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Wladimir Putin, Russlands Präsident.

© dpa

Nadelstiche zwischen Europa und Russland: Es ist richtig, dass Wladimir Putin beim G-7-Gipfel in Elmau nicht dabei ist

Der russische Präsident Wladimir Putin wurde zum G-7-Treffen der führenden Industrienationen am Wochenende nicht eingeladen. Das ist eine richtige Entscheidung, um dem Kremlchef zu zeigen, dass die Annexion der Krim Konsequenzen hat. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

Wer bietet mehr? Wer setzt noch eins drauf? Die europäisch-russische Spirale der gegenseitigen Nadelstiche dreht sich weiter und weiter. Die neueste Stufe: Auf Sanktionen gegen Russland folgen Schwarze Listen mit Einreiseverboten für europäische Politiker, Beamte und Militärs, die das EU-Parlament nun wiederum mit Hausverboten für Russen bestrafen will.

Jedoch fällt die EU-Retourkutsche nicht ganz so hart aus, wie es zunächst zu lesen war: Vom spektakulären „Rauswurf“ des Moskauer EU-Botschafters durch Parlamentspräsident Martin Schulz schrumpfte die Meldung über Nacht auf eine teilweise Zugangsbeschränkung für russische Diplomaten. Schuld an der Verwirrung war ein Übersetzungsfehler gleich mehrerer Nachrichtenagenturen. Allerdings: Zuzutrauen wäre Martin Schulz ein solcher Schritt schon. Und auf fruchtbaren Aufregerboden fiel die Nachricht ja auch – der skandalisierte Nachhall hielt im Internet auch am Tag danach noch an.

Klar, dass da die russischen Reaktionen nicht lange auf sich warten ließen – und rhetorisch noch mal eins drauf setzten: Die Inquisition sei zurück, die Jagd auf russische Hexen eröffnet, wurde der Facebook-Eintrag einer Russin zitiert, die fürs Außenministerium arbeiten soll. Und was kommt als Nächstes? Fehlt eigentlich nur noch der Holocaust-Vergleich.

Weniger aufgeregt wurde die Nachricht aufgenommen, dass auch die Zusammenarbeit im gemeinsamen Parlamentarischen Kooperationsausschuss bis auf Weiteres ausgesetzt wird. Das Gremium, das je zur Hälfte mit Europa-Parlamentariern und russischen Abgeordneten besetzt ist, soll eigentlich die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten fördern. Die aber scheint gerade nicht mehr gefragt. Dabei könnte man sich schon vorstellen, dass bei solchen halbjährlichen Treffen durchaus Vernünftiges besprochen wird.

Wie passt das alles zu der Tatsache, dass der russische Präsident Wladimir Putin auch in diesem Jahr nicht beim G-7-Treffen der führenden Industrienationen, früher bekannt als G 8, dabei sein wird – was von gleich zwei (sozialdemokratischen) Alt-Kanzlern und auch Teilen der deutschen Wirtschaft immer lauter kritisiert wird, je näher der Gipfelbeginn rückt? Gar nicht.

Westliche Regierungschef suchen das Gespräch mit Putin bei anderer Gelegenheit

Denn: Bekannt ist dieser Ausschluss seit mehr als einem Jahr. Die Entscheidung wurde vor dem letzten Gipfel getroffen, nachdem Russland die Krim im März 2014 völkerrechtswidrig annektiert hatte. Es war und es ist auch heute die richtige Entscheidung, dem Kremlchef zu zeigen, dass ein solches Verhalten Konsequenzen hat.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die westlichen Regierungschefs das Gespräch mit Putin bei anderen Gelegenheiten suchten und suchen. Denn natürlich darf der Gesprächsfaden auch in Krisenzeiten nicht abreißen. Aber Putin jetzt einfach wieder so zu behandeln, als ob nichts passiert sei, wäre inkonsequent. Er ist beleidigt, meint Helmut Schmidt. Ja, und?

Man müsse doch einfach mal drüber reden, wenn es Schwierigkeiten gibt, sagt Gerhard Schröder. Als ob das nicht mehr als einmal geschehen ist – mit, wie man weiß, meist ergebnislosem Ausgang. Die Vorstellung, dass Wladimir Putin, wenn der Westen ihn nur mal ernsthaft umarmt, wieder ein verlässlicher Partner würde, der seinen Anspruch auf zumindest Teile der Ukraine aufgibt, ist naiv. Gelegenheiten dazu hätte er ausreichend gehabt in den vergangenen 15 Monaten.

Und im Übrigen: Trotz Waffenstillstandsabkommen, das unter größtem diplomatischen Einsatz und nach vielen Gesprächen zustande gekommen ist, wird im Osten der Ukraine bis heute weiter gekämpft und gestorben.

Das Argument, dass durch das Fernbleiben Putins aus dem G-7- ein reiner Wohlgefühlgipfel wird, bei dem die schwierigen Themen ausgeklammert werden, zieht ebenfalls nicht. Oder sind etwa die NSA-Spionage mitsamt der transatlantischen Verstimmungen, die Euro-Krise und Großbritanniens Flirt mit einem Austritt aus der Europäischen Union keine großen Themen? Oder die Armutsbekämpfung vor allem auf dem afrikanischen Kontinent? Was davon bitte erzeugt auch nur bei einem der Beteiligten ein wohliges Gefühl?

So oder so: Es stehen ausreichend Probleme auf der Agenda – für eine zweitägige Veranstaltung in den bayerischen Alpen. Die Ukraine-Krise bleibt wichtig, auch wenn sie dieses Mal nicht ein Gipfeltreffen dominiert.

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