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Politik: Nach Orbans Vorbild

In Rumänien gewinnt die Partei von Viktor Ponta die Wahlen deutlich – doch der Machtkampf mit Staatschef Basescu geht weiter.

Warschau/Bukarest - Nach Auszählung von mehr als 95 Prozent der Stimmen steht in Rumänien der Erdrutschsieg der bisherigen Übergangsregierung unter Viktor Ponta fest. Seine erst auf die Wahlen hin gegründete Sozialliberale Union (USL) kam nach Angaben der Zentralen Wahlkommission in der Großen Kammer auf 58, 6 Prozent der Stimmen, im Senat erreichte sie gar 60 Prozent. Die dem Staatspräsidenten Taian Basescu nahestehende liberale „Allianz Gerechtes Rumänien“ (ARD) konnte mit 16,6 Prozent die ultrapopulistische Newcomerpartei PP-DD (13, 8 Prozent) des Medienmoguls Dan Diaconescu nur knapp überflügeln. Diaconescu, der die verarmten Wählerschichten mit materiellen Versprechen köderte, war vor den Wahlen von vielen Beobachtern als künftiger Königsmacher in Bukarest gehandelt worden.

Als vierte Kraft schaffte nur noch die gemäßigte Ungarnpartei UDMR den Sprung über die Fünfprozenthürde. Die Wahlbeteiligung lag nur bei 41,7 Prozent. Viele Rumänen haben der Politik infolge der Korruptionsskandale und des „Parteientourismus“ von Abgeordneten den Rücken gekehrt.

Allerdings erreichte Ponta sein erklärtes Ziel einer Zweidrittelmehrheit in der Großen Kammer nicht. Der umstrittene Übergangspremier wollte sich damit die Möglichkeit sichern, ähnlich wie sein Amtskollege Viktor Orban in Ungarn, nach dem Wahlsieg die Verfassung nach eigenem Gutdünken zu ändern. „Orban ist ein wichtiges Politikmodel für Ponta“, warnt der Bukarester Politologe Cristian Pirvulescu. Noch in der Wahlnacht kündigte Ponta Sondierungsgespräche mit der UDMR, der Vertreterin der starken ungarischen Minderheit, an. „Mein Ziel ist es, eine Verfassungsmehrheit zu erreichen“, begründete Ponta laut dem rumänischen Internetportal Replica.

In der rumänischen Hauptstadt Bukarest wird allerdings nicht mit einer raschen Regierungsbildung, sondern vielmehr mit einer Neuauflage des erbitterten Machtkampfs zwischen Staatspräsident Basescu und Übergangspremier Ponta gerechnet. Laut rumänischer Verfassung ernennt der Staatspräsident den Regierungschef. „Basescu wird versuchen, einen Keil zwischen die USL-Bündnispartner zu treiben“, sagte der Politologe Pirvulescu. Ponta hatte sich erst vor Jahresfrist mit der Partei des nationalliberalen Möchtegern-Staatspräsidenten Crin Antonescu zu einem Wahlbündnis vereinigt. Die beiden Politiker gelten als höchst unterschiedliche Charaktere – auf der einen Seite der ewig schläfrige Intellektuelle Antonescu, auf der anderen der kraftsprühende und von mächtigen alten Ceausescu-Kadern unterstützte Jungpolitiker Ponta. Die USL drohte Basescu vor der Wahl bereits mit einem neuen Amtsenthebungsverfahren, falls er sich nicht an den „Volkswillen“ halte.

Allein schon diese Drohung hatte in Brüssel erneut die Alarmglocken schrillen lassen. Ponta hatte im Sommer versucht, Basescu des Amtes zu entheben und seinen Verbündeten Antonescu ins höchste Staatsamt zu hieven. Dazu erließ er Eildekrete und besetzte Behörden um. Nachdem er für das Referendum zur Amtsenthebung auch die Verfassung außer Kraft setzten wollte, zog Brüssel die Notbremse. Wegen hoher Korruption legte die EU zudem Ende Oktober die Zahlung von Strukturhilfen auf Eis. Das Referendum scheiterte schließlich an der Wahlbeteiligung, obwohl sich fast 90 Prozent der Bürger gegen Basescu aussprachen.

Basescu werde sich auch gegen neue Angriffe verteidigen, schätzen Beobachter in Bukarest. Aus Sicht vieler Rumänen tut die EU aber zu wenig. Bei früheren umstrittenen Verfassungsauslegungen des Präsidentenpalastes seien oft beide Augen zugedrückt worden, sagt der in Brüssel lebende rumänische Politologe Dan Luca. „Ponta ist ein mit Europa vertrauter Pragmatiker, er wird keinen Streit mehr mit der EU suchen.“ Zuerst allerdings muss Rumänien baldmöglichst eine Einigung mit dem IWF über einen neuen Stützkredit erzielen. Paul Flückiger

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