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Innenminister Friedrich will auf der einen Seite den Bundesverfassungsschutz stärken und auf der anderen die Rechte der Landesämter beschränken.

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Nach NSU-Ermittlungspannen: Friedrich will Bundesverfassungsschutz stärken

Wie soll der Verfassungsschutz reformiert werden? Über diese Frage berät heute Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich mit seinen Kollegen aus den Bundesländern. Mit seinen Reformideen stößt Friedrich (CSU) aber auf Widerstand - auch in der eigenen Koalition.

Von Frank Jansen

Der Innenministerkonferenz (IMK) steht bei ihrem Sondertreffen an diesem Dienstag in Berlin eine heiße Debatte bevor. Wie am Montag bekannt wurde, gehen die Pläne von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zur Reform des Verfassungsschutzes in Details über die schon bekannt gewordenen Vorschläge hinaus. Friedrich schwebt eine Art Arbeitsteilung vor, den gewichtigeren Part würde das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) übernehmen. Das BfV solle sich weitgehend mit der Beobachtung „gewaltgeneigter Bestrebungen und Personen“ befassen, die Landesbehörden hingegen sollten sich künftig „auf die Beobachtung des legalistischen Umfelds“ konzentrieren, zitierten hochrangige Sicherheitsexperten aus einem Papier des Innenministeriums.

Friedrich empfehle auch, das Bundesverfassungsschutzgesetz zu ändern, um dem BfV weitere Befugnisse zu gewähren. So heißt es bislang in Paragraf 5 Absatz 2, das Bundesamt dürfe „in einem Land im Benehmen mit der Landesbehörde“ Informationen sammeln. Der Minister will aber, dass das BfV die gesetzliche Befugnis erhält, automatisch und selbstständig Daten in den Ländern erheben zu können, wenn es um gewaltgeneigte Extremisten geht. Außerdem soll das Bundesamt „im Einzelfall die Koordinierung der Informationsbeschaffung und die zentrale Auswertung“ übernehmen – also größere Aktionen leiten.

Gesetzlich verankert werden soll auch eine Pflicht der Länder „zur Übermittlung sämtlicher relevanter Informationen“ zu „wichtigen Ereignissen“ ans BfV. Außerdem sollen generell die „Abstimmungs- und Übermittlungspflichten“ auf alle „Phänomenbereiche“ ausgeweitet werden, mit denen sich der Verfassungsschutz befasst. Bisher müssen die Länder nur die kompletten Informationen zu islamistischem Terror und, seit Ende 2011, zu rechter Gewalt dem BfV melden. Um die „Koordinierung und Begleitung der vereinbarten Zusammenarbeitsregeln“ sicherzustellen, soll das BfV Verbindungsbeamte in die Länder schicken.

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Gleichzeitig will der Minister die Kooperation von Verfassungsschutz und Polizei ausbauen. Nach dem Modell des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums (GTAZ) in Berlin, das sich mit dem militanten Islamismus befasst, soll nun eine Art Superzentrum entstehen – in Köln, wo bereits die Zentrale des BfV beheimatet ist. Die neue Einrichtung soll sich mit linkem und ausländischem Extremismus, Spionage, Sabotage und Cyberangriffen auseinandersetzen. Das Ende 2011 gegründete, in Köln und Meckenheim angesiedelte Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR) würde integriert, das GTAZ hingegen bliebe in Berlin.

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Hintergrund für das Sondertreffen der Innenminister sind die Pannen des Verfassungsschutzes bei den Ermittlungen zur rechtsextremistischen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Die Terroristen zogen mehr als 13 Jahre unbehelligt von den Sicherheitsbehörden durch die Bundesrepublik und ermordeten zehn Menschen.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte die Pläne von Innenminister Friedrich scharf. „Bund und Länder sollten die Kraft zu einem beherzten Umbau der Sicherheitsarchitektur haben und sich nicht im Klein-Klein verheddern“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger der Tageszeitung „Die Welt“. Dazu gehöre die Zusammenlegung von Verfassungsschutzämtern der Länder und die Abschaffung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD).

„Wer nur die Möbel umstellt, baut das Haus nicht um“, betonte die Ministerin. Die Lehre aus der Vergangenheit sei, dass mehr Daten nicht zu einer besseren Informationslage führen würden: „Auf die qualifizierte Auswertung der Daten kommt es an.“ Leutheusser-Schnarrenberger fordert eine substanziell verbesserte Kontrolle und klare Grundlagen für V-Leute. „Die Innenminister sollten exakte und enge gesetzliche Voraussetzungen für den Einsatz sowie verfahrensmäßige Schwellen für die Anwerbung und den Einsatz von V-Leuten entwickeln“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Hierfür seien dringend gesetzliche Grundlagen nötig.

Henkel will Extremismus- und Terrorabwehrzentrum nach Berlin holen

Innenminister Friedrich will auf der einen Seite den Bundesverfassungsschutz stärken und auf der anderen die Rechte der Landesämter beschränken.
Innenminister Friedrich will auf der einen Seite den Bundesverfassungsschutz stärken und auf der anderen die Rechte der Landesämter beschränken.

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Gereizt reagierte auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) auf Friedrichs Konzept. „Eine Verlagerung der Verfassungsschutz-Kompetenzen der Länder an den Bund lehne ich strikt ab“, sagte Jäger am Montag dem Tagesspiegel. „Eine zentralistische Mega-Behörde statt parlamentarischer Kontrolle vor Ort ist ein Sicherheitsrisiko.“ Der Bund solle erst einmal Mängel im eigenen Bereich abstellen, statt neue Befugnisse zu fordern. In anderen Ländern gab es hingegen milde Reaktionen.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann rief zu einer umfangreichen Neuausrichtung des Verfassungsschutzes auf. Nötig sei eine Reform „mit echten harten Konsequenzen, die die Realität des Verfassungsschutzes grundlegend verändert“, sagte Oppermann in Berlin. Auch müsse der Staatsschutz mittel- bis langfristig in Berlin angesiedelt werden.

Oppermann beanstandete, Friedrich habe sich bei seinen Vorschlägen manches bei der Opposition abgeschaut. Vieles müsse aber noch nachgebessert werden. So sollten V-Leute-Einsätze grundsätzlich von der G10-Kommision genehmigt werden. „Denn in diesem Bereich hat es zuletzt die meisten Unregelmäßigkeiten gegeben“, sagte er. Zudem müsse „die Quellenkoordinierung allen Ländern und dem Bund gesetzlich auferlegt werden“.

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Einer stärkeren Zentralisierung des Verfassungsschutzes erteilte der SPD-Politiker dagegen eine klare Absage. „Die Organisationshoheit der Länder darf nicht angerührt werden, warnte er“. Die Landesämter leisteten gute Arbeit und sollten dies auch in Zukunft tun. Alles andere widerspreche der Aufgabenverteilung im Föderalismus. „Ein gut geführtes kleines Amt kann sehr viel effektiver sein als ein schlecht geführtes großes Amt.“

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach sich für ein gemeinsames Extremismus- und Terrorabwehrzentrum in Berlin aus. „In einem solchen Zentrum sollen alle Phänomenbereiche gebündelt werden: Rechtsextremismus, Islamismus, Linksextremismus, Ausländerextremismus“, sagte Henkel. „Bei der Standortwahl spricht aus meiner Sicht vieles dafür, diese Einrichtung in Berlin anzusiedeln.“ Das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin soll zu diesem Zweck mit dem Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechtsextremismus (GAR) mit Standorten in Köln und Meckenheim verschmelzen.

„Bei der Bekämpfung des Extremismus kommt es vor allem auf eine vertiefte Kooperation zwischen den föderalen Ebenen und zwischen den Behörden an“, sagte Innensenator Henkel. „Der Informationsaustausch ist von entscheidender Bedeutung.“ In der Vergangenheit hatten sich mehrere Politiker wie etwa Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) für ein solches Zentrum in Berlin ausgesprochen. (mit dapd/dpa)

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