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Frauke Petry kehrte der AfD und ihrem Erzfeind Alexander Gauland den Rücken.

© dpa

Nach Petry-Weggang: Was die Austritte für die AfD bedeuten

Nach dem Abgang von Frauke Petry treten immer mehr Landesfunktionäre zurück oder verlassen die AfD. Sie rechnen schonungslos mit der Partei ab.

Die Austrittserklärung ist eine schonungslose Abrechnung. Die AfD, schreibt der Schweriner Landtagsabgeordnete Matthias Manthei, gleiche einer „Mafia-Familie“, „die man nicht verlassen kann und in der man sich gegenseitig wirtschaftlich versorgt.“ Arbeitslose oder unqualifizierte Parteimitglieder würden mit Mandaten und Mitarbeiterstellen versorgt. Wer austreten wolle, werde gejagt. „Ich kann mittlerweile nachvollziehen, wie es Menschen gehen muss, die aus einer extremistischen Kameradschaft aussteigen wollen“, bekennt Manthei. Er, ein Mitbegründer der AfD in Mecklenburg-Vorpommern ist nicht nur aus der Fraktion der AfD im dortigen Landtag ausgetreten. Er hat schließlich auch die Partei verlassen.

Damit ist er nicht allein. Seit dem Austritt von Ex-Parteichefin Frauke Petry hat in den Ländern eine Reihe von AfD-Funktionären mit der Partei gebrochen. Sie haben die Fraktionen verlassen, sind von ihren Ämtern zurückgetreten und haben nicht selten auch wie Manthei den letzten Schritt vollzogen: den Parteiaustritt. Seit der Bundestagswahl sind mindestens 15 Landesfunktionäre zurückgetreten.

"Die Blaue Partei": Bereits im September gegründet

Petry dürfte das gefallen. Ihr Austritt und der ihres Mannes, des Ex-NRW-Landesvorsitzenden Marcus Pretzell, sahen zunächst weitgehend nach Alleingängen aus. Im Bundestag ist Petry bislang nur ein einziger Abgeordneter in die Fraktionslosigkeit gefolgt. Doch nun zeigen sich in einigen Ländern langsam aber sicher Auflösungserscheinungen. Und Petry ist offenbar bereits darauf vorbereitet, die Abtrünnigen aufzunehmen.

Wie eine Sprecherin des Bundeswahlleiters bestätigte, ist bereits am 17. September, also eine Woche vor der Bundestagswahl, eine Partei mit dem Namen „Die Blaue Partei“ gegründet worden. Die Unterlagen gingen Ende September beim Bundeswahlleiter ein. Zur Identität des Anmelders wollte die Sprecherin keine Angaben machen. Die „Bild“ berichtet allerdings, dass Petrys Vertrauter Michael Muster beim Bundeswahlleiter vorstellig geworden sei. Auch Petry soll am Vorgang der Anmeldung beteiligt gewesen sein. Das liegt auch insofern nahe, als dass sich Petry bereits im Juli die Internetadresse „dieblauen.de“ gesichert hatte.

In der AfD werden einige angesichts der Entwicklungen langsam nervös. Gemäßigten Mitgliedern, denen man zutraut auszutreten, werden Posten in Aussicht gestellt. In der Fraktion unter Alexander Gauland und Alice Weidel hat man bis auf eine Ausnahme darauf geachtet, keine radikalen Abgeordneten zu Vizevorsitzenden oder Parlamentarischen Geschäftsführern zu machen.

"Wie ein Fähnchen im Wind"

Manche meinen eine disziplinierende Wirkung des Petry-Austritts erkennen zu können. Doch die aus- und zurückgetretenen AfD-Funktionäre zeichnen in ihren Erklärungen ein anderes Bild. Am Dienstag verabschiedete sich der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Frank Neppe mit einem verbitterten Brief aus Fraktion und Partei. Er sei enttäuscht von Mitgliedern, die „wie ein Fähnchen im Wind“ ihre Meinungen wechselten, um immer auf der Seite der vermeintlichen Mehrheit zu stehen. „Dass sie nun auch die Kräfte unterstützen, die diese Partei unvermeidlich ins gesellschaftliche Aus führen, ist ihnen egal.“ Zuvor hatte in NRW bereits Alexander Langguth, ein Vertrauter von Petrys Mann Pretzell, die Landtagsfraktion verlassen.

In Mecklenburg-Vorpommern steckt die AfD regelrecht in der Krise. Nicht nur in der Fraktion, wo sich bislang vier Abgeordnete absetzten, sondern auch im Landesvorstand verliert die Partei Funktionäre. Vor wenigen Tagen trat ein weiteres Vorstandsmitglied aus, Michael Bertram. Der Zustand des Landesverbandes sei besorgniserregend, schreibt er in einer Erklärung, die dem NDR vorliegt. Viele Funktionsträger der AfD seien so weit nach rechts gerückt, dass ein Unterschied zur NPD kaum noch erkennbar sei.

Er befürchtet, die AfD solle zu einer „NPD 2.0“ umgebaut werden. Bertram beklagt, dass konservative und bürgerliche Mitglieder aus der Partei gedrängt würden. Auf Facebook und bei AfD-Stammtischen würden sie diffamiert und als Spione bezeichnet. Ihre Gespräche würden heimlich aufgezeichnet und herumgeschickt. Auch ihm sei das passiert.

"Das Ziel ist leider gescheitert"

In Sachsen verließen neben Petry drei Abgeordnete die zuvor 14-köpfige Fraktion. Im Landesvorstand gab es ebenfalls fünf Rücktritte. Es sei ihm immer wichtig gewesen, ein Abdriften der AfD an den politischen Rand zu verhindern, teilte Ex-Landesvorstandsmitglied Ralf Nahlob mit. „Dieses Ziel ist leider gescheitert.“

Auch einige gemäßigte Mitglieder, die noch in der Partei sind, glauben, dass die AfD als bürgerlich-konservatives Projekt am Ende ist. Sie beklagen die Untätigkeit der Gemäßigten gegenüber den Radikalen, die Intrigen und das Mobbing. Für manche von ihnen ist der Austritt nur noch eine Frage der Zeit. Andere warten kommende Personalentscheidungen ab.

Am Wochenende wird in NRW auf dem Landesparteitag eine neue Führung gewählt. Und auf dem Bundesparteitag am ersten Dezemberwoche in Hannover entscheiden die Delegierten über einen neuen Bundesvorstand. Bereits jetzt gibt es Gerüchte, dass sich auch der umstrittene Rechtsaußen Björn Höcke für ein Amt zur Wahl stellen will. Der „Focus“ meldete vergangene Woche sogar: „Björn Höcke will AfD-Vorsitzender werden.“ Das sei bei einem „geheim gehaltenen Treffen des rechten Parteinetzwerks Goslarer Runde“ im August vereinbart worden. Doch selbst wenn Höcke nicht AfD-Vorsitzender, sondern nur Vorstandsmitglied wird, dürfte wohl aus dem Austrittswellchen eine ganze Welle werden.

Lesen Sie hier die gesamte Liste der Aus- und Rücktritte in der AfD auf Landes- und Bundesebene.

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