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Beäugen einander. Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und der Unterlegene Friedrich Merz.

© imago/Christian Thiel

Update

Nach Niederlage beim Parteitag: Welche Zukunft hat Friedrich Merz in der CDU?

Warten auf den Unterlegenen: Parteivorsitzender wird Merz nicht, doch es gibt einige Ideen, ihn einzubinden. Angeblich will er bald ein „Angebot“ unterbreiten.

Von Robert Birnbaum

Die Fans des Friedrich Merz schlafen derzeit offenbar mit weit offenem Fenster. Anders ist kaum zu erklären, weshalb bereits am Montag eine „Baden-Württembergische Initiative“ für den unterlegenen Bewerber um den CDU-Vorsitz eine frohe Botschaft verkündete: „Wir haben ein Signal von Friedrich Merz!“ Das klang so, als ob der Sauerländer nach dem Hamburger Parteitag auf hoher See verschollen wäre und man endlich einen Funkspruch aufgefangen hat. Kurz darauf muss das Signal aber auch die „Bild“-Zeitung erreicht haben. Am Dienstag vermeldete das Blatt: „Merz will gefragt werden!“ Der Ex-Fraktionschef sei bereit, in der CDU weiter mitzuarbeiten – er warte aber auf ein Angebot.

Sichtbar ist Merz keiner, der im Team spielen kann. Entweder die Menschen tanzen nach seiner Pfeife oder er spielt nicht mit. Einer derartigen Figur eine Position anzubieten, die Zusammenarbeit und Kompromisse in einer Führungsriege verlangt, ist bestenfalls unsinnig.

schreibt NutzerIn Zweibein

Darauf kann er womöglich länger warten, schon aus praktischen Gründen. Ein Termin für das Gespräch, das Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihm führen will, stand weiterhin nicht fest. Eine frischgebackene Parteivorsitzende wird ja auch erst mal mit neuen Pflichten überhäuft. Am Dienstag zum Beispiel hatte die Saarländerin in der britischen Botschaft ein spontanes Kennenlerntreffen mit der britischen Premierministerin und Chefin der konservativen Schwesterpartei. Theresa May war gerade in Berlin, um bei Kanzlerin Angela Merkel für ein Zugehen auf ihre Brexit-Widersacher zu werben.

Fest steht hingegen, wie die neue CDU-Vorsitzende in das Gespräch hineingehen will: „Ich werde auch mit Friedrich Merz reden, wie er sich einbringen will“, hat sie am Sonntagabend beim „Anne Will“-Talk erklärt. Das ist nun genau der umgekehrte Ansatz: Nicht AKK bringt ein Geschenkpaket mit – Merz soll erst mal selber sagen, was er sich als den Beitrag vorstellen kann, den er noch auf dem Parteitag versprochen hatte. Schon bald könnte es so weit sein: Der Sauerländer werde „in den nächsten Tagen“ der CDU ein „Angebot“ unterbreiten, will die „Welt“ aus seinem Umfeld erfahren haben.

Was seine Fans wollen, daraus machen sie keinen Hehl: das Wirtschaftsministerium für ihren Favoriten. Als Trostpreis wäre das allerdings sehr üppig. Ganz abgesehen davon, dass in dem Haus schon der Saarländer, Merkel- und Kramp-Karrenbauer-Vertraute Peter Altmaier sitzt, wären Kanzlerin wie CDU-Chefin schlecht beraten, sich nur allzu absehbare Konflikte in die Regierung zu holen und dem Rivalen obendrein eine Bühne für ein Rückspiel zu bereiten.

Hat jemand absichtlich das Mikrofon leiser gestellt?

Tatsächlich schimmert diese Hoffnung deutlich durch das Geraune aus dem Neckartal und der Berliner Kochstraße durch. Es zeugt von schlechten Verlierern. Der dritte Kandidat Jens Spahn sah sich ausdrücklich genötigt, den hässlichen Gerüchten zu widersprechen, die die Merz-Jünger noch in Hamburg gestreut hatten: Nein, es habe keine Absprache gegeben, dass seine Anhänger im zweiten Wahlgang zu AKK wechseln sollten, versichert der Gesundheitsminister dem „Spiegel“: „Ich kenne keine Absprache und war auch nicht Teil einer solchen Absprache.“ Auch eine Empfehlung habe er seinen Unterstützern nicht gegeben, „auch nicht über zwei, drei, sechs oder acht Ecken“. Er könne sich übrigens nicht vorstellen, dass Merz selbst an die Gerüchte glaube, die gestreut werden – etwa, dass irgendein Saboteur ihm bei seiner Rede absichtlich das Mikrofon leiser gestellt habe.

Die Gerüchte sagen in der Tat mehr über ihre Urheber als über die Wirklichkeit des Parteitags. Sie wollen nicht glauben, dass ihr Held im entscheidenden Moment versagt hat. Sie wollen auch nicht daran erinnert werden, dass es ein Angebot längst gab, das Merz aber ablehnte: als gewähltes Mitglied im Präsidium die Geschicke der Partei mitzulenken. Das mag wenig erscheinen, wenn kurz vorher noch Parteivorsitz, ja Kanzlerschaft in greifbarer Nähe schienen. Aber andere träumen ein Leben lang davon.

Die Klügeren unter den Merz-Freunden arbeiten denn auch längst an einer anderen Strategie. Sie zielt darauf ab, das starke Abschneiden des konservativen Wirtschaftsfachmanns in politische Währung für sich selbst umzumünzen. „Ich traue Frau Kramp-Karrenbauer zu, dass sie das weiß, dass sie ziemlich schnell Signale senden muss“, sagt etwa Carsten Linnemann. Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung denkt an Signale, dass die Partei insgesamt sich mehr um die Belange des Wirtschaftsflügels und die Anliegen der Konservativen kümmert.

Merz wird der Partei die Hilfe nicht verweigern, aber es so machen, wie ich früher, wenn ich nicht wollte: den Preis unannehmbar hoch treiben.

schreibt NutzerIn ueberblicker

Von Merz selbst wünscht sich Linnemann vor allem Hilfe auf Marktplätzen und in Wahlkampfhallen: „Er könnte etwa im anstehenden Europawahlkampf seine Expertise einbringen und uns auch bei den anstehenden Wahlkämpfen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg unterstützen.“ Spahn fände es ebenfalls gut, wenn der Sauerländer mit in den Wahlkampf ziehen würde. Ansonsten habe die Klärung von Merz’ Zukunft ja auch noch Zeit: Man müsse so etwas nicht unbedingt sofort und noch unter dem Eindruck des Parteitags regeln.

Von einer Bewegung „Merz ins Kabinett“, die über ein paar schwäbische Landespolitiker hinausreicht, kann mithin keine Rede sein. Selbst der Arbeitgeberpräsident denkt gar nicht daran, sich auf deren Seite zu schlagen. Kramp-Karrenbauer habe an der Saar bewiesen, dass sie die Anliegen der Wirtschaft verstehe, sagt Ingo Kramer der dpa. Mit ihr könnten die Arbeitgeber gut leben. Und die CDU – „die CDU ist eine staatstragende Partei, es wird wieder Ruhe einkehren.“ Natürlich wäre es zu begrüßen, wenn Merz seine Kenntnisse auch künftig der CDU zur Verfügung stelle. „Ich weiß aber nicht“, sagt Kramer, „ob er das auch möchte.“

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