munition gebunkert haben. In Sicherheitskreisen ist von 10.000 Schuss für Kurz- und Langwaffen die Rede, einen Teil sollen ihm die drei Kollegen aus dem SEK aus Beständen des LKA zugeschanzt haben.

Die Bundesanwaltschaft informierte Anfang 2019 die Staatsanwaltschaft Schwerin, sie leitete ein Verfahren gegen Marco G. und seine drei Freunde aus der Polizei ein. In den Haftbefehlen und Durchsuchungsbeschlüssen gegen die vier geht es um den Verdacht des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz. Hinzu kommt der Verdacht auf Betrug, angesichts der dem LKA entwendeten Munition für Schusswaffen.

Möglicherweise agiert ein Preppernetz

Marco G. ist womöglich eine Spinne im Preppernetz. Er soll 2016 die Chatgruppe „Nordkreuz“ installiert haben, in der auch die von der Bundesanwaltschaft als Terrorverdächtige geführten zwei Männer aktiv gewesen sein sollen – zusammen mit mindestens zwei Dutzend weiteren Preppern. Möglicherweise hat auch der Betreiber eines Schießplatzes in Güstrow zeitweise bei Nordkreuz mitgechattet. Die Anlage, in der Elitepolizisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz trainierten, wurde am Mittwoch ebenfalls durchsucht.

Caffier will nun hart durchgreifen. Schon am Mittwoch verkündete der Minister, den drei ehemaligen SEK-Beamten und der noch aktive werde „mit sofortiger Wirkung das Verbot des Führens der Dienstgeschäfte ausgesprochen“. Das bedeute, „sie sind suspendiert mit dem Ziel, sie aus dem Dienst der Polizei zu entlassen“.

Die Linksfraktion im Schweriner Landtag ist dennoch unzufrieden. Es bleibe „unklar und unverständlich“, wie Munition aus den Beständen des LKA verschwinden könne, sagte Peter Ritter, innenpolitischer Sprecher der Fraktion, am Donnerstag dem Tagesspiegel. Es gebe Mängel in der Führung der Polizei, „und wenn sich an den Schaltstellen nichts ändert, kann ich umstrukturieren wie ich will“. Auch die CDU-Fraktion zeigt sich konsterniert, gibt aber dem Minister Rückendeckung. Das „massive Fehlverhalten“ von Beamten des SEK habe er „bislang nicht für möglich gehalten“, sagte der innenpolitische Sprecher Marc Reinhardt. Doch der gesamte Vorfall sei auch „ein Beleg für das Funktionieren des Rechtsstaates: alles kommt auf den Tisch und die Behörden arbeiten nach meiner Wahrnehmung zügig an der Aufklärung“.

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