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Der Kölner Hauptbahnhof.

© dpa

Nach Übergriffen von Köln: Ja, es sind Ausländer! Und jetzt?

Die Herkunft der Kölner Verdächtigen zu verschweigen, ist unredlich und antidemokratisch. Aber was hilft es, sie zu nennen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Ein Generalverdacht ist genauso wenig der richtige Weg wie das Tabuisieren der Herkunft von Kriminalität, sagt Thomas de Maizière zur Kölner Silvesternacht und warnt vor einer „Schweigespirale“. Schweigespirale, das ist die Theorie der Kommunikationsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann, derzufolge jemand umso leiser seine Meinung sagt, je mehr er den Eindruck bekommt, dass alle anderen das Gegenteil denken. Das beste Beispiel war sie selbst. Gefeiert und geehrt, wie sie war, wagte kaum jemand, ihr publizistisches Wirken im Dritten Reich zu thematisieren.

Heute ist die Schweigespirale so tot wie ihre Entdeckerin. Stattdessen gibt es die dröhnende Internet-Schlacht, wie sie auch um den Kölner Vorfall tobt. Rassisten gegen Flüchtlingsfans, Obergrenze gegen Unterschicht, Sexismus-Opfer gegen Macho-Täter. Alle meinen alles. Für Merkel immerhin Neuland, für ihren Innenminister wohl noch ein fremder Kontinent.

Die besorgten Bürger brauchen sich deshalb in einem Punkt nicht zu sorgen – dass etwas verschwiegen wird. Die Bürger, die Presse, sie haben ein Recht darauf zu erfahren, ob die Verdächtigten der Domplatten-Übergriffe im Asyl leben oder es beanspruchen, ob es Flüchtlinge sind oder woher sie kommen. Der Grund dafür ist einfach. Wie leben in einem transparenten Staat. Auskünfte dürfen nur in begründeten Ausnahmefällen verweigert werden. Fast alles muss raus.

Andererseits besteht für den Staat weder eine Pflicht noch ein Anlass, solche Informationen im Moment ihrer Erfassung in die Welt zu posaunen. „Ausländer klaut Deutschem die Brieftasche“. Das passiert dauernd. Muss es dauernd in die Öffentlichkeit? Muss es dies auf diese Weise? Muss es überhaupt? Wir sollten es nicht dem Staat überlassen, was wir wissen wollen. Wir müssen es selbst entscheiden. Wir müssen fragen. Und wenn es für die Debatten, die wir führen, nach unserer Ansicht wichtig ist, gehört auch Nationalität und Aufenthaltsstatus von – mutmaßlichen – Straftätern dazu, selbst wenn die Bundesregierung, Kölns Polizeipräsident oder wer auch immer solche Diskussionen am liebsten unterdrücken würde. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Hier wie überall.

Wir reden permanent darüber, dass man angeblich nicht darüber reden darf, dass es um Ausländer geht. Und keinem fällt der groteske Widerspruch auf.

schreibt NutzerIn fuehrerscheinnichtnutzer

Wir sind selbst verantwortlich

Wir, die wir uns an öffentlichen Debatten beteiligen, im Netz, in der Presse, sind verantwortlich. Wir müssen selbst beurteilen, was eine Information bedeutet. Der Innenminister meint, die Information bedeute hier die „Herkunft von Kriminalität“. Kriminalität hat aber keine Herkunft. Es gibt nur die Herkunft von Kriminellen. Genauer: Die Herkunft von Kriminellen und die von Nichtkriminellen, die hierher kommen und hier kriminell werden. Niemand muss tabuisieren, dass es das gibt. Aber inwieweit muss es uns interessieren? Eine Information ist die Antwort auf eine Frage – aber noch lange nicht die Lösung für ein Problem.

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