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Politik: Nach unbestätigten Informationen

Die Akten des Bremer Verfassungsschutzes über Kurnaz zeigen: Die Erkenntnisse über ihn waren vage

Berlin - Noch am vergangenen Donnerstag hatten die Mitglieder des BND-Untersuchungsausschusses ihre Sitzung abgesetzt. Ein Eklat: Wegen fehlender Unterlagen wurde die Befragung solch hochrangiger Zeugen wie des früheren BND-Präsidenten August Hanning (heute Staatssekretär im Bundesinnenministerium) und dessen Nachfolger Ernst Uhrlau auf die kommende Woche vertagt. Am Montag nun sollen die Dokumente vorliegen – und sie werden die Befragung für Hanning und Uhrlau nicht einfacher machen.

Ein mit „VS-Vertraulich“ gestempelter Vermerk des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz vom 20. Februar 2002, der sich in den Dokumenten findet und der den Ausschussmitgliedern jetzt zukommen soll, enthält Informationen über den Bremer Türken Murat Kurnaz, seine Radikalisierung in der Bremer AbuBakr-Moschee und seine Absichten eines „Einsatz(es) unter der Führung der ,Taliban‘ in Afghanistan“. Insbesondere dieser Vermerk diente der inzwischen vielfach beschriebenen Präsidentenrunde im Bundeskanzleramt – zu der die Chefs der deutschen Geheimdienste und der sicherheitspolitische Führungsstab der Regierung zusammentreten – unter anderem am 29. Oktober 2002 als Grundlage, Kurnaz als gefährlichen Islamisten einzustufen. Und damit dessen Entlassung aus Guantanamo, vorsichtig formuliert, keine Kraft zu widmen.

Allerdings findet sich in dem Vermerk auch ein Zusatz, der wiederum die Mitglieder der Opposition im Untersuchungsausschuss in ihrer Kritik an der Präsidentenrunde und am damaligen Kanzleramtschef und heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) stützen könnte: „Die Abu-Bakr-Moschee“, so heißt es als Vorsatz zu den nachrichtendienstlichen Erkenntnissen über die Moschee und über Kurnaz, „unterlag wegen fehlender Anhaltspunkte für islamistische Aktivitäten bislang nicht der Beobachtung. Die von hier gewonnenen Erkenntnisse resultieren aus einem Quellenzugang, der erst aufgrund des aktuellen Ereignisses gewonnen wurde. Sie sind infolgedessen unbestätigt und noch nicht zu bewerten.“ Im Klartext heißt das, dass zwar jemand im Nachhinein Aussagen über Kurnaz’ islamistischen Werdegang gemacht hat, was davon allerdings zutrifft, bleibt unklar.

Gezeichnet ist das widersprüchlich zu lesende Dokument vom damaligen Vizechef des Bremer Landesamtes, Lothar Jachmann. Jachmann, inzwischen pensioniert, hat im ARD-Magazin „Monitor“ am vergangenen Donnerstag der Darstellung widersprochen, Kurnaz sei 2002 ein Sicherheitsrisiko für Deutschland gewesen. Es habe nie eine bestätigte Information gegeben, wonach Kurnaz nach Pakistan gereist sei, um mit Al Qaida Verbindung aufzunehmen oder zu kämpfen, sagte er. Der Bericht des Bremer Verfassungsschutzes, der dies nahelege, sei „professionell unter aller Sau“.

Voraussichtlich wird der Sachverhalt nun am Donnerstag im Ausschuss behandelt. Der Auftritt von Steinmeier, der eigentlich für den 8. März angekündigt war, könnte dann am 22. März stattfinden. Zumindest die Unterlagen sind nach Angaben von Vize-Regierungssprecher Thomas Steg vier Wochen nach der Anforderung durch den Ausschuss da. Sie seien dem Ausschuss am Donnerstagabend zugestellt worden, sagte Steg. Er bezeichnete es als bedauerlich, dass der Ausschuss die Bremer Akten erst jetzt bekommen habe, und wies zugleich zurück, dass es sich um eine Verschleierungsstrategie der Regierung gehandelt habe. Vielmehr habe es offensichtlich Missverständnisse zwischen den Behörden in Bremen und Berlin gegeben. Steg zufolge mussten die Bremer Behörden noch zwölf Aktenstücke aus dem Paket herausnehmen, da sie Informationen wie zur Zusammenarbeit mit Geheimdiensten anderer Länder enthielten, die nicht öffentlich werden dürften. mit dpa

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