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Jetzt wird diskutiert. Wer soll Dominique Strauss-Kahn als IWF-Chef folgen?

© dpa

Nach Strauss-Kahn Rücktritt: Debatte um Nachfolge an der IWF-Spitze

Nach dem Rücktritt des inhaftierten IWF-Chefs wird bereits öffentlich über einen Nachfolger diskutiert. Strauss-Kahn selbst wartet auf Besuch und das mutmaßliche Opfer Strauss-Kahns hat überraschend vor der Grand Jury ausgesagt.

Der derzeit berühmteste Häftling der Welt, Dominique Strauss-Kahn, vermisst vor allem seine Armbanduhr. Ansonsten gehe es ihm aber recht gut, sagte sein Anwalt William Taylor der französischen Zeitung "Le Parisien". Er habe seinen Mandanten für etwa zwei Stunden am Mittwochnachmittag gesehen. "Er macht einen guten Eindruck, das ist das wichtigste. Aber er ist natürlich sehr traurig, das ist seinen Augen abzulesen", erklärte er. Taylor hat dem mittlerweile zurückgetretenen IWF-Chef auch frische Wäsche gebracht. Nach Informationen von "Le Figaro" könnte Strauss-Kahn am Donnerstag erstmals Besuch von seiner Frau Anne Sinclair bekommen - an diesem Tag haben die Inhaftierten von M bis Z Besuchstag. Dazu müsse er den Regeln der Haftanstalt entsprechend einen grauen Overall ohne Taschen anziehen, damit sie ihm nichts zustecken könne.

Ob tatsächlich Selbstmordgefahr besteht, ist laut "Figaro" unklar. Die Überwachung im Viertelstundentakt sei lediglich eine Routinemaßnahme. Andererseits habe sich Strauss-Kahn bei der ärztlichen Untersuchung möglicherweise auffällig verhalten, so dass die Ärzte sich Sorgen machten, hieß es unter Berufung auf einen ungenannten Gefängnis-Mitarbeiter.

Die Entscheidung als IWF-Chef zurückzutreten teilte Strauss-Kahn in einer Erklärung mit, die der Internationale Währungsfonds am Donnerstag als "formelles Rücktrittsschreiben" auf der IWF-Internetseite veröffentlichte. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies Strauss-Kahn in der Mitteilung zurück.

"Ich möchte diese Institution schützen", schreibt Strauss-Kahn dort über den IWF. Er denke bei seiner Entscheidung an seine Frau, seine Kinder und seine Kollegen. Alle Vorwürfe gegen ihn bestreite er mit der "größtmöglichen Festigkeit". Er wolle nun all seine Kraft, seine Zeit und seine Energie dem Beweis seiner Unschuld widmen.

Der IWF teilte auf seiner Webseite mit, man werde in "naher Zukunft" über den Auswahlprozess eines neuen Chefs Auskunft erteilen. In der Zwischenzeit bleibe John Lipsky amtierender Chef.

Nachfolger gesucht

Die Diskussion über einen Nachfolger war bereits vor dem Rücktritt voll entbrannt. Der niederländische Notenbankgouverneur Nout Wellink brachte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet als Kandidaten ins Spiel. Trichet wäre ein “fantastischer Kandidat“, sagte Wellink im niederländischen Fernsehen. Trichet soll allerdings erst Anfang November von seinem bereits nominierten Nachfolger, Italiens Notenbankchef Mario Draghi, abgelöst werden. Auch die französische Finanzministerin Christine Lagarde wäre nach Ansicht ihres schwedischen Kollegen Anders Borg eine gute Wahl für den Posten. Lagarde habe eine sehr starke Führung in der Gruppe der Euro-Finanzminister und der Gruppe der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G8) gezeigt, sagte Borg der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Bundesregierung und die EU-Kommission hatten sich für den Fall des Rücktritts bereits für einen Europäer auf dem IWF-Chefsessel ausgesprochen und damit Schwellenländer herausgefordert, die den traditionellen Anspruch Europas auf den Posten knacken wollen. Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler hat sich für Ex-Bundesbankchef Axel Weber als Nachfolger für den zurückgetretenen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn ausgesprochen. "Axel Weber wäre als 'Falke' in dieser schwierigen Zeit der richtige Kandidat", sagte das FDP-Bundesvorstandsmitglied am Donnerstag "Handelsblatt Online". "Geradlinig, ordnungspolitisch sauber und international anerkannt, wäre er ein Glücksfall für dieses wichtige Amt."

China, Brasilien und Südafrika drängen auf einen neuen Ansatz bei der Nachfolgersuche. China bekräftigte, die Auswahl der neuen IWF-Führung solle auf den Prinzipien der “Leistung, Transparenz und Fairness“ erfolgen. Grundsätzlich glaube China, dass Schwellen- und Entwicklungsländer in Spitzenpositionen vertreten sein sollten, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums.

Brasiliens Finanzminister Guido Mantega wiederholte, der nächste IWF-Chef solle auf Grundlage seiner Eignung und nicht seiner Nationalität ausgewählt werden. Mexiko und Japan sprachen sich für einen offenen Auswahlprozess aus. Die Chefs der internationalen Finanzorganisationen sollten auf Grundlage ihrer Eignung durch einen offenen und transparenten Prozess bestimmt werden, sagte Japans Finanzminister Yoshihiko Noda in einer ersten Reaktion.

Strauss-Kahn weiter in Einzelhaft

Belastbare Informationen zu den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Dominique Strauss-Kahn sind weiterhin rar. Was die Öffentlichkeit erfährt, stammt aus parteiischen Quellen, voran von den Anklägern und den Verteidigern. Beide Seiten stellen die Abläufe so dar, wie es ihren gegenläufigen Interessen dient.

Zwei Menschenleben sind bereits jetzt aus der Bahn geworfen – ohne Aussicht auf Rückkehr in den Alltag. Auch in der hohen Politik hat die Tat eine mächtige Dynamik in Gang gesetzt. Sie greift folgenschwer in die französische Präsidentschaftswahl, den Umgang mit der Eurokrise und die nationale Zusammensetzung der Führung des Internationalen Währungsfonds ein.

Strauss-Kahn sitzt in Einzelhaft auf der Gefängnisinsel Rikers im New Yorker East River und steht angeblich unter Selbstmordgefahr. Der internationale Druck, er solle als IWF-Chef zurücktreten, wuchs in den vergangenen Tagen.. Selbst wenn sich seine Unschuld herausstelle, sei er nicht mehr zu halten, hatten führende Politiker in Frankreich und den USA gesagt. Am Mittwochabend trat Strauss-Kahn dann zurück.

Das 32-jährige Zimmermädchen kann wegen des Medienansturms nicht in ihre Wohnung. Sie lebt jetzt unter Polizeischutz an einem geheim gehaltenen Ort. Französische Medien nennen ihren vollen Namen, amerikanische verzichten zu ihrem Schutz darauf. Ihre Familie habe sie mit dem Kosenamen „Nafi“ gerufen, sagt ihr 42-jähriger Bruder, der in New York ein afrikanisches Restaurant betreibt. Die in Frankreich kursierende Spekulation, seine Schwester habe Strauss- Kahn eine Falle gestellt, um Geld zu kassieren oder dessen Präsidentschaftskandidatur zu verhindern, nennt er abwegig. „Sie kannte ihn nicht.“ Sie sei unpolitisch, wisse nicht einmal, wer Bürgermeister von New York sei. „Sie ist praktizierende Muslimin und trägt Kopftuch.“ Nafi stehe unter Schock. „Sie weint jetzt viel.“ Früher habe sie, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam, gerne afrikanische TV-Serien geschaut.

Zimmermädchen sagt aus

Nach US-Medienberichten stammt sie aus Guinea in Westafrika, kam vor sieben Jahren in die USA und habe um politisches Asyl gebeten. Die Angaben zu ihren Familienverhältnissen schwanken. Mal wird sie eine alleinerziehende Mutter genannt, deren Familie in Afrika lebe, mal eine Witwe. Mal hat sie eine Tochter, mal zwei, und auch die Informationen zu deren Alter variieren zwischen neun und 15 Jahren.

Nach Angaben der Boulevardzeitung „New York Post“ lebte sie seit seit einiger Zeit in Wohnungen, die nur an Aidskranke vermietet werden. Wegen der Vertraulichkeit ärztlicher Akten sei aber unklar, ob die 32-Jährige infiziert sei. Nach den Regeln der Organisation müsse aber mindestens ein Erwachsener in der Wohnung HIV-positiv sein, damit das Apartment vermietet werden könne.

Die Entscheidung, ob Anklage erhoben wird, fällt eine Grand Jury in New York am Freitag. Schon am Mittwoch sagte das mutmaßliche Opfer vor ihr aus. Der Fernsehsender CNN berichtete, dass die 32-Jährige abgeschirmt in New York vernommen wurde. Über die Aussage vor der Kammer wurde zunächst nichts bekannt.

Derweil wird hinter den Kulissen bereits um die Nachfolge Strauss-Kahns gerangelt. Jean-François Copé, Chef der französischen Regierungspartei UMP und damit ein politischer Gegner des Sozialisten Strauss-Kahn, meint, man müsse „in den nächsten Tagen“ einen Nachfolger an der IWF-Spitze finden. (mit dpa/rtr)

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