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Ein Vorstoß. Bundestagspräsident Norbert Lammert ist dafür, die Immunität abzuschaffen. So deutlich sagt dies bislang kaum ein Abgeordneter.

© Bodo Marks/dpa

Nach Vorschlag von Norbert Lammert: "Bloßstellung gibt es nicht" - Wadephul gegen Abschaffung der Immunität

Der Vorsitzende des Bundestags-Immunitätsausschusses widerspricht dem Parlamentspräsidenten: Der Schutz vor Strafverfolgung muss bleiben, meint er.

Der Vorsitzende des Bundestags-Immunitätsausschusses Johann Wadephul hat Forderungen widersprochen, den im Grundgesetz verankerten Schutz vor Strafverfolgung für Parlamentarier zu streichen. „Ich sehe keinen Grund für Änderungen. Die historische Erfahrung Deutschlands lehrt, wie bedeutsam dieser Schutz für eine funktionierende Volksvertretung ist. Er ist weiterhin sinnvoll“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Zuvor hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert im Hinblick auf Fälle wie zuletzt den des Grünen-Abgeordneten Volker Beck vorgeschlagen, die geltenden Immunitätsregeln abzuschaffen, da das Verfahren eine Öffentlichkeit erzeugt, die Abgeordnete der Gefahr von Vorverurteilungen aussetzt.

„Eine Bloßstellung im Verfahren selbst gibt es nicht“, sagt dagegen Wadephul. „Soweit öffentliches Interesse geweckt wird, liegt das in dem öffentlichen Amt des Abgeordneten begründet. Dieses Interesse gibt es ohne und mit Immunität.“ Der Politiker verwies darauf, die grundgesetzliche Immunität diene nicht dem Schutz des einzelnen Parlamentsmitglieds, sondern solle den Parlamentsbetrieb vor Eingriffen der Exekutive schützen. „Der Immunitätsschutz wird nicht dazu genutzt, unliebsame Ermittlungen oder darüber hinausgehende Strafverfolgungsmaßnahmen abzuwehren. Der Deutsche Bundestag ist bislang, auch im Interesse seiner Mitglieder, verantwortungsvoll mit der Immunität umgegangen und wird dies auch weiterhin tun.“

Nach den geltenden Regeln werden Ermittlungen gegen Abgeordnete vom Bundestag pauschal genehmigt, den konkreten Verdacht müssen die Staatsanwälte aber in jedem Einzelfall beim Parlament melden. Weitere Maßnahmen wie Durchsuchungen oder Anklagen muss das Parlament ausdrücklich erlauben. Erst damit wird die Immunität aufgehoben.

Wadephuls Stellvertreterin im Ausschuss, Ex-Familienministerin Kristina Schröder (CDU), teilt hingegen Lammerts Kritik: Das Immunitätsrecht könne sehr schnell zu einem „Pranger für Abgeordnete“ werden, weil die Aufhebung in einem sehr frühen Stadium der Ermittlungen notwendig sei und dies in der Öffentlichkeit fast immer wie eine Verurteilung wahrgenommen werde. „Auch wenn der Abgeordnete völlig unschuldig ist, bleibt das Stigma erhalten, allein schon deshalb, weil die Öffentlichkeit oft vom Ausgang des Verfahrens gar nichts mehr erfährt“, sagte Schröder. Das Parlament selbst könnte aus ihrer Sicht einen entscheidenden Beitrag leisten, dies zu verhindern: „Nicht dazu beitragen, dass Aufhebungen der Immunität eines Abgeordneten öffentlich werden. Die Bevölkerung hat nur ein legitimes Recht, von Verurteilungen zu erfahren, nicht aber von laufenden Ermittlungen.“ Abschaffen möchte Schröder die geltenden Schutzvorschriften dennoch nicht, auch wenn sie heute „ambivalent“ geworden seien. „Nahm es den Parlamentariern früher die Angst vor der Willkür der Exekutive, schützt es heute immer noch vor allem vor politisch motivierten Klagen.“

Parlamentspräsident Lammert sieht in den Regelungen „keine Vorteile“. Dem Tagesspiegel hatte er gesagt, Immunität werde in der Öffentlichkeit zwar als Privileg der Abgeordneten angesehen, sei in Wirklichkeit aber eher eine Belastung. Der Bundestag sei als Institution stark genug und nicht auf den Immunitätsschutz angewiesen.

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