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Seit 70 Jahren gibt es die Vereinten Nationen. Doch als "Weltregierung" sind sie meistens eine große Enttäuschung. Dennoch haben sie es mit den neuen SDGs geschafft, sich anspruchsvolle Ziele zu setzen.

© Matt Campbell/dpa

Nachfolge von Ban Ki-Moon: Zeit wird's für eine UN-Generalsekretärin

Die Vereinten Nationen brauchen endlich eine Frau an der Spitze. Ein Gastbeitrag.

Das Mandat des amtierenden Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Ki-Moon, endet am 31. Dezember 2016. Der Sicherheitsrat wird voraussichtlich gegen Mitte 2016 eine Kandidatin vorschlagen, die dann von der Generalversammlung gewählt wird. Der Entscheidungsprozess, oft als undurchsichtig und verschwiegen kritisiert, soll bei den anstehenden Wahlen, durch Festsetzung von Kriterien für potentielle Kandidatinnen, Verteilung von Lebensläufen und informelle Anhörungen, transparenter gemacht werden. Das hat sich die UN zumindest mit der Resolution A/69/1007 vorgenommen. Ob es funktioniert, wird vom Druck aus Mitgliedsstaaten und Öffentlichkeit abhängen.

Die Golfstaaten müssen mehr zahlen

Was sind die Herausforderungen für die neue Generalsekretärin? In zwei Bereichen müssen Autorität und Funktionsfähigkeit der UN gestärkt werden.

Die humanitären Unterorganisationen der Vereinten Nationen haben in den vergangenen Jahren großes geleistet. Sie haben Millionen von Menschen das Leben gerettet und zur Bewältigung von Katastrophen substanziell beigetragen. Sie sind dabei aber auf die Finanzierung durch die Mitgliedsstaaten angewiesen. Die große Flüchtlingsbewegung im Nahen Osten zeigt, was passiert wenn Rationen gekürzt werden oder kein Heizmaterial zur Verfügung steht, weil die UN Staaten nicht ausreichend Geld zur Verfügung stellen. Die neue Generalsekretärin wird unter anderem die Golfstaaten, die sich bisher finanziell sehr zurückhalten, mehr zur Kasse bitten müssen. Die Weltgemeinschaft muss die humanitären Unterorganisationen in den nächsten Jahren besser finanzieren. Gleichzeitig wird die neue UN Generalsekretärin weitere Reformen für mehr Effizienz durchsetzen müssen.

Mögliche Konflikte müssen früher erkannt und benannt werden. Dem muss sich ein politischer Prozess anschließen um Gewalt zu verhindern. Dazu muss die Krisenprävention erheblich verbessert werden. Um Konfliktparteien zum Dialog zu bringen, müssen Formate entwickelt werden, die Krisen effektiver, besser und zielorientierter lösen können. Dies wird nur gelingen wenn sich die politisch starken Akteure in der UN hinter diese Formate stellen und Druck auf Konfliktparteien ausüben sich den Mechanismen zu unterwerfen. Eine deutlich sichtbarere und aktivere Rolle der Vereinten Nationen muss geschaffen werden um der Verantwortung zum Schutz (Responsibility to Protect) gerecht werden zu können. Alle Nationen müssen sich an diesem präventivem Krisenmanagement beteiligen. Eine besondere Verantwortung liegt bei den politisch einflussreichen UN Mitgliedern, insbesondere den permanenten Mitgliedern des Sicherheitsrats. Das bedeutet auch, dass China, als bevölkerungsreichstes und wirtschaftlich starkes Land zu mehr Unterstützung gebracht werden muss. Gleichzeitig muss Russland in den nächsten Jahren von einer konstruktiveren Rolle überzeugt werden.

Drei Namen sind derzeit ernsthaft im Gespräch

Die neue Generalsekretärin wird mit den Spannungen zwischen den fünf permanenten Mitgliedern des Sicherheitsrates umgehen müssen. Die politische Handlungsfähigkeit des Sicherheitsrats muss unbedingt erhöht werden. Ein erneutes Komplettversagen wie die Weltgemeinschaft es zurzeit in Syrien mit Schrecken beobachtet, darf sich nicht noch einmal wiederholen. Die Vereinten Nationen müssen die Fähigkeit haben bei einem Versagen von Präventionsmechanismen zur Beendigung von Konflikten maßgeblich beizutragen. Dazu braucht die neue UN-Generalsekretärin nicht nur diplomatisches Geschick sondern muss auch Härte in der politischen Auseinandersetzung zeigen.

Warum sollte die nächste Generalsekretärin aus Osteuropa kommen? Nach dem informellen Rotationsprinzip der Vereinten Nationen ist Osteuropa jetzt ‚dran’. Die letzten Generalsekretäre kamen aus Asien, Afrika und dem Nahen Osten. Für eine Kandidatin aus Osteuropa spricht aber auch, dass eine Mittlerin zwischen dem Westen und Russland dringend nötig ist.

Drei Namen sind derzeit ernsthaft im Gespräch: Die bulgarische EU-Kommissarin Kristalina Georgieva, die Unesco-Generalsekretärin Irina Bokova, ebenfalls aus Bulgarien, und die kroatische Außenministerin Vesna Pusić. Zwei Frauen tun sich dabei besonders hervor: Die Bulgarin Irina Bokova überzeugt mit fundierten Kenntnissen der Vereinten Nationen und hat die Unesco als Generalsekretärin durch schwierige Budgetkürzung geführt und erfolgreich neu strukturiert. Ihre guten Beziehungen zu den USA, Frankreich, Russland, China und den G77 können in der schwierigen Gemengelage zwischen den Weltmächten nur nützlich sein. Die kroatische Außenministerin Vesna Pusić hat zur Aussöhnung auf dem Balkan beigetragen, den EU Beitrittsprozess ihres Landes wesentlich geprägt und verfügt über langjährige politische Erfahrung im internationalen Bereich. Auch bei ihrem Einsatz für die Rechte von LGBT und die Gleichberechtigung der Geschlechter hat sie Mut und Führungskraft bewiesen. Als Generalsekretärin würde sie den Menschenrechten zu mehr Geltung verhelfen. Kristalina Georgieva hat keine wirkliche Chance. Solange die EU Sanktionen gegen Russland in Kraft sind, wird Moskau kaum einer herausgehobenen Vertreterin der EU zustimmen. Zudem fehlen ihr die notwendige diplomatische Erfahrung und die Unterstützung der bulgarischen Regierung.

Die Frage ob eine Frau die nächste Generalsekretärin wird oder nicht stellt sich im Jahr 2015 nicht ernsthaft. Schon in ihrer Gründungscharta von 1945 spricht die UN von der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Trotzdem gab es bisher nur männliche UN Generalsekretäre. Also, Zeit wird’s.

Der Autor ist ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung.

Markus Löning

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