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Die Tür der Synagoge in Halle weist Spuren von Beschuss auf.

© Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Nach rechtsextremem Terror in Halle: AfD-Politiker nennt Angriff auf Synagoge „Sachbeschädigung“

Der AfD-Landtagsabgeordnete Ulbrich fragt, ob zwei „getötete Deutsche“ oder eine beschädigte Synagogentür schlimmer seien. Politiker reagieren empört.

Wieder wird sich die AfD mit einer Entgleisung eines hochrangigen Mandatsträgers beschäftigen müssen. Der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Roland Ulbrich bezeichnete das versuchte rechtsextreme Massaker an Juden in Halle als „Sachbeschädigung“.

Auf Facebook kommentierte der Jurist bereits am Wochenende: „Es liegt noch nicht einmal der Versuch eines Tötungsdelikts an den Besuchern des Gottesdienstes in der Synagoge vor.“

Nach dem rechtsextremen Terroranschlag auf einen Synagoge in Halle hatte sich die AfD-Spitze schnell bemüht, Solidarität mit Juden zu zeigen und Antisemitismus zu verurteilen. Die beiden Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland hatten das versuchte Massaker als „monströses Verbrechen“ bezeichnet.

AfD-Mann Ulbrich dagegen fragt: „Was ist schlimmer, eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“ Der Eintrag wurde hundertfach geteilt, darunter stehen fast 3000 Kommentare. Viele werten diese Aussage als antisemitisch: Zum einen impliziere sie, dass Juden keine Deutschen seien. Zum anderen verharmlose sie das versuchte Massaker in der Synagoge als geringfügige Tat.

Der rechtsextreme Täter hatte am vergangenen Mittwoch zwei Menschen getötet, nachdem er erfolglos versucht hatte, in eine Synagoge in Halle (Saale) einzudringen. Er benutzte dafür Schusswaffen und Sprengsätze, scheiterte nur durch Zufall an der schweren Holztür des jüdischen Gotteshauses. In dem Gebäude befanden sich mehr als 50 Juden, um Yom Kippur zu feiern.

Roland Ulbrich verbreitete nun seine Sicht auf das versuchte Massaker. Er sitzt für die AfD seit Mai im Stadtrat von Leipzig, sei September ist er auch Mitglied des sächsischen Landtags. Er arbeitet als Fachanwalt für Strafrecht und argumentiert in seinen Beiträgen entsprechend juristisch. So schreibt nennt er etwa seine Stellungnahme zu Halle eine „Auflockerungsübung“ ins Prozessrecht.

Bereits Ende vergangener Woche postete Roland Ulbricht diesen Beitrag auf seiner öffentlichen Facebookseite.
Bereits Ende vergangener Woche postete Roland Ulbricht diesen Beitrag auf seiner öffentlichen Facebookseite.

© TSP

Gefragt, warum er versuche, den Angriff auf die Synagoge als Sachbeschädigung kleinzureden, argumentiert Ulbrich: Er habe lediglich einen juristischen Diskurs begonnen. Es gehe ihm darum, dass der Täter für das, was er getan hat, bestraft wird. Weiter schreibt er: „Worum es geht, scheint doch den Täter für seine falsche Gesinnung zu bestrafen.“ Die Gesinnung sei aber „völlig irrelevant“.

Volker Beck kritisiert Verharmlosung von Antisemitismus

Unter dem Beitrag empören sich Tausende Nutzer über Ulbrichs Beiträge. Der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck und Lehrbeauftragte an der Ruhruniversität Bochum sagte dem Tagesspiegel: „Die angeblich pro-jüdische AfD kann ihre Verachtung für Jüdinnen und Juden und ihre antisemitische Kumpanei nicht im Zaum halten.“

Ulbrich relativiere die antisemitische Motivation des Rechtsterroristen von Halle, argumentierte Beck. Zudem bürgere der AfD-Abgeordnete Juden außerdem sprachlich aus, indem er zwischen Deutschen und Juden unterscheide. Die Implikation: Es gäbe keine jüdischen Deutschen. Beck: „Roland Ulbrich arbeitet mit an dem antisemitischen Klima, das das Leben und die Freiheit von Juden in Deutschland bedroht.“

Auch von jüdischen Verbänden kam scharfe Kritik an dem AfD-Politiker. Levi Salomon vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) sagte dem Tagesspiegel: „Ulbrich verharmlost in seinen abscheulichen Aussagen antisemitischen Terror von rechts als harmlose Sachbeschädigung.“

Dies sei in Anbetracht vorheriger Aussagen von Ulbrich allerdings nicht verwunderlich, so Salomon weiter. Ulbrich war nach Tagesspiegel-Informationen einer der ersten Redner der AfD auf einer der sogenannten „Merkel muss weg“-Demos gewesen. Dort hatte er, laut Teilnehmern, unter anderem gefordert, wieder alle drei Strophen der Nationalhymne zu singen.

Ulbrich gilt selbst in der AfD als Rechtsaußen

Der AfD-Politiker antwortete auf Facebook auf die Kritik vieler Nutzer. Etwa darauf, warum er die Menschen in der Synagoge getrennt von denen betrachtet, die er in seinem Beitrag als „Deutsche“ bezeichnet. Ulbricht schreibt dazu : „Mir ist nicht bekannt, welche Staatsangehörigkeiten die Besucher des Gottesdienstes hatten.“

Wahrscheinlich, so Ulbrich weiter, seien es größtenteils auch Deutsche gewesen. „Aber was spielt das für eine Rolle?“, fragt Ulbrich. In seinem Ursprungsbeitrag hatte der AfD-Politiker noch selbst die Nationalität der Opfer ins Spiel gebracht hatte.

Ulbrich gilt seit langem als Anwalt, der bevorzugt AfD-Politiker verteidigt. Er hat eine Kanzlei in Leipzig und ist einer der Gründer der  "Freiheitlich Patriotischen Alternative" (FPA), die selbst in der AfD noch als äußerst rechtsaußen gilt.

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