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Kein Kind von Traurigkeit. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat die Gerichtsentscheidung schon verdaut.

© dpa

Nachtragshaushalt: Ein bisschen wirr in Düsseldorf

Nach dem Richterspruch zum Landesetat in Nordrhein-Westfalen: Die CDU tritt mutiger auf, als sie ist. Die SPD beschwichtigt und lenkt ab.

Norbert Röttgen brauchte eine Nacht, um seine Position zu verändern. Als er am frühen Dienstagnachmittag während eines Hintergrundgesprächs mit Berliner Journalisten davon hörte, dass das Verfassungsgericht den Nachtragshaushalt der rot-grünen Minderheitsregierung in Düsseldorf vorläufig auf Eis gelegt habe, sprach er das Wort „Neuwahlen“ nur mit großer Zurückhaltung aus. Während er viele Gründe fand, den Menschen in Nordrhein-Westfalen einen erneuten Urnengang zu ersparen, kursierten in Düsseldorf schon neue Kabinettslisten, in denen sich der eine oder andere regionale CDU-Politiker zum Minister einer großen Koalition beförderte. Nachdem dies öffentlich geworden war, ruderte Landesparteichef Röttgen am Mittwoch zurück. „Wir laufen der Regierung nicht hinterher“, gab er als neue Parole aus und fügte noch hinzu, dass seine Partei Neuwahlen „aktiv und offensiv betreiben“ werde.

Damit hatte der Bundesumweltminister versucht, die Schlagzeilen des Tages noch vor der Parlamentsdebatte um die Konsequenzen aus dem Richterspruch zu beherrschen. Wer sich freilich die Mühe machte, das vom CDU-Landeschef Gesagte im Detail zu analysieren, kam rasch zu dem Schluss, dass er sich inhaltlich nur minimal bewegt hatte. Röttgen hatte so etwas wie seinen Fahrplan für mögliche Neuwahlen skizziert, daran allerdings gleich so viele Bedingungen geknüpft, dass höchst fraglich ist, ob es so kommt. Röttgen hatte gleich zwei Hürden aufgebaut, bevor er sich den Wählern stellen würde: Erstens müsste Rot-Grün mit dem Nachtragshaushalt nicht nur vor Gericht scheitern, sondern auch im Parlament, und zweitens will Röttgen Neuwahlen erst dann, wenn auch der Haushalt des laufenden Jahres keine Mehrheit findet.

Dass diese Bedingungen eintreten, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Die erste Hürde kann das Verfassungsgericht selbst beseitigen. Dass die Richter den Nachtragshaushalt wirklich komplett für verfassungswidrig erklären, erwarten nicht einmal die beiden klagenden Parteien CDU und FDP. Das lässt sich schon aus der einstweiligen Anordnung vom Dienstag herauslesen. Zwar lautete die Überschrift der Pressemitteilung: „Verfassungsgerichtshof untersagt den Vollzug des Nachtragshaushaltes“. Doch das war falsch, auch wenn dieser Tenor viele Schlagzeilen bis in den Mittwoch hinein dominierte. Im Urteil selbst begründeten die Richter freilich ausführlich, dass sie genau das nicht getan haben. „Es gibt zwei Auflagen: Wir müssen den Jahresabschluss verschieben und wir dürfen keine weiteren Kredite aufnehmen“, listete Finanzminister Norbert Walter Borjans (SPD) im Landtag trocken auf und sagte gleich zu, dass er damit überhaupt kein Problem habe. In der Tat muss er im Moment keinerlei langfristige Kredite aufnehmen. Er kann das aus gleich zwei Gründen versprechen: Erstens dürfte er sich trotz des Richterspruchs jederzeit über – mit einem Prozent Zinsen extrem günstige – Kassenkredite refinanzieren, zweitens braucht er im Moment keinerlei Kredite, weil sein Haushaltsabschluss um insgesamt 1,4 Milliarden besser als geplant ausfallen wird. Die letzten Details fehlen im Ministerium noch, aber dieser Umstand wird ihm vor Gericht erheblich helfen.

Dass das Gerangel um den Nachtragshaushalt Auswirkungen auf den Etatentwurf für 2011 haben wird, bezweifeln die Köpfe des Regierungslagers. Strittig im Nachtrag sind die Rückstellungen für künftige West-LB-Lasten, die vermutlich erst im Jahre 2012 gebraucht würden. Die Regierung wollte die durch die alte Regierung angelegten Mittel von etwas mehr als einer Milliarde Euro um noch einmal 1,3 Milliarden Euro aufstocken, was möglicherweise untersagt werden könnte, weil die Richter Kredite für solche Positionen nicht mehr akzeptieren. „Das sind Ihre Altlasten“, rief Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ihrem Vorgänger Jürgen Rüttgers zu, in dessen Amtszeit der Großteil der inzwischen ausgelagerten Schrottpapiere gekauft wurde. Falls die Richter ihr die Rückstellung 2010 nicht genehmigen sollten, hat das erst einmal keine Rückwirkungen auf das laufende Jahr. Erst 2012 müsste sie erneut vorsorgen. Bis dahin könnte es allerdings passiert sein, dass die Regierung einen anderen Grund als den Haushalt findet, um die Wähler über Neuwahlen um ein neues Mandat zu bitten – was aus demoskopischer Sicht eher günstig für die Regierung als die Opposition ausgehen würde.

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