zum Hauptinhalt
Polizisten sperren am 25.08.2016 in Reuden bei Zeitz (Sachsen-Anhalt) eine Straße ab.

© dpa

Nach Schießerei in Sachsen-Anhalt: Welche Gefahr stellen "Reichsbürger" dar?

Die Schießerei am Donnerstag in Sachsen-Anhalt löst in der Politik Sorge aus. Wer die "Reichsbürger" sind und was sie wollen.

Von Frank Jansen

Nach der Schießerei zwischen einem „Reichsbürger“ und der Polizei in Sachsen-Anhalt warnt der Innenminister des Landes vor einem wachsenden Risiko. „Das sind Menschen, die sich in Parallelwelten flüchten und bis hin zur Selbstaufgabe staatliche Autoritäten in Frage stellen“, sagte Holger Stahlknecht (CDU), am Freitag dem Tagesspiegel. Stahlknecht bezeichnete die Umtriebe der teilweise rechtsextremen „Reichsbürger“ als Gefahr und „schwerwiegende Störung der öffentlichen Ordnung“.

Am Donnerstag hatte in Reuden (Burgenlandkreis) der „Reichsbürger“ Adrian U. mit Schüssen auf Polizisten versucht, die Zwangsräumung seines Grundstücks zu verhindern. „Reichsbürger“ sprechen der Bundesrepublik die staatliche Legitimation ab. Viele behaupten zudem, das deutsche Reich bestehe fort.

Der 41-jährige U. hatte seine Immobilie zum „Staat Ur“ erklärt. Die Polizei erwartete Widerstand bei der Zwangsräumung und rückte zur Unterstützung des Gerichtsvollziehers mit 200 Beamten an, darunter ein Spezialeinsatzkommando. Adrian U. befand sich mit mindestens einem Dutzend Personen auf dem Grundstück, das er wegen Schulden verlassen muss. Am Tag zuvor hatten U. und Sympathisanten die Räumung verhindert.

Am Donnerstag wurden die Polizisten mit Steinen beworfen. Laut Polizei kam es dann zu einem Schusswechsel zwischen Adrian U. und dem SEK. Der „Reichsbürger“ wurde von mehreren Kugeln getroffen. Drei Polizisten erlitten leichte Verletzungen. Einer bekam einen Streifschuss ab, zwei weitere Beamte wurden von mindestens einer Person gebissen. Adrian U. wurde mit einem Hubschrauber in eine Klinik in Sachsen gebracht. Die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt gegen ihn wegen versuchten Totschlags.

Schillernde Figur

Adrian U. ist eine schillernde Figur. 1998 wurde er in Berlin bei einem Schönheitswettbewerb zum „Mister Germany“ gekürt. Später heiratete er eine frühere „Miss Germany“. Zuletzt war Adrian U. in der Solarbranche tätig. Nach einem Konflikt mit der Polizei gründete er den „Staat Ur“. Verfassungsschützer zählen ihn zum Spektrum der „Selbstverwalter“ im „Reichsbürgermilieu“. Gemeint sind Personen, die ihre Anwesen zu Ministaaten erklären. Solche Leute müssten keine klassischen Rechtsextremisten sein, sie bedienten aber mit der Ablehnung des demokratischen Staates Elemente rechtsextremer Propaganda, heißt es.

Bundesweit gebe es eine „niedrige vierstellige Zahl“ von „Reichsbürgern“ jeglicher Couleur, sagen Sicherheitskreise. Die Szene sei zersplittert, neben harmlosen Spinnern seien auch Holocaustleugner aktiv. Ein Teil des Milieus agiert aggressiv und scheut vor Gewalt nicht zurück. In Baden-Württemberg weigerte sich vorige Woche ein in seinem Auto sitzender „Reichsbürger“, der Polizei den Ausweis zu zeigen. Der Mann gab Gas und schleifte einen Beamten mit. Dessen Kollege konnte den „Reichsbürger“ nur mit einem Schuss in einen Reifen stoppen.

In der Szene kursieren Fantasieausweise und Titel wie „Reichskanzler“. Behörden werden mit wirr formulierten Schriftsätzen eingedeckt.

Zur Startseite