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Vermeidungsstrategie. Erika Steinbach (vorn) und Angela Merkel am Montag in einer Sitzung des CDU-Vorstands in Berlin.

© Reuters

Nach Steinbach-Rückzug: CDU fürchtet Profildebatte

Die CDU will die von Erika Steinbach angestoßene Profildebatte im Keim ersticken. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob die Vertriebenen-Chefin sich an einer Relativierung der deutschen Schuld am 2. Weltkrieg beteiligt hat.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Streit? Wieso? „Wir hatten eine sehr freundschaftliche, einvernehmliche Debatte“, sagt Erika Steinbach. Verlust des Konservativen in der CDU, zurückgedrängt zugunsten liberalen und sozialdemokratischen Ideenguts – wieso? „Ein Tisch hat drei Beine“, sagt Erika Steinbach. Die Vertriebenen-Chefin klingt am Montag nach der Sitzung des CDU-Vorstands so gar nicht mehr wie die Frau, die der CDU mit knalligen Sätzen den jüngsten Konservativismusstreit beschert hat. Selbst ihr angekündigter Rückzug aus der CDU-Spitze soll auf einmal kein dramatisches Signal mehr sein: „Ich bin doch in der CDU“, sagt Steinbach. „Ich muss doch nicht im Vorstand sein.“ Spricht’s, wünscht einen guten Tag und geht.

Der milde absurde Auftritt im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses lässt an Gehirnwäsche denken. Tatsächlich ist die Sache simpler: Steinbach hat kein Interesse an Eskalation, weil sie ihr Ziel erreicht hat. Das CDU-Präsidium hat sich in seiner Klausur am Sonntag ausführlich mit Steinbachs Anklage und den möglichen Folgen bis hin zur Frage beschäftigt, ob eine Parteigründung rechts von der Union zu befürchten sei. Dabei wollte die Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel mit dem Treffen doch einen „Herbst der Entscheidungen“ einläuten, der die bürgerliche Koalition bei den Bürgern wieder ins rechte Licht rücken soll. Eine Profildebatte bewirkt das Gegenteil: Schon wieder Streit, wieder Negativschlagzeilen.

Es geht dabei längst nicht mehr nur um Steinbach und die Frage, ob die Vertriebenen-Chefin sich womöglich an einer Relativierung der deutschen Schuld am Zweiten Weltkrieg beteiligt hat. Steinbach selbst hatte das ideologische Kampffeld erweitert, indem sie Merkel vorwarf, das Konservative geradezu systematisch nicht zu pflegen. Dazu noch schnell das Gespenst der Partei rechts von der Union an die Wand gemalt und ein Seitenhieb auf Merkels klaren Einspruch gegen die Genetikthesen des Thilo Sarrazin – mit wenigen Sätzen hatte Steinbach das volle Unbehagen des konservativen Parteirands an der eigenen Chefin beschworen.

Wie ungelegen die Debatte derzeit selbst Leuten in der CDU kommt, die sich sonst umstandslos selbst als Konservative bezeichnen, ist an Stefan Mappus abzulesen. Der Baden-Württemberger hat in einem halben Jahr eine Landtagswahl zu bestehen. Die Umfragen deuten auf einen Erdrutsch – der schwarze Südwesten droht grün-rot zu werden. „Ich habe ernsthaft keine Lust mehr, jeden Tag zu definieren, wer was tut und deshalb konservativ oder nicht konservativ ist“, klagt Mappus, als er die Gremiensitzung verlässt. Andere, die ebenfalls nicht als liberale Vordenker gelten, versuchen die Diskussion als „virtuelle“ – so Niedersachsens neuer Regierungschef David McAllister – zu entschärfen. Das hilft wenig, wenn zugleich einer wie der bayerische Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein der CDU-Chefin Merkel mangelnde Sensibilität fürs Konservative attestiert, wobei deren „Sozialisation in Ostdeutschland sicher auch eine Rolle“ spiele.

Generalsekretär Hermann Gröhe versichert nach den Beratungen pflichtgemäß, die CDU sei die bestimmende politische Kraft im Lande, die die Grundlagen ihrer Arbeit bewusst pflege. Er macht sich sogar ein bisschen lustig darüber, dass ein Mitvater des rot-roten Senats in Berlin wie Sarrazin jetzt schon als Kronzeuge fürs Konservative gehandelt werde. Peter Müller, der Saar-Landeschef, hat Merkel in der Sitzung unter Beifall dafür gelobt, dass sie Sarrazin zurechtgewiesen hatte. Niemand, sagt Gröhe, sei der Ansicht, dass eine grundlegende Kurskorrektur angezeigt sei. Gleichwohl nehme man die öffentliche Debatte „natürlich ernst“.

Das klingt wieder pflichtgemäß, aber Gröhe versichert das mehrfach. Man kann daraus Unsicherheit ablesen: In Zeiten, in denen die Union in Umfragen an der 30-Prozent-Marke schrammt und die Demoskopen von Emnid das rechte Protestpotenzial bei 20 Stimmprozenten sehen, wird auch der geschrumpfte konservative Rand wieder zum strategisch wichtigen Potenzial. Dass diese Traditionstruppen sich endgültig von der Union abwenden könnten, macht Nachdenklicheren in der Parteiführung weitaus größere Sorgen als die Gefahr einer Partei-Neugründung.

Wie man aber die Truppen hält? Fraktionschef Volker Kauder versucht es auf die schnoddrige Art: „Wir waren uns einig, dass wir alle konservativ sind. Also, wer konservativ ist, kann jetzt kommen.“ Oder bleiben. Am Abend im Fraktionsvorstand hat Kauder sich dafür stark gemacht, dass Steinbach Sprecherin der Union für Menschenrechte bleibt. Und Merkel hat versichert, dass die Abgeordnete ihre Stimme dafür kriegen werde.

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